Special: Spielkultur (Sonstiges)

von Jörg Luibl



Spielkultur (Sonstiges) von 4Players
Spielkultur
Sonstiges
Entwickler: 4Players
Publisher: 4Players
Release:
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Spielinfo Bilder Videos


Interview mit Bernd Schmid-Ruhe
(Feuilleton-Forscher; mehr dazu im Porträt!)


4Players: Sie sind Akademiker, haben den Promotionsförderpreis der Universität Konstanz erhalten und arbeiten gerade an ihrer Dissertation. Wie finden Sie Doom 3?

Bernd Schmid-Ruhe: Ich glaube nicht, dass ich das Spiel unter anderen Gesichtspunkten bewerte, nur weil ich "Akademiker" bin. Aber um die Frage zu beantworten: Ich nenne das Spiel eigentlich immer "Dumm 3"; außen hui und innen pfui. Das Spiel ist einfallslos und eintönig. Aber vielleicht liegt das auch daran, dass ich kein Horror-Fan bin?

4Players: Was interessiert Sie als Literaturwissenschaftler und angehenden Doktor an der bunten Welt zwischen Mario und Max Payne?

Bernd Schmid-Ruhe: Einerseits bin ich nicht so sehr im Bereich der Literaturwissenschaft zu Hause, wie es die akademische Vita vermuten lassen würde und andererseits bin ich selbst leidenschaftlicher Spieler. Vom akademischen Standpunkt aus interessiert mich an Spielen aber vor allem, wie z.B. Wissen repräsentiert wird, welche Perspektiven gegenüber bestimmten Situationen eingenommen werden oder wie man bestimmte Themen überhaupt darstellen kann. Eine der wichtigsten Fragen, derer sich die Literaturwissenschaft angenommen hat, ist die nach den Erzählperspektiven in narrativen Texten. Wer spricht? Diese Frage ist für die meisten Computerspiele noch gar nicht oder nur unzureichend beantwortet worden. Ein Beispiel: Man spricht von der Ego-Perspektive in First-Person-Shootern, aber das Paradoxe daran ist doch, dass wir der Illusion vertrauen, es handle sich um eine Ich-Perspektive. Dennoch begehen wir nicht den Fehler, diese Person mit uns zu identifizieren! In diesem "Ego" liegt vielmehr eine schizophrene Teilung: In der Geschichte von Half-Life sind wir wir und Gordon Freeman zugleich. Das finde ich sehr spannend.

4Players: Ihre Doktorarbeit behandelt das Thema "Publizistik und Naturwissenschaft. Zum Verhältnis von Fakten und Fiktionen in der naturwissenschaftlichen Debatte des Feuilletons im 20. Jh." Die Spielewelt diskutiert derzeit ebenfalls über das Verhältnis von Fakten und Fiktionen im deutschen Feuilleton. Unserer Meinung nach schrieb die Süddeutsche Zeitung an der Wirklichkeit vorbei. Wie haben Sie die Debatte um den Doom 3-Artikel erlebt und konnten Sie Parallelen entdecken?

Bernd Schmid-Ruhe: Ich fand es schade, dass es diese Debatte überhaupt geben musste. Im Sinne einer positiven Darstellung der Computerspiele in den Medien hatte ich mich zunächst sehr über eine Auseinandersetzung im Feuilleton gefreut, doch leider ist die Debatte kaum über Missverständnisse und erneute Schreckensmeldungen hinaus gekommen. Aber auch die Spielerseite reagierte sehr verstockt und einseitig, so dass kaum ein Gespräch zustande kam.

4Players: Warum ist das Feuilleton so langsam und träge, wenn es um die Aufnahme kultureller Newcomer wie z.B. Spiele geht? Ist das ein deutsches Phänomen?

Bernd Schmid-Ruhe: Das Feuilleton war in seiner langen Geschichte schon immer ein Sammelbecken für die unterschiedlichsten Themen und kann aufgrund seiner weiten Öffnung eigentlich unterschiedlichste Inhalte und Genres aufgreifen und inkorporieren. Dafür hat das Feuilleton immer schon kommunikative Techniken zur Verfügung gestellt, denn es kann gerade aufgrund seiner sprachlichen Verfasstheit und seiner starken Verwurzelung in kulturellen, politischen und sozialen Fragestellungen sehr flexibel auf neue Themen reagieren. Das Problem mit den Computerspielen scheint zu sein, dass sie relativ junges Genre sind. Das Feuilleton ist trotz seiner hohen Anpassungsfähigkeit doch einigermaßen träge und Autoren wie Leser müssen sich an neue Themen erst einmal gewöhnen. Das hört sich banal an, aber das Gleiche lässt sich tatsächlich für andere Medientechnologien und ihrem Auftritt im Feuilleton nachweisen. Man braucht sich nur die Kino-Debatte im Feuilleton der Weimarer Republik anzuschauen. Heute scheint das alles kein Thema mehr zu sein und selbst Horrorfilme können im Feuilleton als "Kult(ur)" gefeiert werden.

4Players: Ziehen Sie Spieletests zu Rate, bevor Sie sich ein Game kaufen?

Bernd Schmid-Ruhe: Ja und nein. Es gibt Spiele, bei denen mich keine noch so schlechte Wertung davon abbringen wird, sie zu kaufen. Zuletzt war das bei PES4 der Fall. Dann gibt es aber wieder andere Spiele, die mich interessieren und ich lese alles, was ich darüber finden kann. Leider bin ich danach meistens auch nicht schlauer.

4Players: In ihrem Gastbeitrag kommt die Gattung der Tests nicht gerade gut weg: "Formelhafte, standardisierte und zur Redewendung geronnene Floskeln sind charakteristisch für solche Rezensionen (…)". Welche Art Spieletest würde Ihnen besser gefallen?

Bernd Schmid-Ruhe: Jeder von uns weiß doch, dass Spieletests subjektiv sind. Die Leute, die solche Tests schreiben, genießen aufgrund ihrer Erfahrung und ihrer Autorität bei den Lesern Glaubwürdigkeit und deshalb vertrauen wir dem einen mehr und dem anderen weniger. Tests sollten nicht so tun als ob sie "objektiv" wären und sie sollten auch nicht in eine Objektivitätsrhetorik verfallen, die dann letztlich nicht mehr viel sagen kann. Mir gefallen Spieletests in denen ganz klar zur Sprache kommt, was jemanden ganz persönlich gefallen hat. Ein Beispiel: Neulich pries ich einem Freund und Spielekenner Rome: Total War an. Ich war begeistert und wollte unbedingt überzeugen, aber er sagte nur: "Mir haben die Animationen der Pferdeschweife nicht gefallen." Klar, das ist kein Spieletest, aber es ist immerhin ein Argument, das ich besser gelten lassen kann als seitenweise Floskeln mit dem Endergebnis "81%". Da bin ich dann wirklich hilflos.

4Players: Im Hinblick auf die Testphilosophie können wir Ihnen nur zustimmen: "(…) die [Spieletester] letztlich versuchen, Rezeptionserfahrungen zu versprachlichen, die paradoxerweise in "objektiven" Geschmacksurteilen münden." Der Leser wirft nach einer Wertungsenttäuschung gerne damit um sich, dass der Tester nicht objektiv war. Wir sagen, dass wir immer subjektiv sind. Warum kann es keine Objektivität geben, wenn man urteilt?

Bernd Schmid-Ruhe: Jedem Spieler ist das schon mal passiert, dass er eine komplett andere Meinung als der Rezensent hatte. Ich nenne da nur das Beispiel Panzers; von allen in den Himmel gehoben, aber bei mir innerhalb von drei Tagen von der Festplatte geflogen. Geschmacksfragen bleiben eben Geschmacksfragen und als solche sollten sie auch behandelt werden. Objektivität ist keine Kategorie für sprachliche Vermittlung, da wir eben als Schreiber und als Leser in einer ganz bestimmten Weise disponiert sind, unsere eigenen Lebenserfahrungen gemacht haben, bestimmte Vorstellungen haben, etc. Im Bereich des Sprachlichen gilt die binäre Logik von "wahr" und "falsch" nicht, sondern höchstens eine, die von Wahrscheinlichkeiten spricht.

4Players: Sie können sicher zahlreiche Autoren, Filme oder Bücher benennen, die ihnen auf Anhieb ans Herz gewachsen sind. Aber welches war ihr intensivstes virtuelles Spielerlebnis?

Bernd Schmid-Ruhe: Das war sicherlich zu Zeiten des Brotkastens. Da war jedes neue Spiel ein Erlebnis und wir haben nächtelang den Competition Pro gequält. Racing Destruction Kit, Blue Max, Elite, Pirates!... das waren Zeiten. Irgendwie ist man damals noch viel stärker bei der Sache gewesen.

4Players: Als Literaturwissenschaftler wird man vom ersten Semester an für Texte, Strukturen und Dramaturgie sensibilisiert. Da geht es um Kurzgeschichten, Gedichte und Romane. Können Spiele aufgrund ihrer Story an die Sogwirkung eines Buches rankommen?

Bernd Schmid-Ruhe: Klar! Aber wenn man das zu laut sagt, dann hat man gleich wieder die negativen Stimmen bestätigt, die einen Zusammenhang zwischen Gewalt und Medien konstruieren. Aber nehmen Sie z.B. die ganzen Online-Rollenspiele. Von diesen Spielen geht eine solche Wirkung aus, dass manche Leute anscheinend tatsächlich Probleme mit dem wirklichen Leben bekommen und vollständig in dieser Welt aufgehen. Aber wie sie schon sagten, das ist kein Phänomen, das auf Computerspiele beschränkt ist.

4Players: Gewalt, Mord und Totschlag sind die Triebkräfte vieler literarischer Meisterwerke von Shakespeare bis hin zu Dostojewski. Stillen Spiele nicht auch dieses archetypische Verlangen, Grenzen in fiktiver Form zu überschreiten?

Bernd Schmid-Ruhe: Da müssen wir uns die Frage stellen, warum Menschen überhaupt spielen und warum sie sich Geschichten erzählen. Ich neige nicht zu Verallgemeinerungen, aber ich denke schon, dass es sich dabei um die Eigenschaften handelt, die den Menschen grundlegend bestimmen. Zu spielen und zu erzählen gehört zu den basics menschlicher Kommunikation und beiden Formen ist eines gemein, nämlich die Möglichkeit, Dinge zu erleben, als ob sie echt seien, während sie fiktiv bleiben. Natürlich sind da die Grenzen spannender als das Alltägliche, das Fremde interessanter als das Bekannte.

4Players: Was denken Sie über die von einigen Innenministern geforderte schnellere Indizierung und das angedachte Herstellungsverbot von Spielen?

Bernd Schmid-Ruhe: Innenminister sollten sich zunächst einen Überblick über die von ihnen mit zu verantwortende Rechtslage verschaffen und dann sollten sie über die rechtsstaatliche Garantie medialer Selbstbestimmung nachdenken. Ebenso über die Gegebenheiten internationaler Warenmärkte. Gerade Innenminister sollten nicht übereilt mit Begriffen hantieren, die über inhaltsleere Polemik nicht hinaus kommen.

4Players: Wenn Sie eine Prognose abgeben müssten: Wird sich die Gewaltdebatte in saisonalen Zyklen wiederholen oder hat die Spielkultur eine Chance, sich als gleichberechtigte Kraft neben Buch, Film und Kunst zu etablieren?

Bernd Schmid-Ruhe: Auch beim Kino gibt es immer wieder Debatten darüber, was erlaubt sei, ebenso bei der Literatur. Skandale kennt jedes Unterhaltungsmedium. Viele dieser Gewaltdebatten sind auch notwendig und ich bin ein absoluter Verfechter dessen, dass der Jugendschutz einzuhalten ist. Die Verantwortung liegt hier aber auch bei den Eltern und Erziehungsberechtigten, wie es beim Jungendschutz im Bereich des Films längst üblich ist. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass die Computerspiele nicht ständig Gegenstand kulturpessimistischer oder angstvoller Prognosen wären, wenn sich in der Gesellschaft endlich eine Aufklärung über das Thema durchsetzen würde.

4Players: Fast hätten wir das Wichtigste vergessen: Mit welchem Spiel haben Sie die Weihnachtszeit verbracht?

Bernd Schmid-Ruhe: Ich habe einige alte Bestände abgearbeitet und die Sachen, die mich interessieren kommen ja erst im Laufe dieses Jahres… leider. Aber ich habe ausgiebig Half Life 2 gespielt!

4Players: Auf welche Spiele freuen Sie sich besonders in diesem Jahr?

Bernd Schmid-Ruhe: World of Warcraft, Brothers in Arms, GTA: San Andreas (PC), Stalker, Gothic 3, u.v.m.

4Players: Wir wünschen Ihnen viel Erfolg mit der Dissertation und faszinierende Spielmomente!

Bernd Schmid-Ruhe: Herzlichen Dank!

Um das Thema zu vertiefen, empfehlen wir die Kolumne, den Gastbeitrag und die Bilderserie!
          

Kommentare

johndoe-freename-48899 schrieb am
Gratulation zu dieser längst überfälligen Rubrik!
Wenn es schon die etablierten Zeitschriften sog. \\\"Marktführer\\\" nicht schaffen, die kulturelle Relevanz von Videospielen zu erkennen geschweige denn zu erläutern, dann wenigstens online..
Wie so oft hinkt auch hier Deutschland dem Ausland, zumindest den Briten hinterher: Kennt ihr das Edge Magazin? Von Coverdesign über (meist) hype-resistente, abgeklärte Berichterstattung bis hochklassige Dossiers und Gastartikel zeugt alles von einem tiefgehendem Verständnis des Mediums Videospiel..
Wenn sich jetzt noch endlich Entwickler fänden, die fähig sind, intellektuell überzeugende, emotional bewegende und glaubwürdige Geschichten zu erzählen; Spiele zu programmieren, die einen auch nachdem man den PC/Konsole ausgeschaltet hat noch zum Nachdenken und Philosophieren bringen..kurz: das ungeheuer große Potential von Videospielen verwirklichen können..
Dann, ja dann, steht der Videospielbesprechung im Feuilleton einer Tageszeitung nichts mehr im Wege!
Half-Life 2 war sicher ein Schritt in die richtige Richtung, aber es ist dennoch meilenweit von einem thematisch ähnlichen \\\"1984\\\" entfernt..
Wie auch immer: Weiter so und vielen Dank!!!
Jörg Luibl schrieb am
Freut mich, dass unsere neue Rubrik so gut ankommt. Die nächsten Themen sind in Arbeit!
johndoe-freename-64711 schrieb am
Grtulation, endlich setzt man sich mit Spielen vernünftig auseinander. Und dieses Interview ist genau der richtige Schritt, der schon seit langem getan werden sollte. Ich bedanke mich bei euch \\\"Spieleverstehern\\\" und vor allem bei Herrn Bernd Schmid-Ruhe, der sich \\\"traut\\\" sich hier auf qualifizierte Weise auch gegen die generelle Meinung zu äußern.
schrieb am