von Jan Wöbbeking,

Devcom 2017: Probleme und Chancen des Publishings im Indie-Bereich

devcom 2017 (Messen) von Aruba Events, BIU, Koelnmesse
devcom 2017 (Messen) von Aruba Events, BIU, Koelnmesse - Bildquelle: Aruba Events, BIU, Koelnmesse
Wie erregt man als Indie-Entwickler am effektivsten die Aufmerksamkeit der Spielerschaft – und welche Rolle spielen dabei Publisher, PR-Agenturen, die klassische Gamespresse und moderne “Influencer“ auf Twitch und Youtube? Eine eindeutige Antwort auf diese Frage konnte kein Teilnehmer des Diskussions-Panels "The State of Indie Publishing, Challenges and the Future Ahead" geben, das von den Respawn-Veranstaltern auf der Entwicklerkonferenz  devcom organisiert wurde. Im Gegenteil: Man war sich darüber einig, wie wichtig eine individuelle Strategie für das jeweilige Team und Spiel sei, statt beim Publishing und der PR nach Patentrezepten zu suchen.



„Wir machen es klassisch“, erläutert Dieter Schoeller, Managing-Director des kleinen deutschen Publishers Headup Games. Bei manchen, eher auf die Spielmechanik fokussierten Genres versuche man eher, Influencer zu erreichen - weil sie ihre Persönlichkeit ins Spiel brächten und so Begeisterung erzeugen könnten. Storylastige Titel wie Adventures eigneten sich eher für klassische Spielemagazine, weil sich nur wenige potenzielle Käufer die Geschichte durch Spoiler verderben lassen wollten. Dabei rechne es sich eher, sich mit dem begrenzten Budget auf einige große Magazine zu konzentrieren als zu viele kleine Seiten abzuklappern. US-Publisher könnten meist deutlich mehr erreichen, weil die europäische Presse stark von amerikanischen Magazinen beeinflusst werde - und umgekehrt fast überhaupt nicht. Schoeller gab zu bedenken, dass manche Influencer ihre Titel ohnehin spielen würden – und man so lieber direkt in die Kontaktaufnahme zu Kunden per Facebook oder anderen sozialen Medien investieren könne.

Vernon Vrolijk, Marketing Manager von Good Shepherd Entertainment, erklärte, dass man sich auch bei der Kontaktaufnahme zu Youtubern bzw. Streamern nur jene mit entsprechenden Genre-Vorlieben herauspicken solle. Im Umgang mit der Spielepresse gebe es ebenfalls Besonderheiten zu beachten: Dort böten sich eher Titel an, zu denen Redakteure eine eigene interessante Geschichte formulieren könnten. Produkte mit einem einfachen Gimmick als Spielmechanik, das nach fünf Minuten langweilig wird, hätten es dabei schwerer.

Auch Moderator Steve Escalante, General Manager von Versus Evil, wollte in keinen allgemeinen Abgesang auf die Spielepresse einstimmen – denn eine prominente Platzierung kleinerer Titel in großen Magazinen errege z.B. auch die Aufmerksamkeit von Influencern. Bei Pressemitteilungen oder Anfragen sollte man bedenken, dass am anderen Ende der Leitung ein Mensch sitze, der hunderte von Mails pro Tag erhalte. Hilfreich sei also eine kurze, interessante und klar strukturierte Nachricht, die nur an potenziell interessierte Adressaten herausgehen sollte. Der größte sichtbare Unterschied bei den Verkaufszahlen sei der plötzliche Verkaufsanstieg, nachdem der Titel in einem Let's play aufgetaucht ist. Bei Magazinen handle es sich eher eine langsam ansteigende, aber längerfristige Kurve.

Überhaupt keinen Sinn macht es laut Escalante für einen Indie-Entwickler, mit einem Early-Access-Titel an einen Publisher heranzutreten. So gut wie kein Redakteur wolle dann noch etwas über das Thema bringen, weil ohnehin schon alle Infos auf Steam oder einer entsprechenden Plattform zu finden sind.

Zum Abschluss hatte die Runde noch ein paar Tipps für die Neulinge unter den Indie-Studios: Vrolijk betonte die Wichtigkeit eines realistischen Business-Plans, weil viele Entwickler sonst schnell von der kostspieligen Realität eingeholt würden, auch wenn noch so talentierte und sympathische Mitglieder für die Firma arbeiten. Er bedaure es sehr, wenn Talente aus der Spiele-Industrie in andere Bereiche abwanderten.

Schoeller empfahl in dem Zusammenhang, finanziell nicht so zu planen, dass man bereits beim ersten Titel mit einem Erfolg rechnet, um damit das zweite Spiel zu finanzieren. Beim Debüt-Titel gebe es dafür viel zu viele Unwägbarkeiten, Engine-Probleme und dergleichen.

Auch die stark gestiegene Zahl der Kickstarter-Projekte sorgt in Vrolijks Augen für eine Entwertung der Arbeit an Spielen: Der Entwickler erlange nach einer erfolgreichen Kampagne zwar mehr Aufmerksamkeit und eine etwas bessere Verhandlungsposition gegenüber dem Publisher. Beim Publikum entstehe aber gleichzeitig der Eindruck, dass man ein recht aufwändiges Spiel für derart niedrige Kosten realisieren könnte – was nicht der Wahrheit entspreche. Eine gute Strategie sei es, als kleiner Entwickler eines Download-Titels zunächst allein die Öffentlichkeitsarbeit zu übernehmen und später zusammen mit einem Publisher eine Box-Version zu realisieren. Dadurch erreiche man oft noch eine ganz andere Käuferschicht, die bei der Digital-Version noch nicht aufmerksam geworden ist.


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