von Michael Krosta,

Der 4P-Technik-Check: Synchronisation

Es kracht an allen Ecken und Enden! Druckvolle Explosionen erschüttern die Kulissen. Aus allen Richtungen stürmen schwer bewaffnete Feinde heran. Ich bin mit einer Partner-KI mitten drin und baller aus allen Rohren. Patronenhülsen fliegen langsam und im hohen Bogen dem Boden entgegen, während das Spiel automatisch in einen coolen Zeitlupenmodus umschaltet. Es ist der perfekte Action-Traum! Bis zu dem Zeitpunkt, an dem mein Begleiter den Mund aufmacht und unbeholfen mit einer hoch verzerrten Stimme etwas stammelt wie "Juchuuu! Noch ein Kopftreffer übrig, dann haben wir die Levelabschnittsstufe geschafft und können mit dem Kampfvehikel von dannen schweben." Genau das ist der Moment, in dem die Atmosphäre von Worten getötet wird. Es ist der Moment, an dem man sich an den Kopf fassen und laut "Einfach mal die Fresse halten" losbrüllen möchte. Es ist der Moment, in dem man realisiert, dass neben Grafikfehlern, mangelhafter Technik und schwachem Leveldesign noch etwas anderes den Spaß am Spiel verderben kann:

Die Synchronisation

Früher war alles einfacher! Da konnte man schon froh sein, wenn beim Spielen überhaupt etwas aus den Lautsprechern plärrte, selbst wenn es sich dabei nur um irgendwelche synthetischen Chip-Klänge oder einen Mono-Piepser handelte. Von einer durchgängigen Sprachausgabe konnte man damals aufgrund des eingeschränkten Speicherplatzes nur träumen und so beschränkte man sich höchstens auf einige schlecht eingesampelte Wortfetzen, mit denen z.B. in Turrican II das aktuell aufgesammelte Waffensystem genannt wurde. Unvergessen auch das Intro zu "It Came From the Desert", bei dem man den Sprecher aufgrund der niedrigen Qualität und hohen Komprimierung kaum verstehen konnte. Das wurde erst am PC mit der Ankunft der Soundblaster-Karten besser, mit deren Hilfe das Adlib-Gedüdel der FM-Synthese von digitalisierten Soundeffekten und auch Sprachausgabe ergänzt werden konnte. Da auch Festplatten deutlich mehr Kapazitäten boten als damalige Disketten oder die Module der Videospielkonsolen, lernten die Figuren vor allem am PC zu sprechen und ließen sich diesen Luxus teilweise sogar extra bezahlen: So bot z.B. EA für die Wing Commander-Serie separat ein so genanntes Speech-Pack an, mit dessen Hilfe der Funkverkehr während den Raumschlachten mit digitalisierter Sprache erweitert wurde.

Spielehelden lernen sprechen

Den großen Durchbruch schaffte die Sprachausgabe in Spielen allerdings erst mit der Ankunft der CD-ROM als Speichermedium - Rebel Assault & Co lassen grüßen. Ein Problem dieser Pionierzeit war allerdings die Tatsache, dass die Soundkarten (und Tonstudios der Entwickler?) technisch noch nicht so weit ausgereift waren, um die Klänge in CD-Qualität von 44,1 Kilohertz Stereo auszugeben. Wer sich an die Soundblaster Pro erinnern kann, wird noch wissen, dass diese Karte unter Stereo gerade mal die Hälfte der CD-Qualität erreicht hat. Die Folge: Ein deutlich hörbares Rauschen, das selbst heute noch in manchen Spielen in Erscheinung tritt, da man mit niedrigeren Samplefrequenzen bzw. einer stärkeren Komprimierung Speicherplatz sparen kann. Gerade bei textlastigen Titeln wie Grand Theft Auto IV oder Rollenspielen vom Schlag eines Oblivion hören geschulte Ohren im direkten Vergleich zu weniger speicherintensiven Spielen trotz fortschrittlicher Kompressionsverfahren einen merklichen Qualitätsunterschied. Doch der technische Aspekt, zu dem auch die richtige Abmischung der Lautstärke gehört, ist oft nur Nebensache, wenn es um das Thema Synchro und Sprachausgabe in Spielen geht. Denn viel wichtiger als der "Rauschfaktor" oder schwankende Pegel sind die Sprecher, die den Charakteren Leben einhauchen und sie dabei möglichst glaubhaft darstellen sollen - und gerade hier hapert es selbst heute noch merklich an Qualität.

Vor allem in Deutschland tut man sich oft noch schwer, professionelle Sprecher für Videospiele zu engagieren, obwohl in den vergangenen Jahren immer mehr Publisher erkannt haben, wie wichtig die passenden Stimmen und vor allem eine glaubwürdige Darbietung für die Atmosphäre sind. Wie sehr es daneben gegen kann, zeigte z.B. Konami 1998 mit der Eindeutschung von Metal Gear Solid auf der PSone, in der die Stimme von Mei Ling eine klassische Fehlbesetzung mit einem enorm hohen Nervfaktor war. Doch auch von der restlichen Besetzung konnte kaum jemand mit dem englischen Original mithalten, wie das folgende Video zeigt.

Video: Im direkten Vergleich zwischen der Originalversion und der deutschen Fassung von Metal Gear Solid wird schnell klar, warum Konami es bei sämtlichen Nachfolgern bei deutschen Untertiteln belassen hat.


Kein Wunder also, dass man es bei allen Nachfolgern bei den hervorragenden englischen Sprechern belassen und lediglich deutsche Untertitel eingeblendet hat. Doch auch aktuellere Beispiele zeigen, dass eine aufwändige deutsche Synchronisation immer noch sehr weit unten auf der Liste einiger Publisher steht. Wie ist es sonst zu erklären, dass man für BlackSite eine Frau mit der vermutlich gelangweiltesten Stimme des Universums ans Mikrofon gelassen oder Alone in the Dark aufgrund der miesen Synchronisation mehr zu einer unfreiwilligen Komödie mutierte? In Amerika ist man schon einen Schritt weiter: Hier leihen nicht nur bekanntere Schauspieler wie Keith David, Seth Green oder David Duchovny den Figuren ihre Stimmen, sondern es existiert mittlerweile eine ganze Riege an professionellen Sprechern, die sich vor allem auf Rollen in Computer- und Videospielen spezialisiert haben. In Deutschland wird dagegen noch zu oft auf drittklassige Sprecher zurück gegriffen, bei denen sich manchmal die Vermutung aufdrängt, es könnte sich um die Frau oder den langjährigen Bekannten eines Product Managers handeln, der sie auf Teufel komm raus involvieren wollte.

Bekannte Sprecher in Spielen

Doch langsam bekommt man auch in Deutschland das Gefühl, als würde die Wichtigkeit professioneller Sprecher erkannt, denn vor allem im Adventure-Bereich klingen immer öfter bekannte Stimmen aus dem Fernsehen oder Radio aus den Boxen, die nicht nur in Werbespots, sondern auch als Synchronsprecher für Hollywood-Filme in Erscheinung treten. Die Gefahr dabei: Man assoziiert die Stimmen mehr mit diesen Stars und weniger mit den Figuren aus dem Spiel. Manchmal ist man hierzulande aber sogar im Vorteil, wie das Beispiel Lost zeigt: Während man nur einen geringen Teil der Original-Schauspieler für Sprachaufnahmen zum Spiel gewinnen konnte, sprechen in der lokalisierte Fassung durchweg Sprecher, die man aus der TV-Serie kennt. Leider sind solche Erscheinungen aber die Ausnahme. Was der deutschen Branche gut tun würde, wären also markante, professionelle Sprecher, die noch keinen so großen Bekanntheitsgrad erreicht haben, aber trotzdem etwas von ihrem Job verstehen und mehr leisten, als nur den vorgelegten Text abzurattern, sondern sich stattdessen in die virtuellen Figuren und ihre aktuelle Lage hineinversetzen können. Eine löbliche Ausnahme war z.B. das Adventure Floyd, das sich nicht nur durch eine gute Besetzung auszeichnete, sondern auch mit der Implementierung von deutschen Dialekten für zusätzlichen Humor sorgte. MGS-Schöpfer Hideo Kojima hat sich dagegen Hollywood als Vorbild genommen und die Sprecher bereits vor den eigentlichen Aufnahmen in einer Runde versammelt, um gemeinsam das Skript zu lesen. Klar, dass bei weniger storylastigen Spielen kein so großer Aufwand betrieben werden kann und muss, doch sollte zumindest ein Casting durchgeführt werden, bei dem man die Wahl hat, welche Sprecher besser zu einer jeweiligen Rolle im Spiel passen. Oft hatte und hat man das Gefühl, als würden die Synchronstimmen für die deutschen Fassungen zu willkürlich gewählt - und das selbst bei Unternehmen, von denen man annehmen kann, dass sie über die finanziellen Mittel verfügen, um herausragende Sprecher zu engagieren. Ein Beispiel gefällig? Es fängt mit "H" an und hört mit "alo" auf!



Es ist eine Sache, wenn die deutsche Synchro verhunzt wurde. Wenn aber dann auch noch die Alternative in Form der Originaltonspur fehlt, ist das gleich doppelt ärgerlich. Es ist heutzutage leider immer wieder eine Unsitte, nur noch eine Sprachfassung, nämlich die lokalisierte, auf die Disk zu packen - und das, obwohl gerade auf der Blu-ray massig Speicherplatz vorhanden ist. Löblich ist dagegen der Ansatz, alternative Sprachen zum kostenlosen Download anzubieten. Nintendo ist fein raus: Die Japaner verzichten selbst heute noch weitgehend auf Sprachausgabe in ihren Spielen. Der Vorteil: Es erinnert nicht nur an den Charme vergangener Tage, sondern fördert auch die Fantasie, vergleichbar mit dem Lesen eines Buches. Der Nachteil: Keine Sprachausgabe wirkt antiquiert und die Soundeffekte, die oft als Ersatz zum Einsatz kommen, zehren schon nach wenigen Minuten an den Nerven. Das ist nicht nur bei Nintendo-Spielen wie Pikmin der Fall: Wer kürzlich Banjo-Kazooie: Schraube locker gespielt oder sich durch Okami gekämpft hat, der weiß, was gemeint ist. Doch vielleicht denkt man sich bei Nintendo: "Besser gar keine Sprachausgabe als eine grottige Sprachausgabe!". Ein Motto, dem vielleicht auch der eine oder andere Publisher folgen sollte, denn im Testbetrieb erweist sich die (deutsche) Synchronisation immer noch viel zu oft als einer der größten Atmosphäre-Killer.



Neben der Auswahl an Sprechern gibt es im Bereich der Synchronisation aber noch ein weiteres Kriterium, das für die Bewertung eine Rolle spielen kann und dabei weniger vom persönlichen Geschmack abhängt: Die Synchronität zwischen Bild und Ton. Es passiert leider immer wieder, dass Charaktere drauflos plappern, ohne dass sich ihr Mund bewegt - selbst in Sonys Action-Blockbuster Killzone ist genau das teilweise der Fall. Umgekehrt kann es auch vorkommen, dass man Lippenbewegungen an den Figuren erkennen kann, obwohl diese gerade schweigen. Meistens kommt gleich beides zusammen, da eine zeitliche Verzögerung zwischen der Sprache und den entsprechenden Animationen auftritt. Auch Mass Effect kann ein Lied davon singen. Tritt dieses Phänomen ständig auf - und im schlechtesten Fall auch noch in Kombination mit einer miserablen Sprecherleistung - kann man unter Umständen mit einigen Punktabzügen rechnen. Umgekehrt kann eine umwerfende Synchro ein Spiel aber auch aufwerten und so gekonnt in die Handlung hinein ziehen, dass technische Probleme eher zur Nebensache werden - man denke nur an Advent Rising. Oft ist es aber auch so, dass die Synchronisation kaum eine große Rolle bei der Bewertung spielt - es sei denn, sie ist total daneben wie im Fall von Alone in the Dark. Ein The Legend of Zelda: Twilight Princess bekommt auch ohne Sprachausgabe seinen Platin-Award. Das Gleiche gilt für Okami Gameinfos')" onmouseout="DynToolTipp_Hide(); " href="https://www.4players.de/4players.php/spielsysteminfo/Allgemein/12778"> oder Super Mario Galaxy. Und selbst wenn nur deutsche Untertitel geboten werden, steht einer Auszeichnung nichts im Wege. Im Idealfall wünscht man sich neben dem Original aber auch eine deutsche Tonspur, die nicht nur der Vorlage, sondern auch der professionellen Synchronisation von Kinofilmen das Wasser reichen kann. Und die findet man leider immer noch viel zu selten...


Kommentare

Sanjuro schrieb am
Bleib noch immer die Frage: Wer spricht Geralt/Sheppard :)
SluggerGT schrieb am
In dem Mass Effect Video von dir kann man sehr schlecht hören, dass es die selben Stimmen sind. Aber du hast recht. Besser ist es hier ab min 1:08:
http://www.youtube.com/watch?v=9tY6kmLz ... re=related
Dann ist Dieter Wunder wohl der neue Synchronsprecher der Enhanced Version von Gerald. Aber die ist ja mal nich so prall. Der pennt ja fast ein beim Sprechen und der Charakter hat absolut nicht die Statur, dass so eine Stimme dazu passt. Viiiiiel zu tief! 8O
Die aus der Originalversion fand ich garnicht so schlecht.
Wer se nicht kennt, auf the-witcher.de gibts Vergleichsvideos und Audiodateien.
Sanjuro schrieb am
Slugger81 hat geschrieben:Die deutsche Synchro von Gerad von Riva ist laut Hexer.wikia Dietmar Wunder. Bin mir aber nicht sicher, dass der auch Commander Shepard synchronisiert hat.
Auf jedenfall hat er aber den neuen Bond synchronisiert.
Ich kann mir nicht vorstellen das Dietmar Wunder The Witcher ("klassik Version") synchronisiert hat. Das sind 2 völlig verschiedene Stimmen (also Geralt und Dietmar Wunder), es sei denn er hat sie verstellt oder etwas in der Art. Und ja, Geralt und Sheppard ist 100%ig der gleiche Sprecher. Im Moment zocke ich diese beiden Spiele parallel.
Edit: zum Vergleich
Mass Effect (VORSICHT SPOILER!!!) ab 2 Minuten 30
http://www.youtube.com/watch?v=oqS9BPyE ... re=related
The Witcher ab 4 Minuten 25
http://www.youtube.com/watch?v=kZ0ioDrss1o
piotrmike schrieb am
Bei MGS gibts er genügend Beispiele. Hättet Ihr doch (4players) mal nen zusammenschnitt gemacht :) Habe damals auch leider nur die DT. gezockt und war soooo froh als mgs2 in englisch mit untertitel rauskamm... Allein LIQUID :) glaube der ist genauso schlimm wie Mei-ling... Vor allem die Betonung war totaler Mist... kann mir sowas gar nicht vorstellen? hat sich das jemals irgend jemand angehört, gibt es da keine Tester oder was? Grauenhaft.....so ein Super spiel und so eine Synchro.... :/
SluggerGT schrieb am
Die deutsche Synchro von Gerad von Riva ist laut Hexer.wikia Dietmar Wunder. Bin mir aber nicht sicher, dass der auch Commander Shepard synchronisiert hat.
Auf jedenfall hat er aber den neuen Bond synchronisiert.
schrieb am