von Benjamin Schmädig,

Unravel: "Zwei Prozent negative Kommentare" - Creative Director Martin Sahlin blickt zurück

Unravel (Plattformer) von Electronic Arts
Unravel (Plattformer) von Electronic Arts - Bildquelle: Electronic Arts
Das britische Branchenmagazin Develop hat sich mit dem Creative Director des frisch veröffentlichten Unravel, Martin Sahlin, unterhalten, der sowohl auf die Entstehung des Projekts als auch die Reaktionen nach dessen Ankündigung auf der letztjährigen E3 zurückblickt. Und Letztere seien überraschend positiv ausgefallen.

"Bei EA sind Leute angestellt, die im Grunde jede Unterhaltung beobachten. Sie schauen darauf, was die Leute im Internet sagen und erstellen daraus Werte, die sie analysieren können. Die rannten nach der [Pressekonferenz] herum und sagten: 'Wir haben zwei Prozent negative Bemerkungen! Das gibt's sonst gar nicht. Das ist surreal! Wie habt ihr das gemacht? Ihr habt dem Internet Nettigkeit beigebracht'", erinnert sich Sahlin.

Doch woher kam die Idee, ein Wollknäuel auf eine große Reise zu schicken? Sahlin wollte etwas erschaffen, das die Spieler emotional anspricht und mit dem er etwas zu sagen hat. Die Spiele, die er gemeinsam mit seinen Freunden bei Coldwood (Ski Racing, The Fight u.a.) in der Vergangenheit entwickelte, hätten vor allem dazu gedient, das Studio am Laufen zu halten. Doch nachdem The Fight etwa 600.000 Käufer gefunden habe, erkannte Sahlin, dass er damit zwar für viele Stunden die Aufmerksamkeit zahlreicher Spieler, ihnen aber nichts zu sagen hatte. Sahlin: "Da wurde mir klar, dass... weißt du was? Es reicht einfach nicht, zur Arbeit zu gehen und Spaß zu haben. Ich wollte etwas erschaffen, das in irgendeiner Form Tiefe und einen Sinn enthält."

Aus dem Wunsch erwuchs schließlich Unravel, das allerdings nicht nur dem Creative Director etwas bedeuten solle, sondern auch anderen: "Je länger ich daran arbeitete, desto mehr wurde mir klar, dass auch andere Menschen einen Sinn daraus ziehen könnten. [...] Man beginnt bei sich selbst und versucht irgendwann, so viele Leute wie möglich einzubeziehen. Man will, dass es etwas Persönliches ist, aber unterm Strich will man auch, dass es eine persönliche Erfahrung für alle anderen ist, die es spielen."

Das Persönliche stecke übrigens in der Umgebung des Spiels, die vom Norden Schwedens, Sahlins Heimat, inspiriert ist. Die Verbindung zu Anderen stecke hingegen in Yarny selbst, denn das Garn, aus dem die Hauptfigur besteht, stehe stellvertretend für die Beziehungen der Menschen untereinander.

Und was wurde aus der Begeisterung nach der Vorstellung seines Spiels auf der E3? Mit den Kritiken (4Players-Test: 80%) ist der Entwickler offenbar zufrieden. Einige würden zwar Schwachstellen hervorheben, aber "eine beendete Sache wird immer Fehler haben". Schwierig sei vor allem der Umgang mit der Erwartungshaltung: "Dieses Ding, das nur in deinem Kopf, deiner Vorstellung existiert, dieses perfekte, wunderschöne, unantastbare Ding, das ist etwas ganz anderes. Und deshalb steht man immer unter dem Druck, diese völlig unrealistische Erwartung zu erfüllen." Letztlich scheint Sahlin allerdings zufrieden: "Ich denke aber, wir haben ziemlich gute Arbeit geleistet. Ich bin stolz auf das, was wir erschaffen haben."

Sahlin geht schließlich noch auf die Zusammenarbeit mit EA ein und erläutert die Gründe, aus denen Coldwood das Spiel nicht komplett in Eigenregie entwickelt hat. Zum einen geht er davon aus, dass er seine Idee mithilfe von z.B. Kickstarter-Geldern nicht so umfassend hätte verwirklichen können, und zum anderen wäre es seiner Einschätzung nach schwierig geworden, Unravel in seiner endgültigen Form ohne die strukturelle Hilfe z.B. der etablierten Qualitätssicherung eines großen Unternehmens zu veröffentlichen.

"Es gibt etablierte Kanäle für alles, so dass wir uns auf das Künstlerische konzentrieren können und EA sozusagen all die langweiligen Sachen erledigen lassen. Mir geht es nicht um die Finanzierung. Es geht um Infrastruktur und Unterstützung und darum, dass wir dadurch ein besseres Spiel bekommen."

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Kommentare

Kajetan schrieb am
Dave Gaming hat geschrieben:Es geht mir darum, dass es - abgesehen von Ausnahmefällen - als gesetzt gilt, dass ein Unternehmen immer eine profitmaximierende Haltung hat und ich es nicht als notwendig empfinde, dies nochmals betonen und kritisieren zu müssen.
DAS wird ja auch nicht kritisiert. Doch wenn die Profitmaximierung zum Schaden der Stakeholder stattfindet, dann kann man solche PR-Maßnahmen durchaus kritisieren, weil sie nur vom Umstand ablenken sollen, dass sich an dieser Geschäftspolitik nichts grundlegend geändert hat. EA wird weiterhin ohne zu Zögern Teams und Entwickler und Serien absägen, wenn diese nicht den nötigen Umsatz bringen ... nachdem man die Serie mit fragwürdigen Design-Entscheidungen immer unattraktiver gemacht hat. Dead Space und sein Entwickler sind das aktuellste Opfer dieser seit Jahren weiterhin praktizierten Geschäftspraxis.
Allerdings sehe ich nun positive potenzielle Folgen, nämlich dass einige Publisher auf den Geschmack kommen, auch kleineren Titeln eine große Bühne zu geben und da hat EA durchaus ein wenig vorgelegt.
Klar, keine Frage. Aber man sollte sich immer bewusst machen, dass es den Majors nicht darum geht coole Spiele zu veröffentlichen, sondern einzig und alleine darum sich als innovative, positive Firma zu präsentieren. Während man im Kerngeschäft weiterhin versucht ohne Rücksicht auf Verluste das Maximum herauszuholen.
Ryo Hazuki schrieb am
DARK-THREAT hat geschrieben:
heretikeen hat geschrieben: Den meisten anderen Gamern stößt das Geschäftsgebarden von EA [...] nach wie vor sauer auf.
Sieht man ja an den Verkaufszahlen von FIFA, Need for Speed, Battlefield und co. :wink:
Den meisten Gamern wird das egal sein, denke ich da eher.
Ich hab sogar einen EA access account. Man kann entweder immer über die "großen" im Business meckern oder eben selbst ein Stück vom Kuchen mitessen. Ist wie an der Börse. Jammern hilf nicht. Mitmachen schon.
Dave Gaming schrieb am
Kajetan hat geschrieben:
Dave Gaming hat geschrieben: EA zu kritisieren, sie würden mit diesem Spiel nur sympathisch wirken wollen, um dem allgemeinen Publikum besser zu gefallen, ist zwar treffend, aber unsinnig.
Wenn man dies als hohle PR-Maßnahme kritisieren würde, weil EA ja grundsätzlich nichts an seiner Geschäftspolitik ändert ... warum wäre dies unsinnig? Es wird ja weder das Spiel, noch der Entwickler kritisiert. Wenn, dann wird nur die Hohlheit der PR-Maßnahme kritisiert, gerade WEIL es nur eine PR-Maßnahme ohne weitere Folgen für den Restkonzern ist.
Als schlauer Gamer kann man nämlich das Spiel genießen, OHNE der PR-Maßnahme von EA auf den Leim zu gehen und plötzlich zu meinen, dass EA ja voll die coolen Oberchecker sind. Es sind weiterhin Arschlöcher, was aber nichts am Spiel ändert und dem Genuß, den man damit haben kann.
Es geht mir darum, dass es - abgesehen von Ausnahmefällen - als gesetzt gilt, dass ein Unternehmen immer eine profitmaximierende Haltung hat und ich es nicht als notwendig empfinde, dies nochmals betonen und kritisieren zu müssen. Dass es sich bei Unravel primär darum dreht, das Ansehen des eigenen Unternehmens zu steigern (und vielleicht eine neue Marke aufbauen zu können), ist insofern natürlich.
Allerdings sehe ich nun positive potenzielle Folgen, nämlich dass einige Publisher auf den Geschmack kommen, auch kleineren Titeln eine große Bühne zu geben und da hat EA durchaus ein wenig vorgelegt.
Nichtsnutz schrieb am
heretikeen hat geschrieben:
Nichtsnutz hat geschrieben:"Ich versteh diesen ständigen Hass nicht."
Ich wage zu sagen, dass es da nichts zu verstehen gibt. Anderes zu kritisieren ist eine beliebte Beschäftigung. Du findest quasi keine Thematik, welche noch nicht kritisiert wurde. Wenn Du willst, dann betrachte es als Beschäftigungstherapie. Ich beobachte das ständige Vergleichen, in Schubladen einordnen und Schuld von sich schieben bei mir selbst und meiner Umgebung. Das ist normal in unserer Gesellschaftsart.
Wenn man sich daraus lösen will, dann sollte man sich über sein eigenes Verhalten Gedanken machen.. da gibt es ausnahmslos bei jedem ohne Ende Verbesserungspotential.. Anderer Fehler zu sehen und zu verurteilen ist leicht. Aber so leicht sich das schreibt.. so schwer ist es zu realisieren.
Schön, dass ihr beiden euch da so einig seid.
Den meisten anderen Gamern stößt das Geschäftsgebarden von EA inklusive ewigem Wiederkäuen erfolgreicher Serien, gnadenloser Beschäftigungsbedingungen (inkl. Aufkaufen und Ausschlachten kleiner Studios) und vor allem extremer Verlagerung auf Mikrotransaktionen (inkl. Day-One-DLCs) nach wie vor sauer auf. Und ja, diese Fehler sehen und verurteilen wir frei raus, weil sich die gesamte Branche am Primus richtet, sprich: Wenn der damit durchkommt, dürfen wir das auch.
Worüber sind wir uns einig?
Ich versteh nicht, wie Du geschlossfolgert hast, dass mir das von Dir genannte nicht sauer aufstößt.
Todesglubsch schrieb am
DARK-THREAT hat geschrieben: Ich versteh diesen ständigen Hass nicht. Ich kaufe meine Spiele nicht danach, welche Publisher sie haben. EA, Ubi, Codemasters, Acclaim... ist doch völlig egal.
Welcher Hass? Welche Kritik?
Ich werfe es keinem Publisher vor, sowas zu betreiben. Im Gegenteil, immerhin profitieren wir davon.
Ich versuch halt nur zu relativieren, wenn jemand postet, wie toll das doch geworden ist, weil EA sich nicht eingemischt hätte und so. Oder anders ausgedrückt: EAs Einmischung bestand in diesem Fall darin, sich nicht einzumischen. Das ist alles geplant.
Und wieso es hier einigen sauer aufstößt, wenn man etwas kritisiert, bzw gleichzeitig behauptet, man könnte keine Freude empfinden ist albern. An meinen Lieblingsspielen kann ich z.B. am meisten kritisieren. Dennoch machen sie mir Spaß. Ich vermeide es aber schlicht eine rosarote Brille aufzusetzen und die Kritikpunkte auszublenden. Wer so unsicher ist, dass ihm etwas Kritik die Freude am eigenen Spiel verdirbt, sollte die Ursache erstmal bei sich selbst suchen - und nicht andere kritisieren.
Sieht man ja an den Verkaufszahlen von FIFA, Need for Speed, Battlefield und co. :wink:
Den meisten Gamern wird das egal sein, denke ich da eher.
Die meisten Gamer labern bloß und machen nichts. Finden EA mies und kaufen sich dennoch die Titel.
Deswegen bekam EA (imo ungerechtfertigt) auch den Preis für die schlechteste US-Firma. Zum Klicken und Abstimmen reicht die Gamer-Motivation noch.
schrieb am