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Spielkultur | Special | 4Sceners

09.06.09, 00:01 Uhr, Bobic


Wissenschaft & Szene: Die Rolle der Schrift in Demos

Wissenschaftliche Studien über die Demoszene sind bislang nicht bekannt. Anja Hartmann, Doktorandin an der Ludwig-Maximilians-Universität München, hat nun einen ersten Schritt getan. In ihrer Arbeit "Type-Demos: Die Rolle der Schrift in der Demoscene" beleuchtet sie die Effektkunstwerke unter einem völlig anderen Licht und geht dem Font als Stil- und Aussagemittel in einer Demo auf den Grund. 4Sceners.de bat die sympathische junge Frau zum Interview.

28 Seiten umfasst die wissenschaftliche Arbeit von Anja Hartmann (Bild) zum Thema "Schrift in der Demoszene". Neben einem kurzen Abriss über die Entstehungsgeschichte der Demoszene und deren Tätigkeitsfeld, liegt der Schwerpunkt in der Analyse der verwendeten Schrift als Stilmittel in den Demos Heaven Seven, Die Ewigkeit schmerzt, Rastro, Human Sources und Angelic. Die wissenschaftliche Herangehensweise durch Hartmann ergibt völlig neue Einblicke in diese Demos. Die Arbeit steht als PDF-Datei zum Download bereit.
Anja, wie bist du auf die Demoszene aufmerksam geworden und wie auf die Idee gekommen, die in Demos verwendete Schrift wissenschaftlich zu analysieren?

Ich habe im Wintersemester 2008/09 ein Seminar zum Thema "Schriftfilme" besucht, das sich im weitesten Sinn mit Schrift in audiovisuellen Kunstformen auseinander setzte. Im Zuge dieser Veranstaltung bin ich - ehrlich gesagt durch Zufall - auf das Demo "Die Ewigkeit schmerzt" von Paniq gestoßen und habe beschlossen, es im Seminar vorzustellen. Aus dieser Idee heraus ist schließlich die Arbeit entstanden.

Was fasziniert dich an Demos?

In erster Linie fasziniert mich die Kombination unterschiedlicher Medien sowie die Synthese aus Kunst und Technik, die hinter den Demos steht: ich glaube, dass Demos sowohl "auf den ersten Blick" als auch bei genauerer Untersuchung und Interpretation eine sehr starke Wirkung entfalten, die sich aus ganz vielen unterschiedlichen Bausteinen zusammensetzt. Ich finde es darüber hinaus unglaublich, dass eine derartige Medien- und Kunstform, hinter der eine ganze Szene zu entdecken ist, noch so wenig Öffentlichkeit erfährt. Es hat mich gereizt, eine so spannende Kunstform einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

In der Einleitung deiner Arbeit beklagst du die fehlende Fachliteratur über die Kunstform Demoszene. Woran könnte es deiner Meinung nach liegen, dass bislang überwiegend nur im Internet über Demos zu lesen ist - abgesehen von den wenigen Büchern, die jedoch allesamt von Mitgliedern der Szene verfasst wurden.

Ich schätze, dass das Internet insgesamt das am meisten benutzte Medium der Szenemitglieder ist: es ist schnell, unkompliziert und für jeden zugänglich. Wissenschaftliche Auseinandersetzungen hingegen finden immer noch primär in gedruckten Texten statt. Das insgesamt (meiner Meinung nach unberechtigte) Desinteresse der Wissenschaft würde ich schlicht auf mangelnde Informationen über die Existenz dieser Kunstform und der Szene zurückführen: es fehlt eine Schnittmenge zwischen der Demoszene und der Öffentlichkeit, oder, in dem Fall, der Wissenschaft.

Wie könnte man deiner Meinung nach die längst fällige Auseinandersetzung der Forschung mit dem Medium des Demos anstoßen?

Diese Auseinandersetzung kann vermutlich nur durch eine breitere öffentliche Thematisierung der Kunstform des Demos und der Szene angestoßen werden. Ich hoffe, dass vielleicht auch meine Arbeit im Zuge des Seminars zumindest einen ersten Schritt in diese Richtung darstellt und die Thematik einem wissenschaftlichen Publikum näher bringt. 

Hast du schon einmal daran gedacht, deine Analyse in Form eines Seminars auf einer Demo-Party vorzutragen? Beispielsweise auf der Breakpoint, welche eine hervorragende Plattform für solche Vorträge darstellt?

Daran habe ich noch nicht gedacht - aus dem einfachen Grund, dass ich gar nicht wusste, dass derartige Vorträge bei den Demo-Partys gehalten werden.

"Type-Demos: Die Rolle der Schrift in der Demoscene" heißt deine Arbeit, die den ersten Schritt einer wissenschaftlichen Untersuchung darstellen soll. Inwieweit erhoffst du dir davon eine größere Beachtung für diese, ich zitiere, "von der Wissenschaft bis dato weitgehend unbeachtete Kunstform?"

Die Arbeit soll, wie du sagst, den ersten Schritt einer wissenschaftlichen Untersuchung darstellen. Sie soll die Leser zum einen über die Form und Hintergründe des Demos an sich informieren und ihnen zum anderen demonstrieren, dass eine wissenschaftliche Auseinandersetzung der Thematik durchaus Thesen und Erkenntnisse bringt, die eventuell mit anderen relevanten Themen, Theorien oder Inhalten in Verbindung stehen und so neue Erkenntnisse eröffnen. Insgesamt wollte ich schlicht zeigen, dass eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema spannend und sinnvoll ist. 

Auszug aus der Analyse zu Die Ewigkeit schmerzt: "Es folgt eine Sequenz aus Sätzen, welche die Motivik der Gegenwart, Vergänglichkeit und Ewigkeit aufgreift und in einer sich selbst aufbauenden Konturenschrift gehalten ist..."
Aus welchem Grund hast du dich ausgerechnet auf die Schrift in Demos konzentriert, die zumeist eine eher nebensächliche Rolle spielt - ganz im Gegensatz zu Grafik, Effekten und Musik?

In erster Linie habe ich mich aus einem praktischen Grund auf die Schrift konzentriert: sie spielt im Zuge des von mir besuchten Seminars eine tragende Rolle. Darüber hinaus bin ich Literaturwissenschaftlerin und so natürlich grundsätzlich dem Medium der Schrift verbunden. Nicht zuletzt hat mich die Schrift in Demos aber auch interessiert, gerade weil sie eine auf den ersten Blick nebensächliche Rolle spielt und bei genauerer Betrachtung erstaunlich viele Aussagen, Interpretationsmöglichkeiten und Bedeutungsebenen eröffnet.

Fünf Werke der Szene werden in deiner Arbeit ausführlich analysiert. Was waren die Gründe, dass du Die Ewigkeit schmerzt, Heaven Seven, Angelic, Rastro und Human Sources ausgewählt hast?

Zum einen habe ich Werke gesucht, die der Schrift im Demo in irgendeiner Weise eine tragende Rolle zuordnen. Die genauere Auswahl kam jedoch auch ganz einfach zustande, weil ich versucht habe, Demos zu finden, die mir persönlich auf den ersten Blick einen Zugang ermöglichen und die mir ganz subjektiv in irgendeiner Art und Weise "zusagen".

Die Ewigkeit schmerzt von Neuro ist die am ausführlichsten analysierte Demo in deiner Arbeit. Warst du mit Paniq, dem Autor und kreativen Kopf hinter dieser Demo, in Kontakt um seine Gedanken, Gefühle und Ideen, die in dieses Werk geflossen sind, besser verstehen zu können?

Ich habe Paniq angeschrieben und ihm mehrere Fragen zu dem Demo gestellt. Er hat mir mit viel Geduld und Ausführlichkeit geantwortet und war mir eine große Hilfe bei dem Versuch, Zugang zur Szene im Allgemeinen und zu seinem Werk im Besonderen zu finden.

Sind von dir oder deinen Kollegen weitere Projekte oder Arbeiten über die Demoszene geplant?

Konkrete Pläne liegen nicht vor; mich persönlich hat das Thema allerdings so begeistert, dass ich mir durchaus vorstellen könnte, mich näher damit zu befassen.

"Die Schrift als Form der Ironisierung wird im Demo Human Sources der Gruppe Farbrausch zur primären Funktion der Typographie", schreibt Anja Hartmann in ihrer Studio über "Die Schrift in der Demoszene".
Wie hat die LMU München auf die Idee, die Schrift in Demos zu analysieren, reagiert? War ihnen die Demoszene bereits bekannt?

Die Demoszene war, soweit ich es feststellen konnte, für die meisten meiner Kommilitonen und auch Professoren absolutes Neuland. Ich habe noch kein Feedback zu meiner Arbeit erhalten; mein diesbezüglicher Vortrag ist allerdings auf großes Interesse gestoßen.

Haben Mitglieder der Demoszene deinen Bericht gelesen? Wie war deren Feedback? Oder wie, denkst du, werden sie auf eine solch ungewöhnliche Herangehensweise an ihre Werke reagieren?

Ich habe bis jetzt nur positive Reaktionen auf meine Beschäftigung mit der Demoszene erhalten und mich sehr darüber gefreut. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass mir von allen Seiten derart viel Interesse, Verständnis und Hilfsbereitschaft entgegengebracht würde.

Anja, wir bedanken uns für das interessante Gespräch und wünschen dir und der Wissenschaft weiterhin alles Gute.

 
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