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Spielkultur | Special | 4Sceners

04.09.11, 00:47 Uhr, Bobic

Daniel Botz, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kunstpädagogik der Ludwig-Maximilians-Universität München, hat ein Buch über die Demoszene geschrieben. Im Gegensatz zu bereits bekannter Szenelektüre wie "Freax" oder "Demoscene: The Art of Real-Time" betrachtet und verfolgt er in seinem Werk "Kunst, Code und Maschine" den Werdegang und die Produktionen der Demoszene aus [kunst]wissenschaftlicher Sicht und lässt nahezu keinen Aspekt aus. Wir sprachen mit dem Autor und frischgebackenen, zweifachen Familienvater über sein Mammutwerk.

Kunst, Code und Maschine von Daniel Botz ist das erste deutschsprachige Buch zum Thema Demoszene und betrachtet diese Computerbewegung und ihre Werke vor allem aus [kunst]wissenschaftlicher Sicht. Der Autor beschreibt auf 428 Seiten ausführlich sowohl den Werdegang der Demoszene, ihre Motivation und ihre Regeln, als auch deren Werke und die verschiedenen Stilrichtungen. Botz hat nahezu keinen Aspekt ausgelassen, berichtet über die Technik in Demos genauso, wie über Demo-Partys, die wichtigsten Produktionen und allem anderen, was dazugehört.

Das Buch ist aufgrund der wissenschaftlichen Herangehensweise nicht immer leicht zu lesen, man merkt jedoch von der ersten Zeile an wieviel Liebe, Herzblut, Fachwissen und ausführliche Recherche in diesen Band geflossen sind. Ohne Zweifel handelt es sich bei Kunst, Code und Maschine um das bislang komplexeste Nachschlagewerk zur Demoszene. Selbst alte Hasen dürften bei der Lektüre noch die ein oder andere Überraschung aufgrund der ungewöhnlichen Herangehensweise ans Thema erleben.

Kunst, Code und Maschine (ISBN 978-3-8376-1749-8 ) ist im Transcript Verlag erschienen und kostet 34,80 Euro. Wer kostenlos an ein Exemplar kommen möchte, sollte einen Blick auf unsere Verlosung werfen.

Hallo Daniel. Vielen Dank, dass du Zeit für dieses Gespräch gefunden hast und erst einmal herzlichen Glückwunsch zum Nachwuchs! Wie ist die aktuelle Gemütslage eines frischgebackenen, zweifachen Familienvaters?

Einerseits durchaus gelassen, denn man weiß schon, was einen erwartet, andererseits auch voller Vorfreude, denn diese intensive Zeit der ersten Lebensmonate ist ja etwas absolut Einzigartiges.

Jeder, der kleine Kinder hat, weiß, wie schön, aber auch fordernd die ersten Lebenswochen mit so einem kleinen Wurm sind. Findest du überhaupt genug Zeit für die Arbeit, sowie die Promotion deines Buches "Kunst, Code und Maschine - Die Ästhetik der Computer-Demoszene"?

Nun, es gibt ja inzwischen auch einige aktive Väter und evtl. auch Mütter in der Demoszene, die gut mit dieser Situation klarkommen und offenbar sehr selbstdiszipliniert an ihren Produktionen arbeiten, wenn der Rest der Familie im Bett ist. So halte ich es jetzt auch. Im Moment herrscht natürlich noch der permanente Jetlag der ersten Babywochen, da kann man nicht gerade auf Vortragsreise gehen, aber zwischendurch findet man immer mal wieder kurz Zeit zum Schreiben.

Wie ist die Idee entstanden, ein solch komplexes Schriftstück zu schreiben und warum hast du dir ausgerechnet die Demoszene als Thema ausgesucht?

Als Kunstpädagoge mit einem Schwerpunkt auf digitalen Medien beschäftige ich mich naturgemäß gerne mit dem, was so genannte "Amateure", Kinder, Jugendliche und Erwachsene, gestalterisch mit dem Computer anstellen. Und da hat es mich schon immer sehr gewundert, warum die Demoszene in der Forschung nie eine Rolle gespielt hat. Nicht mal heute, wo jede noch so esoterische Online-Community ausführlich untersucht wird. Die Demoszene entfaltet schon seit einem Vierteljahrhundert eine erstaunliche Produktivität, ein eigenes Netzwerk und einen eigenen ästhetischen Diskurs. Das macht sie so interessant.

Lektüren über die Demoszene gibt es bereits in Buchform, wenn auch nicht in deutscher Sprache. Am bekanntesten dürfte Tomcats "Freax Volume 1 - The Brief History Of The Computer Demoscene" sein, aber auch "Demoscene: The Art Of Real-Time" ist auf reges Interesse gestoßen. Was unterscheidet dein Buch von den vorher genannten?

Beide Bücher waren für meine Arbeit natürlich sehr wichtig. Lassi Tasajärvi hat mit seinen Ausführungen über den Echtzeit-Aspekt von Demos eine wichtige Grundlage geliefert. Sowohl er als auch Tomcat schreiben jedoch aus einer anderen Perspektive. "Freax" vertritt die Geschichtsschreibung aus der Mitte der Demoszene und legt dabei vor allem Wert auf Vollständigkeit. "Kunst, Code und Maschine" zieht Abschnitte der Szene-Historie eher exemplarisch heran und riskiert dabei auch, sehr prominente Vertreter und Phänomene gar nicht zu erwähnen, dafür verfolgt es stilistische Entwicklungen in größeren Sinn- und Zeitzusammenhängen. Außerdem beschreitet "Kunst, Code und Maschine" inhaltlich einen anderen Weg. Tomcat geht es, wie der Titel "Freax" schon sagt, um den Demoszene-Aktivisten als Ausnahmetalente und Extremsportler der digitalen Künste. Sein Buch lebt davon, die außergewöhnlichen Leistungen der "Besten" zu würdigen. Mir ging es eher darum, zu zeigen, dass hinter der Motivation Demos zu programmieren und der Freude daran, Demos anzuschauen, ein ganz allgemeines Bedürfnis steht, das jeder nachvollziehen kann.

Um welches Bedürfnis handelt es sich da?

Um das Bedürfnis nach der Materialität von Technik. Wir alle wollen wissen, was in den Kisten steckt, mit denen wir uns täglich umgeben, wollen ein Gefühl für die Leistungsfähigkeit, für die Grenzen und Möglichkeiten, für Eigenarten und Macken einer bestimmten Hardware bekommen. Das lässt sich nirgendwo plastischer, lebendiger und unmittelbarer erfahrbar machen als durch eine Computerdemo. Ein computergenerierter Spielfilm dagegen gibt selten einen Aufschluss darüber, mit welchen Spezial-Workstations oder Renderfarmen er realisiert wurde. Das ist nichts anderes als große Illusionsmalerei. Das liefert für den Betrachter keine haptische, materielle Erfahrung.

Wie kann eine Computerdemo diese Erfahrung vermitteln?

Ein Demoszene-Künstler ist wie ein moderner Bildhauer, der das Material, aus dem sein Bildwerk besteht, nicht verschleiert, durch Zusätze verfremdet oder zugunsten des Produktes verschweigt, sondern zur wesentlichen Gestaltungsgrundlage erklärt. Wie sich ein Bildhauer mit dem spezifischen Werkstoff Marmor auseinandersetzt und bei dieser Auseinandersetzung Gestaltungslösungen entwickelt, setzt sich ein Demoszene-Programmierer mit einer bestimmten Computerhardware, einer definierten Betriebsplattform oder einer selbst gewählten Speicherplatzbeschränkung auseinander. Dieses künstlerische Spiel beeinflusst das Ergebnis mehr als freie Ideen für Form und Inhalt. Der Demoszene-Künstler benutzt den Computer nicht als virtuelles Werkzeug, sondern als Material, indem er das Produkt aus den Speicherstellen "herausmeißelt". Das macht Computerdemos zu einer einzigartigen Gestaltungsform innerhalb der digitalen Medienkünste.

Wird es auch eine englischsprachige Version des Buchs geben, um die vielen Demoszener und Fans außerhalb Deutschland zu erreichen?

Das wäre ein wünschenswertes und interessantes Projekt, von dem ich momentan nicht sagen kann, ob und von wem es zu leisten wäre. Es wird vermutlich nicht einfach werden, da es zur Vorgehensweise des Textes gehört, den englischen Szene-Slang mit typisch deutschen kunstwissenschaftlicher Analysebegriffen zu konfrontieren. Die deutsche Sprache gehört also gewissermaßen auch ein Stück weit zur Methode des Buchs. Damit internationale Leser sich zumindest über die Inhalte des Buchs informieren können, gibt es auf meiner Webseite ein kommentiertes Inhaltsverzeichnis in Englisch.

Du beleuchtest die Demoszene in deinem Werk ausführlich aus [kunst]wissenschaftlicher Sicht, lässt von ihren Anfängen bis hin zur heutigen Zeit und den unterschiedlichen Stilformen so gut wie Nichts aus. Ein eher ungewöhnlicher Ansatz. Was waren die Gründe, die Demoszene und ihre Produktionen aus dieser ungewöhnlichen Sichtweise zu präsentieren?

Die meisten Darstellungen der Demo-Kultur entstammen der szeneeigenen Geschichtsschreibung. Diskmags, Scrolltexte und Internet-Foren dokumentieren ja schon lange, was in der Szene passiert, haben eine eigenes Vokabular und eigene Diskursformen entwickelt. Es war meine Absicht, meine Außenseiterrolle da als Vorteil auszuspielen und die Phänomene einmal aus der Ferne zu betrachten, Zusammenhänge herzustellen und Wirkungen zu beschreiben, die in der Szene-Historie eine eher untergeordnete Rolle spielen. Auf diese Weise wird z.B. deutlich, welcher Austausch zwischen den einzelnen Demo-Plattformen besteht und welche individuellen Gestaltungserfindungen sich über die Zeit fortentwickelt haben.

Daniel Botz, Autor des Buchs Kunst, Code und Maschine ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kunstpädagogik der Ludwig-Maximilians-Universität München beschäftigt. Dort unterrichtet er in den Bereichen Me­dien­gestaltung und Medien­ästhetik. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen audio­visuelle Medien und das digitale Bewegtbild. Das Buch "Kunst, Code und Maschine" beruht auf seiner Dissertation, mit der er 2008 an der LMU promoviert hat.

Welche Zielgruppen möchtest du mit diesem Buch erreichen?

Alle, die an Kunst und Gestaltung mit digitalen Medien interessiert sind.

Du fokussierst dich vor allem auf die europäische Demoszene. Über kleinere Szenen wie die australische, die in den USA oder etwa Südamerika liest man nur wenig. Wieso?

Leider ist die Demoszene ja immer noch nicht so im öffentlichen Bewusstsein angekommen, dass man ihre Geschichte und ihr Selbstverständnis als allgemein bekannt voraussetzen kann. Ich wollte eine Einführung für Leser schreiben, die die Szene noch gar nicht kennen und habe daher eher Wert auf wichtige Stationen der Stilentwicklung als auf regionale Szenen gelegt. Und dann landet man sehr schnell bei den "traditionsreichen" Zentren Mitteleuropa und Skandinavien.

Was ist mit dem [ehemaligen] Ostblock, speziell Russland? Vor allem die Gruppe Quite hat sich in den letzten Jahren mit sensationellen Intros ins Rampenlicht gespielt.

Ja, oder man denke nur mal an die russische Spectrum-Szene. Die osteuropäischen Länder wären bestimmt ein eigenes Buch wert, aber das sollte jemand schreiben, der dort wirklich bewandert ist.

Wie lange dauerte die Fertigstellung des Buches?

Der Text wurde 2008 als Dissertationsschrift eingereicht. Das war sozusagen die "Party Version". Bis zur "Final Version" hat es lange gedauert, einerseits weil ich einen passenden Verlag finden musste und weil ich die lebhafte akademische Diskussion um Demos in den folgenden Jahren - z.B. Markku Reunanens Lizentiats-Arbeit, die Artikel von Ville-Matias Heikkilä und Anders Carlsson - nicht ganz unberücksichtigt lassen wollte, wenn ich auch nur wenig davon im fertigen Buch unterbringen konnte. Und natürlich war da noch die Geburt meiner beiden Kinder...

Welchen Bezug hast du selbst zur Demoszene? Was fasziniert dich an ihr?

Es gibt auch bei mir eine kleine Demoszene-Vergangenheit. Ich bekam 1985 meinen C-64 , mit 14 soundtrackerte ich Module auf dem Amiga 500 und dachte ernsthaft, dass mir die Polizei dafür mal die Bude auf den Kopf stellen würde. Anfang der 1990er Jahre verlor ich die Szene dann aus den Augen und habe erst viel später wieder über das Internet Zugang zu ihr gefunden. Ich habe natürlich nicht schlecht gestaunt, was sich in den Jahren alles getan hat und habe die Szene letztendlich ganz neu kennen lernen müssen.

Wie Anja Hartmann, die mit ihrer Seminararbeit "Type-Demos: Die Rolle der Schrift in der Demoszene" die Echtzeitkünste dieser Computerbewegung aus einem völlig neuen Blickwinkel betrachtet hat, hast auch du an der Ludwig-Maximilians-Universität in München promoviert. Ist diese Uni sozusagen das neue Mekka für Demoszener, beziehungsweise deren Anhänger?

Das bestimmt nicht, aber an der LMU München sind die Geisteswissenschaften momentan sehr interessiert an allen aktuellen digitalen Medienphänomenen. Und inzwischen wird an vielen Stellen die typisch deutsche Trennung zwischen künstlerischer Bildung einerseits und technischer Ausbildung andererseits überbrückt. Auch eine wichtige Entwicklung, die uns die Demoszene vormacht.

Aus welchem Grund scheint die Demoszene an der Münchner LMU so beliebt? Werden dort spezielle Kurse zur Thematik angeboten?

Am Institut für Kunstpädagogik, wo ich arbeite, bieten wir seit einigen Jahren den interdisziplinären Bachelor-Studiengang "Kunst und Multimedia" an, eine Kooperation zwischen Kunstpädagogik und Medieninformatik. Anders als bei den üblichen Ausbildungswegen für Mediengestaltung wird hier aber nicht eine kleine, anwendungsbezogene Schnittmenge beider Welten unterrichtet, sondern ein breites Spektrum aus Kunsttheorie, Kunstvermittlung, Gestaltungspraxis, Kulturmanagement, Medientechnik und Softwareentwicklung. Die AbsolventInnen lernen unter anderem künstlerische Konzepte zu entwickeln und diese auch selbständig mit Code und Lötkolben umzusetzen. Der Bezug zur Demoszene kommt da meist irgendwann von alleine. Ich habe selbst schon Seminar- und Bachelor-Arbeiten zum Thema Demos oder zu verwandten Bereichen angenommen.

In der heutigen Zeit, die von iPad und Co. dominiert sind, scheint das Medium Buch etwas in den Hintergrund zu rücken. Hast du schon einmal über die Möglichkeiten des digitalen Vertriebs nachgedacht? Farbige Bilder wären somit nicht dem Faktor Herstellungskosten untergeordnet.

Ich habe sehr lange mit der Absicht gerungen, die Arbeit online zu veröffentlichen. Ich hätte wohl mehr Leser damit erreichen können, gleichzeitig wäre es für mich und die Leser erheblich schneller und preiswerter gegangen. Der Grund, warum ich schließlich die Buchform gewählt habe ist der, dass ich über die Szene hinaus vor allem den Teil der eigenen Fachöffentlichkeit erreichen wollte, der im Allgemeinen eher Bücher als Webseiten benutzt und deshalb noch nichts von der Demoszene gehört hat. IPad hin oder her, der durchschnittliche Kunstwissenschaftler liest einfach nicht gerne 400 Seiten-Dokumente in digitaler Form.

Während deiner Recherche hast du mit Sicherheit viele Demos und Intros gesehen. Welche davon haben dich ganz besonders begeistert und warum?

Zunächst einmal finde ich es bemerkenswert, dass es Jahr um Jahr auch heute immer noch neue Produktionen gibt, die mich auf die eine oder andere Art fesseln. Ich selbst fand das Interesse an der Szene damals über die Red Sector Megademo von 1989, eine technisch anspruchsvolle, aber gleichzeitig sehr unterhaltsame Demo mit zahlreiche Anspielungen auf Populärkultur. Sanity's Arte machte mir dagegen klar, dass ich vermutlich nie wusste, zu was mein Amiga 500 fähig ist. Auf dem PC hat mich immer schon die grafische Abstraktion der späten 1990er Jahre begeistert. Eine Demo wie Blasphemy's Moral Hard Candy kann man heute noch wie damals anschauen. In den letzten zehn Jahren haben mich aber vor allem die 8-Bit-Plattformen verblüfft. Die Demos von Hollowman für den C-64, von Viznut für den VC-20 oder von Inward für den ZX Spectrum zeigen ja, dass es nicht nur möglich ist, innerhalb der Szene Produktionen nach ganz neuen Maßstäben zu stricken, sondern auch, atmosphärisch und inhaltlich sehr interessante Demos zu kreieren, deren Aussage von der rohen Materialität der alten Rechner entscheidend mitgeformt wird. Diese Demos stehen absolut für sich selbst, könnten aber auf keinem anderen Gerät verwirklicht worden sein. Sie zeigen daher auf besondere Weise, wie wirkungsvoll die Kunstform Computerdemo sein kann.

Daniel, wir bedanken uns für das interessante Gespräch und wünschen dir und deiner Familie weiterhin alles Gute.

 

 
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