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Spielkultur | Special | 4Sceners

13.09.15, 21:02 Uhr, Bobic

Die Demoszene: Eine Exkursion durch die Geschichte der audiovisuellen Akrobatik in Echtzeit

Sie sitzen bei DICE in Schweden, wo sie der Multiplayer-Hoffnung Battlefield 1 den nötigen Feinschliff geben; bei Rift-Enwickler Oculus, wo sie an neuen Virtual-Reality-Lösungen tüfteln; oder sie zeigen sich für die fantastischen Bühneneffekte verantwortlich, die bei Konzerten von Ed Sheeran oder Coldplay zu sehen sind. Die Rede ist von hochtalentierten Programmierern, Grafikern und Sounddesignern, die ihr Handwerk in der Demoszene gelernt haben. Wer oder was die Demoszene ist, welch kreativer Output aus ihr kommt und was dies mit der Welt der Computerspiele zu tun hat, wollen wir euch in diesem Artikel etwas näher bringen.

Mit mächtig breitgezogenen Mundwinkeln grinsten wir anno 2013 in das Display der PlayStation Vita hinein. Schuld an diesem Glücksgefühl war ein Spiel, dessen Welt gänzlich aus Papierschnipseln hergestellt ist: Tearaway, vom britischen Entwicklerstudio Media Molecule. Ein solch kreatives Abenteuer, das als erstes Spiel fast alle Möglichkeiten von Sonys Handheld ausnutzt, mit einem, für ein Videospiel einzigartigem Look, hatten wir noch nicht zu Gesicht bekommen. 


Die Kreativköpfe bei Media Molecule setzen in Tearaway auf eine bislang einzigartige Papieroptik.

Einer der kreativen Köpfe hinter Tearaway ist ein gewisser Alex Evans, einer der Gründer von Media Molecule. Dieser hat einst unter Peter Molyneux den Einstieg in die Games-Branche geschafft. Black & White, das Götterspiel mit den fantastisch animierten Knuddeltieren, war Alex' erstes Projekt in der Games-Branche. Dass er das Strategiegenre gleich mit seinem Erstlingswerk in gänzlich neue technische Dimensionen führen würde, verdankte er seiner  jahrelangen Tätigkeit in der Demoszene, wo er sich das nötige Know-how selbst aneignete. Unter dem Namen "Statix" programmierte Alex zahlreiche Demos, die in dieser Szene für Aufsehen sorgten. Doch was sind eigentlich "Demos"?

Digitale Wundertüte
Szenedemos stellt man sich am besten als eine Art digitalen Videoclip vor. Etwas, das sowohl optisch als auch audiovisuell beeindruckt. Denn Szenedemos sind digitale Kunst in Reinkultur, Werke aus dem Computer-Underground und ein Fest für die Sinne. Sie entführen in eine andere Welt, begeistern mit atemberaubenden Effekten und in Echtzeit berechneten 3D-Szenen, bieten grandiose Licht- und Farbspielereien und punkten mit abgefahrenem Design.

Produziert werden solche Demos oft von talentierten Nachwuchskräften, aber auch von professionellen Künstlern, die in ihrer Freizeit der Kreativität freien Lauf lassen. Programmierer können sich dort austoben, dürfen Effekte zeigen, die in Spielen niemals Verwendung finden würden. Immer wieder experimentieren sie mit neuen Routinen, verbinden diverse Effekte, treiben die Hardware an ihre Grenzen und erschaffen so ein beeindruckendes Effektfeuerwerk in Echtzeit. Denn das, was andere in vorgerenderten Filmchen präsentieren, möchte die Demoszene am liebsten in Echtzeit berechnet zeigen. 2D-Grafiker pixeln wunderschöne Bilder und detailreiche Texturen, während 3D-Studio- und Lightwave-Spezialisten abstrakte Objekte und aufwändige 3D-Szenen gestalten. Eine wichtige Rolle nehmen auch die Musiker ein. Nur wenn der Soundtrack thematisch zum Gezeigten passt und mit den Effekten harmoniert, entfalten Szenedemos ihr ganz besonderes Flair.

Heimisch fühlt sich die Demoszene dabei auf allen Plattformen. Für Windows-Systeme werden die meisten Produktionen entwickelt. Doch auch die Welt der Browser wird aufgrund ihrer Plattformunabhängigkeit immer mehr beliefert. Alte Computersysteme wie C64, Amiga, Atari, ZX Spectrum oder das Sega Mega Drive werden jedoch genauso gerne beliefert, wie exotische Gerätschaften vom Schlage eines Atari Lynx über Homebrew-Erfindungen bis hin zum Tamagotchi-Hack.


Ein hypnotisierendes Meisterwerk in nur 64 Kilobyte Größe: Fermi Paradox (YouTube) von der Gruppe Mercury.

Im siebten Himmel

Ein Musterbeispiel für perfektes Demo-Design ist Fermi Paradox. Das nur 64 Kilobyte kleine Wunderwerk zeigt eine mehr als fünfminütige Space-Odyssey mit fantastischen Lichteffekten und herrlichen Planeten-Panoramen, untermalt von einem atmosphärischen Soundtrack. Also alles in der Größe einer Textdatei! Diese so genannte 64k Intro entführt in eine unglaubliche Welt der Effektkunst in Echtzeit. Man muss dieses Werk selbst gesehen haben, um das perfekte Zusammenspiel der Farben, der Effekte und Musik zu begreifen. 

Doch sind diese 65.536 belegten Byte für viele Demoszener noch zu viel. Dass es noch kleiner geht, dabei aber keineswegs auf audiovisuellen Genuss verzichtet werden muss, beweisen so genannte 4k Intros (4.096 Byte klein) und gelegentlich auch 1k Intros, die 1.024 Byte an Speicherplatz belegen.

Die wohl bekannteste 4k Intro überhaupt hört auf den Namen Elevated und wurde vom spanischen Code-Genie Inigo "iq" Quilez programmiert. In Elevated verblasst selbst der Ausblick, den man vom Gipfel des Mount Everest hat. Warum das so ist? Weil man hier über eine verschneite Berglandschaft fliegt, deren Detailgrad selbst so manchem Spiel zur Ehre gereichen würde. Man saust durch Täler, über Hügel und Berge hinweg, wird von der Sonne geblendet und blickt gegen Ende hin auf malerische Seen. Ein atemberaubendes Erlebnis, weil die Texturen so knackig scharf sind, dass man sich fast daran schneiden könnte, und die Musik so treibend und packend ist.

Viele Firmen sind, auch aufgrund von Elevated, auf die Fähigkeiten von Herrn Quilez aufmerksam geworden. Mittlerweile zieren sein Portfolio unter anderem die beiden Pixar-Filme "Merida - Legende der Highlands" und "Arlo & Spot", für die er seine mathematischen Code-Fähigkeiten für die Darstellung der beeindruckenden Landschaften  nutzte. Sein aktuell letztes Projekt war ein VR-Zeichenprogramm für die Rift-Brille von Oculus.

Wie so viel Effektwahnsinn in solche kleinen Dateigrößen untergebracht werden kann, ist der Technik der prozeduralen Grafikgenerierung geschuldet. In Spielen wurde dies beispielsweise in Will Wrights Spore eingesetzt und ist aktuell dank No Man's Sky wieder in aller Munde. In der Demoszene ist dies bereits seit knapp zwei Jahrzehnten eine beliebte Möglichkeit um "Platz zu sparen". Speziell die im Jahr 2000 erschienene 64k Intro fr-08: The Product von der Gruppe Farbrausch hat das Tor in diesen Technikhimmel weit aufgestoßen.

Für fr-08: The Product entwickelten Dierk "Chaos" Ohlerich und Thomas "Fiver2" Mahlke ein System, bei dem sie Texturen mithilfe bestimmter Befehle erzeugen konnten. Dank spezieller Packroutinen und trickreicher Effekterzeugung schafften sie es, rund 1.2GB an Daten in nur 64 Kilobyte unterzubringen. Mit ihrem System führten sie die 64k Intros in gänzlich neue Dimensionen. In den Folgejahren kopierten auch andere Gruppen erfolgreich diese Technik. Allen voran die ungarische Gruppe Conspiracy, die mit Project Genesis und The Prophecy sogar Farbrausch auf die Plätze verwies und auch heute noch beeindruckendes abliefert - zuletzt das filmisch inszenierte Darkness Lay Your Eyes Upon Me.


Die Gruppe Cocoon bietet mit Shapeshift (YouTube) heftiges Futter für die Grafikkarte.

Fette Datenpakete
64k Intros (und kleiner) sind jedoch nur eine Art der Demoszene, ihre technischen Fähigkeiten zu demonstrieren. Natürlich sind es die "echten" Demos, bei denen sich die Macher austoben dürfen und an keinerlei Beschränkungen gebunden sind. Von wenigen bis ein paar Dutzend Megabyte sind diese ausgewachsenen Demos groß, enthalten detailliert modellierte Objekte, hochauflösende Grafiken und natürlich MP3-Musik.

Dem Stil sind dabei keine Grenzen gesetzt. Es gibt 3D-Schwergewichte wie das brandneue Shapeshift oder LifeForce, das längst Geschichte geschrieben hat. Partikelwunderwerke wie Agenda Circling Forth von der Gruppe Fairlight, das den Machern Smash und Destop den Weg zu Coldplay und Ed Sheeran ebnete. Heutzutage verdienen sie ihr Geld damit, ihr Partikelfeuerwerk (und viele andere Effekte) auf den Bühnen dieser, und anderer Welt-Acts abzufeuern.

Ebenso gibt es reichlich modern wirkende Werke wie Hold-and-Modify oder Coronoid, oder minimalistisch anmutende Effektshows wie die mehrfach ausgezeichneten Intrinsic Gravity und Numb Res, die ihren ganz eigenen Charme erzeugen. Nichtsdestotrotz werden immer wieder typische Szenedemos veröffentlicht, die mit Design und perfekt angepasster Musik begeistern. Megalactic, Spacecut oder das unglaublich gute Square von der Berliner Echtzeitkunstvereinigung STILL müssen hier genannt werden.

Kommerzielle Demos
Die außerhalb der Szene wohl bekanntesten Demos stammen von der FutureMark Corporation. Mit ihren Benchmark-Programmen der 3DMark-Reihe liefern sie schon seit Jahren echtes Demo-Futter in die heimischen Computerzimmer. Schon die erste, 1998 veröffentlichte, Version enthielt einen separaten Demo-Modus, der die 3D-Szenen mit spektakulären 2D-Effekten mischte und packende Musikuntermalung bot. Eine echte Enttäuschung für Szene-Freaks war hingegen die Fassung von 2003, die nur Spielszenen enthielt und jegliche Szeneatmosphäre vermissen ließ.

Auch in der Konsolenwelt existieren kommerzielle Demos, allerdings in einem etwas anderen Format. Sony ist es zu verdanken, dass Gruppen wie Farbrausch und allen voran Plastic kunst- und fantasievoll gestaltete Spielerfahrung bieten dürfen. Experimente wie Linger in Shadows, .deTuned oder Datura haben bereits auf der Playstation 3 mit ihrer stilvollen Aufmachung und ungewöhnlichen Herangehensweise für Aufsehen gesorgt. Aktuell arbeiten Plastic, die auch schon den Dubstep-Killer-Benchmark Catzilla auf die Beine gestellt haben, an Bound für die PS4. Das Spiel rund um eine Ballettänzerin wurde zu einem der Hoffnungsträger auf der diesjährigen E3 gekürt und veranlasst die Weltpresse zu Jubelstürmen.


Eines der heißesten Spiele der diesjährigen E3 war Bound für die PS4. Entwickelt wird das
Spiel rund um eine Ballettänzerin von der Demogruppe Plastic.

Neben diesen Computergenerierten Videoclips bringt die Szene immer wieder andere Releases ans Tageslicht. Music Disks etwa, die eine Art multimedialer Musik-Player sind und in der Regel nur wenige Effekte bieten. Hier darf ein Musiker seine ganze Angebotspalette dem Zuhörer in den Gehörgang brennen. So genannte Slideshows rücken dagegen die Pixel- und Render-Künste eines Grafikers in den Mittelpunkt. Reichlich Lesestoff bieten Diskmags wie Zine oder Hugi. Die im Normalfall in englischer Sprache verfassten Magazine sind die digitale Post der Demoszene. Neben Neuigkeiten bieten sie interessante und gut recherchierte Artikel, Interviews mit Gruppenmitgliedern oder gar Tutorials zu Grafikgestaltung oder Programmierung.

In den letzten Jahren sind diese drei Sonderformen der Demokunst leider stark in den Hintergrund gerückt. Das Internet und zahlreiche Dienste wie Spotify, DeviantArt und Co. geben talentierten Künstlern eine größere Bühne zur Präsentation der eigenen Werke als die Nischenprodukte der Demoszene.


So fing alles an: In Intros zu gecrackten Spielen wurden kleine Grafikeffekte integriert, die
immer aufwändiger wurden.

Wie alles begann
Am Anfang erschuf der Cracker den Scrolltext und leitete damit eine kulturelle Untergrundbewegung ein, die eine ganze Generation geprägt hat. Wenn man die Wurzeln der Demoszene ausfindig machen möchte, muss man im Lager der Raubkopierer stöbern. Schon Mitte der Achtziger trieben diese auf C64- und Amiga-Computern ihr Unwesen und entfernten den Kopierschutz damaliger Spiele. Um ihre Arbeit gebührend anzupreisen, wurde mit der Einbindung eines kleinen Vorspanns vor dem eigentlichen Spiel begonnen. Dieser Vorspann enthielt zu Beginn nur einfache Nachrichten in Textform, sowie den Namen des Crackers - schließlich wollte man auf sich aufmerksam machen. Dies war die Geburtsstunde des so genannten Crack-Intros.

Bald darauf wollte man jedoch zeigen, zu was man fähig ist und begann mit der Implementierung kleinerer Effekte. Was zu Beginn nur ein paar bewegte Objekte oder ein einfacher Vektorwürfel waren, steigerte sich hin zu mehreren aufeinander folgenden Effekten, die von Musik begleitet wurden. Der Ehrgeiz war geweckt. Immer wieder ließ man sich neue Routinen einfallen, baute Grafiken und Logos mit ein und stieß schon bald an die Grenze des Speicherplatzes. Irgendwann war einfach kein Platz mehr auf den Spieldisketten, weshalb Gruppen wie Red Sector Inc. ihre Kreationen auf separaten Disks veröffentlichten. Die Mega-Demo war geboren. Mit zahlreichen bunten Bildern, mehreren Musikstücken und den unterschiedlichsten Effekten gründete man eine eigene Subkultur, die weltweit immer mehr Anhänger fand. Zu diesem Zeitpunkt bewegte sich die Szene endgültig weg vom Schmuddelimage des Crackertums.

It's Party-Time
Dies war auch der Startschuss für die ersten Demo-Partys. Dort treffen sich sowohl Mitglieder diverser Gruppen, als auch Fans aus aller Welt, haben jede Menge Spaß miteinander, tauschen Erfahrungen aus und stellen ihre neuesten Kreationen vor. In Grafik-, Musik- und Demo-Wettbewerben werden die mitgebrachten Werke gezeigt und vom Publikum prämiert. Die Gewinner freuen sich über Geld- und Sachpreise.


Demo-Partys (wie hier die Revision 2016) sind ein Platz für freundschaftliche Rivalität ("Meine
Demo ist besser als deine!") und gemütliches Beisammensein.

Deutschlands bekannteste Demo-Party findet jedes Jahr zu Ostern in Saarbrücken statt. Die auf den Namen Revision getaufte Veranstaltung wird jährlich von rund 1000 Leuten aus aller Welt besucht. Auf den ersten Blick erinnert dieses Treffen zwar an eine größere E-Sports-Veranstaltung, denn jeder Besucher kann seinen eigenen Rechner mitbringen und das hausinterne Netzwerk nutzen, gespielt wird dennoch nicht. Die Veranstalter möchten den Scene-Spirit erhalten und achten darauf, dass League of Legends, Counterstrike und ähnlich ausgerichtete Titel draußen bleiben. Andere bekannte Szeneparties wie die Assembly in Finnland oder die The Gathering in Norwegen bieten mittlerweile spezielle Areale ausschließlich für Gamer an, weshalb auf diesen Veranstaltungen eine ganz andere Stimmung herrscht als die gelöste Atmosphäre der Revision.

Das Amiga-Zeitalter
Technisch waren Demos schon immer auf der Höhe der Zeit. Die ersten Werke krankten jedoch vor allem beim praktisch nicht vorhandenen Design. Damals wurden Effekte nur lose der Reihe nach abgespult. Erst 1991 änderte sich dies, als die Demo Global Trash von The Silents das gesamte Konzept bisheriger Demos über den Haufen warf. Zum ersten Mal konnte man so etwas wie Design ausmachen. Später trieben die kreativen Köpfe der Szene den Designaspekt in immer höhere Sphären. Die Amiga-Demo State of the Art der Spaceballs bestach zum Beispiel durch fantastisch animierte Tänzerinnen und treibenden Techno-Beats. Die revolutionären Animationssequenzen wurden sogar regelmäßig beim Musiksender MTV vorgeführt.


Spaceballs "State of the Art"-Demo brachte den Amiga zum Glühen und wurde sogar auf MTV ausgestrahlt!

Vor allem auf dem Commodore Amiga fühlte sich die Szene schnell heimisch und holte immer wieder neue Höchstleistungen aus der Hardware heraus. Was mit nackten Polygonen begann, wurde schon bald mit Gourad- und Phong-Shading verziert. Texturen fanden ihren Weg auf Objekte. Schließlich hielten auch 3D-Welten Einzug in Demos. Findige Szeneprogrammierer erschufen auf dem Amiga eine 3D-Engine in der Qualität eines Wolfenstein 3D, lange bevor das erste kommerzielle Spiel diese Technik nutzte.

Von DOS zu DirectX
Mitte der Neunziger verließen viele" Szener" das langsam sinkende Amiga-Schiff und führten ihre Arbeit erst unter MS-DOS, später dann unter Windows fort. Es dauerte jedoch einige Zeit, bis sich die Szene an das moderne Betriebssystem von Microsoft gewöhnt und die technischen Fähigkeiten ausgelotet hatte. Erst 1999 vollzog man den endgültigen Schritt. Immer mehr neue, unter Windows lauffähige Demos tauchten auf. Dies war auch der Zeitpunkt, wo die Spielebranche die Szene bezüglich des technischen Aspekts überholte. Während an heutigen Spielen oftmals mehrere hundert Mann starke Trupps zwei Jahre lang arbeiten, werkeln an einer Demo durchschnittlich gerade einmal fünf Leute - meist über einen Zeitraum von mehreren Wochen und natürlich ausschließlich in der Freizeit. Aus diesem Grund fokussierte die Szene ihre Arbeit immer mehr in Richtung Design. Trotz dieses verlorenen Kampfes gegen den Kommerz bieten Szenedemos technisch immer noch Großartiges.

Heutzutage hat die Demoszene leider etwas von ihrem früheren Stellenwert verloren. Die junge Generation streckt die Fühler eher in Richtung E-Sport aus, misst sich in Online-Spielen oder bastelt an Mods für aktuelle Games. Es sollte allerdings nicht vergessen werden, dass die Demoszene Kreativität viel stärker fördert und mehr Freiheiten gewährt. Auch über diesen Umweg kann der Einstieg ins kommerzielle Spielegeschäft gelingen, wie zahlreiche Beispiele aufzeigen.

Games aus der Szene
Nicht nur Alex Evans haben Szenedemos in der persönlichen Entwicklung vorangebracht. Der in München geborene Gregor Ehrenstein werkelt als Senior-Tech-Programmer bei Massive Entertainment in Schweden an AAA-Titeln wie The Division. Mit spannenden Gefechten und dank freier Charakterentwicklung hat der kooperative Shooter auf Anhieb überzeugt und Publisher Ubisoft den besten Verkaufsstart der Firmengeschichte beschert. Auch optisch lässt das Spiel die Muskeln spielen. Das virenverseuchte New York ist detailverliebt und technisch imposant in Szene gesetzt.

Gregor ist mitverantwortlich für die mächtige Grafik-Engine, welche die Wahrnehmungssinne der Spieler in Verzückung versetzt. Dass er heutzutage auf einem solche hohen, technischen Niveau tätig sein kann verdankt er auch seiner jahrelangen Tätigkeit in der Demoszene. Unter dem Pseudonym "GRX" programmierte er bereits zahlreiche Demos, die in dieser Szene für Aufsehen sorgten.


Spiele wie The Division zu entwickeln ist sein Job. In seiner Freizeit programmiert
Gregor "GRX" Ehrenstein Szenedemos wie PC-09: The Wizard of Cos (YouTube).

Auch bei anderen Firmen sind mittlerweile viele Leute beschäftigt, die sich in der Demoszene einen Namen gemacht haben. Die Starbreeze Studios wurden beispielsweise von Mitgliedern der PC-Demogruppe Triton gegründet. Chefprogrammierer Magnus Högdahl war bis 1997 aktiver Scener, bevor er sein eigenes Unternehmen gründete und nach einigen erfolglosen Jahren mit Enclave den Durchbruch schaffte. Auch Gustaf Grefberg, der Sound- und Leveldesigner von The Chronicles of Riddick, ist in der Szene eine lebende Legende. Unter dem Synonym Lizardking komponierte er schon zu Amiga-Zeiten Musik und kreierte sogar einen oft kopierten Musikstil namens Doskpop.

Die Schweden von DICE (früher Digital Illusions) zählen mittlerweile wohl zu den bekanntesten Firmen, die aus der Demoszene stammen. Bereits 1990 ging diese Firma aus der Demogruppe The Silents hervor. Erste Lorbeeren wurden mit den Flipperspielen Pinball Dreams und Pinball Fantasies für den Commodore Amiga eingeheimst. Inzwischen zählt das in Göteborg ansässige Unternehmen durch Titel wie die Battlefield-Reihe oder Star Wars: Battlefront zu den begehrtesten Entwicklern in der Branche.

Interessant ist vor allen Dingen, dass einige Leute, die sich für diese Titel verantwortlich zeichnen, nach wie vor in der Demoszene aktiv sind. Dabei haben die Rallisport-Macher Kalms, Rubberduck und Louie ihre Wurzeln nicht vergessen und veröffentlichen unter dem Namen The Black Lotus nach wie vor Amiga-Demos! Aus Hardware, die Mitte der 1990er Jahre entwickelt wurde, kitzeln die Schweden Effekte, die so manche 3D-beschleunigte PC-Demo alt aussehen lässt. Auch was das Design betrifft, macht ihnen so schnell niemand etwas vor. Erst im Jahr 2015 haben sie mit Rift eine der beeindruckendsten Demos des ganzen Jahres veröffentlicht. Für den imposanten Soundtrack zeichnet sich Olof "Blaizer" Gustafsson verantwortlich, der schon in Unmengen von Spielen für den guten Ton gesorgt hat. Unvergessen bleibt auch Starstruck, ihre Sieger-Demo von der Assembly 2006, die alle topmodernen PC-Demos bei der hoch angesehenen Demo-Competition ausstach!

Spähtrupps überall
Nicht nur in schwedischen Spielen steckt der Geist der Demoszene. Überall auf der Welt haben sich Firmen Unterstützung aus der Szene geholt. Seien es Remedy Entertainment (Quantum Break) oder Rovio (Angry Birds) aus Finnland, die The Witcher-Macher von CD Project, in England bei den Deep Silver Dambuster Studios (Homefront - The Revolution) oder zahlreiche Entwickler in den unzähligen Studios von Ubisoft (u.a. sitzt dort Guille von der Gruppe Cocoon). Sie alle haben eines gemeinsam: Sie setzen auf das Talent der Szene. Selbst hierzulande tummeln sich überall bekannte Szenegrößen, die an Spielen wie Crysis, den Winter Sports-Spielen, Anno 2205 oder FAST Racing NEO gearbeitet haben.


Das ultraschnelle Rennspiel FAST Racing NEO  für die WiiU enstand beim Münchner Entwicklerstudio
Shin'en, die allesamt Mitglieder der Demoszene waren und es zum Teil auch heute noch sind.

Das Interesse an talentierten Nachwuchskräften ist nach wie vor ungebrochen. Immer wieder tauchen Talentsucher auf Demo-Partys auf um fähige Leute unter Vertrag zu nehmen. Auf der Assembly-Party in Finnland halten jedes Jahr Angestellte von Remedy Entertainment Vorträge, um die Scener für einen Job in der Games-Branche zu begeistern. Jess Cliffe und Mike Dussault von Valve Software besuchten auch schon die The Gathering in Norwegen. Auch auf der hiesigen Revision-Party, waren zahlreiche Firmenvertreter anwesend.

Horizont-Erweiterung
Wer tiefer in die Welt der Demoszene hinein schnuppern möchte, findet in Kunst, Code und Maschine (ISBN 978-3-8376-1749-8) ein hochinteressantes Nachschlagewerk. Der 428 Seiten umfassende Schmöker von Daniel Botz ist das erste deutschsprachige Buch zum Thema Demoszene und betrachtet diese Computerbewegung und ihre Werke vor allem aus [kunst]wissenschaftlicher Sicht. Der Autor beschreibt sowohl den Werdegang der Demoszene, ihre Motivation und ihre Regeln, als auch deren Werke und die verschiedenen Stilrichtungen. Botz hat nahezu keinen Aspekt ausgelassen, berichtet über die Technik in Demos genauso, wie über Demo-Partys, die wichtigsten Produktionen und allem anderen, was dazugehört.

Ebenfalls ein hochinteressantes Nachschlagewerk mit Fokus auf die wundervollen Bilderwelten, welche die Grafiker der Demoszene erstellen, ist das brandneue und über Kickstarter finanzierte Buch The Masters of Pixel Art.

Berauschende Bilder in den Video-Player bringt die MindCandy-Serie, die es mittlerweile auf drei Ausgaben bringt. Während die ersten beiden Volumes noch auf DVD veröffentlicht wurden, mittlerweile aber vergriffen sind und deshalb kostenlos von der offiziellen Website heruntergeladen werden können, ist MindCandy Vol. 3: PC-Demos 2003-2010 auf Bluray-Disc erschienen. Die MindCandys enthalten einige der besten PC-Demos aller Zeiten. Von Second Reality über CNCDs Inside bis hin zum aktuelleren Rove von Farbrausch oder Agenda Circling Forth von CNCD und Fairlight sind zahlreiche legendäre Werke enthalten. Ein Pflichtkauf für Demo-Freaks!

Weiterhin legen wir den Besuch diverser Szene-Websites nahe. So findet sich auf Pouet.net eine umfangreiche Datenbank über Demos, Intros und sonstigen Releases der Demoszene. Auch können die Werke hier kommentiert werden. In die selbe Kerbe schlägt Demozoo.org, das sich zur Aufgabe gemacht hat, alle Party-Releases zu listen. Ein Pflichtbesuch für alle Grafikfetischisten ist ArtCity. Die Bildergalerie rückt die wunderschönen Grafiken der Demokünstler in den Mittelpunkt. Demomusik auf die Ohren gibt es bei den Internet-Radios Nectarine und BitJam. Wer hingegen News und Berichte zum Thema Demoszene sucht, sowie einen regelmäßige Überblick über die interessantesten neu veröffentlichten Demos und Intros bekommen möchte, sollte auf 4Sceners.de vorbei schauen. Seit nunmehr 11 Jahren werden dort nicht nur die wichtigsten Releases besprochen, sondern jährlich auch die besten Werke gekürt.

Hinweis: Dieser Artikel ist eine modernisierte, an das Jahr 2016 angepasste Version meines Ursprungsartikel "Die Demoszene im Allgemeinen", erschienen im Jahr 2005 auf 4Sceners.de.


 
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