GCDC 2008
19.08.2008 09:17, Julian Dasgupta

Eine Kultur der Innovation

Nicht nur Dini & Co. sinnierten auf der GC Developers Conference über das Thema Kreativität, auch Steve Meretzky machte sich so seine Gedanken und prangerte den "anti-innovativen Geist" an, der in der Branche vorherrsche. Es sei so, als ob viele Hersteller "auf dem Schlachtfeld des Einfallsreichtums aufgegeben" hätten.

Der Infocom-Veteran, der nun bei Blue Fang Games tätig ist, zog einen von ihm erstellten Zeitverlauf heran, der aufzeigte, in welchem Jahr welche Genres und Subgenres entstanden waren. Demzufolge gab es vor allem in den 80er und 90er Jahren zahlreiche neuen Typen - in der jüngeren Vergangenheit hingegen kaum noch. Man könne ja nun vermuten, dass das Feld vielleicht schon abgegrast und alle möglichen Genres erfunden wurden - eine These, von der Meretzky allerdings nichts hält und dabei auf einen Titel wie Portal verweist, der sich seiner Meinung nach in keine der bis dato bekannten Gattungen einordnen lässt.

Es gebe die technische und die kreative Innovation - während Dinge wie Hardware und Engines aber ständig vorangetrieben würden, "dort immer neue Grenzen ausgelotet werden", stagniere der Kreativbereich. Dabei gebe es durchaus Gründe dafür, sich auch inhaltlich in neue Sphären zu wagen, merkt Meretzky an.

Wii und Portal würden zeigen, dass sich Innovation auszahlt. So habe sich Nintendo vom dritten Platz in der letzten  Generation auf den ersten Platz in dieser Generation katapultieren können, weil man etwas anderes gewagt habe. Meretzky bezweifelt allerdings, dass die anderen Hersteller die richtigen Lehren aus dem Erfolg des Systems - "eine Mischung aus technischer und inhaltlicher Innovation" gezogen haben. Statt sich mit ihrer kommenden Hardware selbst in Neuland zu wagen, dürften Microsoft und Sony wohl eher die Schlussfolgerung gezogen haben, dass jedes System einen bewegungssensitiven Controller im Sinne der Wiimote braucht.

Auch müsse man das Comic-Buch-Phänomen vermeiden - angesichts der Vorbehalte gegen das neue Medium hätten sich die Herausgeber in den 50ern auf eine Art Gütesiegel geeinigt - Comics ohne jenen Segen hätten im Handel keine Chancen gehabt. Viele Formen seien dadurch ausgefiltert worden, hauptsächlich Superhelden-Comics hätten überlebt. Die Branche habe sich davon erst Jahrzehnte später erholen können. Wer festgefahrene Konventionen vermeide, würde so auch Verbote oder Zensurversuche erschweren. Außerdem, so Meretzky, mache es doch mehr Spaß an etwas Neuem zu arbeiten, als stets das gleiche Prinzip zu wiederholen.

Sollte kein Umdenken stattfinden, laufe die Industrie Gefahr, das große Versprechen, dass Spiele die Kunstform des 21. Jahrhunderts werden, nicht einlösen zu können, orakelt der Spielemacher schließlich, der auch Gründe für den Mangel an Innovationen benannte.

Beispielsweise hätte man bei den Genres nun die "low hanging fruits" abgeerntet. Die Genres, die einfach zu erschaffen sind, seien nun erfunden worden. Das Erkunden weiterer Genres bedeute mehr Arbeit und Aufwand als bisher. Auch die großen Budgets seien naturgemäß problematisch, weil die Hersteller bei derartigen Summen lieber auf Bewährtes setzen würden.

Die Marktkonsolidierung durch Übernahmen und Fusionen habe den Zufluss an neuen Ideen ebenfalls alles andere als beschleunigt. Bei den großen Publishern würden i.d.R. Leute das Sagen haben, die aus einer anderen Branche kommen und von Spielen kaum Ahnung hätten. Die großen Firmen würden "von Idioten" geleitet, formuliert Meretzky, um gleich darauf augenzwinkernd anzufügen, dass er das ja so nicht gesagt habe. In den großen Unternehmen gebe es außerdem mehr bürokratische Hürden, die eine Idee nehmen müsse.

Seine Kritik richtet sich allerdings auch an die Entwickler selbst - die würden nämlich selbst zum ganzen Dilemma beitragen. Getrieben von der Angst, bei einem Publisher nicht unterzukommen, würden die Studios nämlich schon im Vorfeld eine Selbstzensur betreiben und Konzepte streichen, die ihnen zu gewagst erscheinen. Manche frischen

Ansätze würden so schon vom Kreativpersonal selbst im Keim erstickt, murmelt Meretzky und fragt rhetorisch, wie "incredibly fucking stupid" das denn eigentlich sei. Auch solle sich jeder im Raum selbst mal fragen, ob er nicht schon mal einen neuen, ihm unbekannten Titel im Ladenregal hat liegen lassen, um stattdessen zu einer ihm eher vertrauten Fortsetzung zu greifen.

Es bedürfe einer Kultur der Innovation und bittet alle Anwesenden, sich doch selbst daran zu beteiligen. Auch das kleinste Rädchen im Getriebe habe immer noch die Möglichkeit, die Produktion in seinem Bereich mit neuen Ideen zu bereichern: "Be subversive!" Auch empfiehlt er einen Blick auf die Indie-Szene - die sei nämlich ein Motor der Innovation. Er verstehe nicht, warum nicht mehr Hersteller die kleinen Entwickler im Auge behalten und beispielsweise ein gutes 5000 Dollar-Projekt übernehmen und mit einem 50.000 Dollar-Budget ausstatten, um diesem den letzten Feinschliff zu verpassen. Statt dessen fokussiere man sich oft auf Titel mit Millionenbudgets.

Letztendlich, so schließt Meretzky etwas optimistischer ab, werde es genau wie vor zwanzig Jahren sein, als es größere Innovationswellen gab: Die neuen Konzepte würden von kleinen Teams entwickelt werden.

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