Heavy Rain
03.06.2009 06:23, Mathias Oertel

E3-Eindruck: Ein Opfer des Hype

Ich konnte es kaum glauben: Einige Jahre nach Fahrenheit und scheinbar zahllose Monate nach den ersten Videos lag das Pad in meinen Händen und ich konnte mich ca. 30 Minuten mit Heavy Rain beschäftigen. Genauer: Mit einer Episode aus dem emotionalen Krimi, der genau wie sein indirekter Vorgänger Schwierigkeiten haben wird, das Etikett "interaktiver Film" abzuschütteln.

Nein, das stimmt nicht ganz. Heavy Rain dürfte noch größere Probleme bekommen, dieses Stigma loszuwerden. Denn wo auf der einen Seite durch die Kulisse eine enorme Atmosphäre geschaffen wird, in der sich die virtuellen Schauspieler zielsicher von Emotion zu Emotion und von Handlung zu Handlung bewegen, um mich auf diesem Weg mitzunehmen, bleiben spielerisch viele Wünsche unerfüllt. Mimik, Gestik, kleine Momente: Die Charaktere wurden haargenau getroffen und erzählen ihre eigene kleine Geschichte. Ja: Es macht Spaß, Heavy Rain zuzuschauen.

Heavy Rain zu spielen ist jedoch ein anderes Erlebnis. Zumindest die Episode, durch die ich mich bewegen durfte: Ein FBI-Agent, der auf einem Schrottplatz ein scheinbar einfaches Verhör führen muss, dann aber um sein Leben kämpfen muss. Denn gefühlte 90% der Zeit (reell mag das Verhältnis etwa bei 70:30 liegen) war ich damit beschäftigt, vergleichsweise simple Quicktime Events zu bewältigen, in denen man zwar abseits der üblichen geforderten Aktionen (Tasten oder einfache Richtungsangaben mit dem Stick) auch gelegentlich mit Halbkreisen etc. kurzzeitig überrascht wird. Gut aussehend, auf eine David Lynch'sche Art auf Weise mal ruhig, mal bedrohlich und dadurch und im Zusammenspiel mit der Kulisse interessant, aber unter dem Strich größtenteils simpel.

Es gab zwar auch die sehr willkommene Abwechslung mit technischer Hilfe einer Spezialbrille die Umgebung zu analysieren. Doch Denken wurde dabei weniger verlangt als stete Beharrlichkeit, alle wichtigen Punkte ausfindig zu machen. Dass diese Punkte als Markierung auftauchen und bei Aktivierung ähnlich wie in Minority Report eine "virtuelle" Beweisanalyse abspielen, bei der man nicht nachdenken oder gar eigene Rückschlüsse führen muss, ist spielerisch bedenklich. Dramaturgisch interessant, nachvollziehbar und den Fokus auf die Figuren und deren Aktionen legend, aber spielerisch mit Hang zur Belanglosigkeit.

Und die zwei Momente, in denen ich eine wesentliche Entscheidung mit weitreichenderen Konsequenzen fällen musste, waren im Vergleich zu Fahrenheit zu spärlich gesät, um letztlich für Spannung sorgen zu können.

E3-Fazit: Es mag an der ausgewählten Episode gelegen haben. Oder auch an der Erwartungshaltung, die sich nach Fahrenheit und dem ersten Bild- und Videomaterial bei mir eingestellt hat. Aber trotz oder gerade wegen einer fulminanten und emotional mitreißenden Inszenierung, bei der die virtuellen Schauspieler nahezu alle Register ziehen und stets glaubwürdig wirken, kommt das Spielerische in dieser Form zu kurz. Den Fokus auf Quicktime-Events zu setzen und dabei die stete emotionale Einbindung des Spielers über Entscheidung und Konsequenzen bis auf zu wenige Ausnahmen außer Acht zu lassen, ist meinem Empfinden nach der falsche Weg. Für Zuschauer ist Heavy Rain ein Genuss und ein Erlebnis. Als Spieler wurde ich bislang jedoch weder gefordert noch gefesselt. Quantic Dream bewegt sich auf einem schmalen Grat und muss aufpassen, die Person vor dem Bildschirm nicht zu verlieren. Doch die ist ebenso wichtig wie die Figuren auf der anderen Seite. Aber mit denen hat Heavy Rain auch keine Probleme (Video: E3-Trailer).

E3-Eindruck: befriedigend

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