von Mathias Oertel,

E3-Eindruck: Heavy Rain

Heavy Rain (Adventure) von Sony
Heavy Rain (Adventure) von Sony - Bildquelle: Sony


Ich konnte es kaum glauben: Einige Jahre nach Fahrenheit und scheinbar zahllose Monate nach den ersten Videos lag das Pad in meinen Händen und ich konnte mich ca. 30 Minuten mit Heavy Rain (ab 6,99€ bei kaufen) beschäftigen. Genauer: Mit einer Episode aus dem emotionalen Krimi, der genau wie sein indirekter Vorgänger Schwierigkeiten haben wird, das Etikett "interaktiver Film" abzuschütteln.

Nein, das stimmt nicht ganz. Heavy Rain dürfte noch größere Probleme bekommen, dieses Stigma loszuwerden. Denn wo auf der einen Seite durch die Kulisse eine enorme Atmosphäre geschaffen wird, in der sich die virtuellen Schauspieler zielsicher von Emotion zu Emotion und von Handlung zu Handlung bewegen, um mich auf diesem Weg mitzunehmen, bleiben spielerisch viele Wünsche unerfüllt. Mimik, Gestik, kleine Momente: Die Charaktere wurden haargenau getroffen und erzählen ihre eigene kleine Geschichte. Ja: Es macht Spaß, Heavy Rain zuzuschauen.

Heavy Rain zu spielen ist jedoch ein anderes Erlebnis. Zumindest die Episode, durch die ich mich bewegen durfte: Ein FBI-Agent, der auf einem Schrottplatz ein scheinbar einfaches Verhör führen muss, dann aber um sein Leben kämpfen muss. Denn gefühlte 90% der Zeit (reell mag das Verhältnis etwa bei 70:30 liegen) war ich damit beschäftigt, vergleichsweise simple Quicktime Events zu bewältigen, in denen man zwar abseits der üblichen geforderten Aktionen (Tasten oder einfache Richtungsangaben mit dem Stick) auch gelegentlich mit Halbkreisen etc. kurzzeitig überrascht wird. Gut aussehend, auf eine David Lynch'sche Art auf Weise mal ruhig, mal bedrohlich und dadurch und im Zusammenspiel mit der Kulisse interessant, aber unter dem Strich größtenteils simpel.

Es gab zwar auch die sehr willkommene Abwechslung mit technischer Hilfe einer Spezialbrille die Umgebung zu analysieren. Doch Denken wurde dabei weniger verlangt als stete Beharrlichkeit, alle wichtigen Punkte ausfindig zu machen. Dass diese Punkte als Markierung auftauchen und bei Aktivierung ähnlich wie in Minority Report eine "virtuelle" Beweisanalyse abspielen, bei der man nicht nachdenken oder gar eigene Rückschlüsse führen muss, ist spielerisch bedenklich. Dramaturgisch interessant, nachvollziehbar und den Fokus auf die Figuren und deren Aktionen legend, aber spielerisch mit Hang zur Belanglosigkeit.

Und die zwei Momente, in denen ich eine wesentliche Entscheidung mit weitreichenderen Konsequenzen fällen musste, waren im Vergleich zu Fahrenheit zu spärlich gesät, um letztlich für Spannung sorgen zu können.

E3-Fazit: Es mag an der ausgewählten Episode gelegen haben. Oder auch an der Erwartungshaltung, die sich nach Fahrenheit und dem ersten Bild- und Videomaterial bei mir eingestellt hat. Aber trotz oder gerade wegen einer fulminanten und emotional mitreißenden Inszenierung, bei der die virtuellen Schauspieler nahezu alle Register ziehen und stets glaubwürdig wirken, kommt das Spielerische in dieser Form zu kurz. Den Fokus auf Quicktime-Events zu setzen und dabei die stete emotionale Einbindung des Spielers über Entscheidung und Konsequenzen bis auf zu wenige Ausnahmen außer Acht zu lassen, ist meinem Empfinden nach der falsche Weg. Für Zuschauer ist Heavy Rain ein Genuss und ein Erlebnis. Als Spieler wurde ich bislang jedoch weder gefordert noch gefesselt. Quantic Dream bewegt sich auf einem schmalen Grat und muss aufpassen, die Person vor dem Bildschirm nicht zu verlieren. Doch die ist ebenso wichtig wie die Figuren auf der anderen Seite. Aber mit denen hat Heavy Rain auch keine Probleme (Video: E3-Trailer).

E3-Eindruck: befriedigend



Kommentare

Lt. Körschgen schrieb am
Kleine Randnotiz: die Story von Fahrenheit wurde gegen Ende u.a. deshalb so konfus, weil den Entwicklern Zeit und Geld ausgingen. In irgendeiner Gamestar-Ausgabe kann man die Entstehung des Spiels nachlesen. Durchaus lesenswert.
Ich kann den E3-Eindruck überhaupt nicht nachvollziehen. Habs auf der gamescom angespielt und bin sehr begeistert. Die Steuerung ist ziemlich gewöhnungsbedürftig, aber Grafik, Story, Atmosphäre sind auf extrem hohem Niveau. Allerdings ist die Szene auf dem Schrottplatz wirklich nicht so prickelnd, im Gegensatz zum Supermarkt. Aber es klang hier ja schon an: Heavy Rain ist sicher kein Spiel, das seinen Reiz innerhalb von 5 Minuten entfaltet und schon gar nicht auf einer lauten Messe.
Zum simplen Spielprinzip: Rock Band bzw. Guitar Hero sind letztlich auch reine Geschicklichkeitsspiele, trotzdem machen sie sehr viel Spaß. Wenn ich außerdem mit glaubwürdigen Charakteren, einer spannenden Geschichte, schier unendlichen Entscheidungsmöglichkeiten (die auch tatsächlich Auswirkungen haben) etc. entschädigt werde, ist mir das Spielprinzip fast egal. Man sehe sich nur mal die weiblichen Figuren und Liebesszenen in Fahrenheit an. Dagegen wirkt die Inszenierung der gesamten Konkurrenz in etwa so realistisch wie die WM-Chancen von Nepal :)
Abgesehen davon besteht Heavy Rain ja nicht ausschließlich aus QTE. Viele Aktionen der Spielfiguren lassen sich zwar durch relativ simple Tastenkombinationen oder Bewegungen der Analogsticks ausführen, allerdings besteht dabei nur selten Zeitdruck und nicht jede Aktion muss durchgeführt werden. Insofern hat das Spiel durchaus einen Adventurekern.
Man kann diese Art ja gerne ablehnen, auch wenns für mich nicht wirklich nachvollziehbar ist. Aber überrascht und enttäuscht darüber zu sein, ist doch etwas merkwürdig. Bei FIFA jammere ich doch auch nicht rum, dass ich jedes Jahr wieder mehr Tore als der Gegner schießen muss, um zu gewinnen...
crewmate schrieb am
Bimon88 hat geschrieben:Ich glaube die Entwickler haben garnicht vor das Vorurteil eines interaktiven Films abzuschütteln . wieso auch? Heavy Rain wird bestimmt kein 0815 Third Person Shooter werden wie (meiner Meinung nach) Alone in the dark.
Ähh, du vergleichst Survival Horror mit einem Adventure?
Mogwai180 schrieb am
Ich glaube die Entwickler haben garnicht vor das Vorurteil eines interaktiven Films abzuschütteln . wieso auch? Heavy Rain wird bestimmt kein 0815 Third Person Shooter werden wie (meiner Meinung nach) Alone in the dark.
JackJohnson schrieb am
Ich werde es mir so oder so holen. Ich denke mal, dass es bei diesem Spiel wie mit Filmen sein wird. Man muss Sie komplett gesehen haben um sich eine Meinung zu bilden.
Dazu kommt ja auch noch, dass es viele verschiedene Storyabzweigungen geben wird.
Mogwai180 schrieb am
Es ist eigentlich jetzt schon klar das das Spiel selbst wenn es Grossartig wird das es nicht alle Erwartungen erfüllen kann das ist nunmal das Problem mit dem riesigen Hype um das Spiel . Wenn Quantic Dreams erst ein Paar Monate vor Release erste Bilder und Spielscenen zeigen würde dann würde das Spiel einschlagen wie ne Bombe aber das gilt nicht nur für heavy rain sondern auch für den Konkurenz-Titel von Miicrosoft Alan Wake^^
schrieb am
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