Special: Archäologie im Spiel (Sonstiges)

von Thorsten Michel



Archäologie im Spiel
Sonstiges
Entwickler: 4Players
Publisher: 4Players
Release:
kein Termin
Spielinfo Bilder  


Fakten und Fantasie in Rome: Total War

Ein Gastbeitrag von Thorsten Michel

Ende der 50er Jahre erregte der amerikanische Soziologe James Vicary Aufsehen, als er von Experimenten mit unterschwelligen Botschaften während einer Kinovorführung in New Jersey berichtete. Obwohl sich inzwischen herumgesprochen hat, dass diese Experimente lediglich auf Vicarys Phantasie beruhten, ja sogar nicht einmal das im Experiment genannte Kino existierte, bleibt dennoch die Idee der unterschwelligen Botschaften bis zum heutigen Tag in unseren Köpfen haften.

Eine besonders wichtige Form der unterschwelligen Aufnahme ist mit Sicherheit das Spielen, gelangt die Konzentration bei spielenden Menschen und Tieren doch nachweislich in höchste Sphären. Spielen ist grundsätzlich lebensnotwendig. Es ermöglicht erst soziales Leben und trainiert außer Verhaltensweisen oft Reaktionsfähigkeit und Motorik. Letzteres trifft
Dieser Gastbeitrag ist ein Teil des Spielkulturthemas "Archäologie im Spiel". Dazu empfehlen wir:

Porträt: Wer ist Thorsten Michel?

Interview: Archäologe im Gespräch

Bilderserie: Peitsche & Kriegselefant
Kolumne: Schatzjäger & Spaßsucher
sicherlich nur noch in Maßen auf Computer- oder Videospiele zu, da sich das physische Training der allermeisten digitalen Spiele lediglich auf die Finger beschränkt. Andererseits dienen gerade diese Spiele besonders häufig als Reaktionstrainer oder bieten die Möglichkeit, unseren Grips auf Hochtouren zu bringen. Dabei werden nicht allein Aufgaben zum Tüfteln gelöst, sondern auch Wissensgebiete abgedeckt, mit denen man geistige Defizite abbauen kann. Wer über das Tüfteln hinaus etwas über Physik lernen möchte, sollte sich mit Crazy Machines beschäftigen - wesentlich mehr lehren die Physiklehrer in diesem Lande auch nicht, außer dass sie den Schülern noch formelhafte Gesetze aufdrängen, die im normalen Leben zu kennen kaum notwendig ist.

Richtiggehende Lernspiele seien an dieser Stelle gar nicht einmal angesprochen, aber Computerspiele ermöglichen beispielsweise auch geographisches Wissen aufzubauen. Hier erfährt man tatsächlich einmal etwas über die Lage der Länder oder ihre Städte und beschäftigt sich nicht mit dem Monatseinkommen nordkantonesischer Reisbauern oder der durchschnittlichen Mähdrescherleistung in den Südstaaten der USA. Zu empfehlen sind für das zwanglose <Erlernen> echt geographischer Kenntnisse besonders Strategiespiele und Simulationen mit realistischem Hintergrund - um diese zu bewältigen, muss man nämlich zwangläufig wissen, wo sich die jeweiligen Spiel-Ziele befinden: Sei es, dass man in Echtzeit mit dem Flight Simulator von Frankfurt nach N.Y.C. fliegt, um den Raum zu erfahren, sei es, dass man mit Pirates! in der Karibik auf Kaperfahrt geht.

Spiele wie Pirates!, Age of Empires, Die Eroberung Vinlands, Caesar I-III oder Rome: Total War können allerdings auch sehr viel Verständnis für Geschichte wecken. Immerhin täuschen sie doch einer bequemen Zeitmaschine gleich einen Blick durch's Fenster auf den Hof des Vergangenen vor. Umso wichtiger ist es in diesen Fällen hinsichtlich der Wissensvermittlung, dass sie einen korrekten Hintergrund in sich tragen. Aus diesem Grund sei einmal beispielhaft Rome: Total War auf seinen historischen Wahrheitsgehalt und somit auf seinen über die reine Spielfreude hinaus reichenden geistigen Nährwert abgeklopft.

Um es vorweg zu nehmen: ich kann den Echtzeit-Schlachten von Total War nur wenig abgewinnen. Strategische Winkelzüge sind bei Spielen wie Gettysburg! deutlich spannender umgesetzt, außerdem machen fußlose Fußtruppen zwangsläufig einen komischen Eindruck auf mich. Aus diesen und anderen Gründen seien nur wenige Worte zu diesem Spielbereich verloren: Die Truppenteile und Waffengattungen sind weitgehend authentisch, an den Haaren herbeigezogen sind und bleiben dagegen Fantasie-Einheiten wie die germanischen Axtkämpfer. Sie sollten, meine lieben Spielehersteller, in Zukunft da bleiben, wo sie hingehören: In den Orkus der verschmierten Hollywood-Mythen! Bei diesen Völkern hätte man sich dann freilich auf einfache Einheiten wie Schwert- und Lanzenkämpfer sowie Bogenschützen beschränken müssen. Mit einem gewissen Grad an Geschichtsklitterung wären meinethalben noch Berserker möglich gewesen.

Anstatt sich auf den genannten blühenden Unsinn zu stützen, wäre es für die Konzeptschreiber hingegen angeraten gewesen, sich eingehender mit den Seestreitkräften auseinanderzusetzen. Die stiefmütterliche Behandlung durch Activision geht nicht konform mit dem großen Wert, den die Seestreitkräfte in der Antike besaßen. Sicherlich waren ausgerechnet die dem Spiel den Namen verleihenden römischen Bauern alles andere als ein Seefahrervolk. Aber insbesondere ihrem Geschick, die zuvor das Mittelmeer beherrschenden Punier = Karthager vernichtend zu schlagen, verdanken wir die Segnungen und Herausforderungen des Imperium Romanum! Besonders in der Schifffahrt wird ein weiteres Manko besonders deutlich: Die starke Vereinheitlichung der Völker bzw. ihrer Entwicklungen. Briten und Gallier haben die antiken Meere eben nicht mit Bi- oder Triremen befahren, es sei denn, sie ruderten als Sklaven unter Deck. Die genannten und andere Völker mussten sich in der Seefahrt weitgehend mit eher einfachen Lederbooten begnügen oder mit flachen Nussschalen, die wir heute als Lastkähne bezeichneten. 
        

Kommentare

johndoe-freename-25803 schrieb am
Sehr schöner Artikel, Herr Michel!
Den gröbsten Schnitzer in Rome:Total War haben Sie allerdings ungenannt belassen. Dass die im Spiel porträtierten Ägypter nahezu 3000 Jahre zu alt sein dürften, sollte Ihnen doch aufgefallen und somit auch Bestandteil Ihres Artikels sein.
Wenn Sie gerne einmal R:TW mit den echten \"zeitgenössischen\" ptolemäischen Ägyptern genießen möchten, kann ich Ihnen nur folgende Internetseite empfehlen:
Rome Total Realism
Hierbei handelt es sich um ein sogenanntes \"Mod\" (Modifikation) von begeisterten (und ob der historischen Ungereimtheiten auch nicht so begeisterten) R:TW-Spielern. So sind beispielsweise Druiden, schreiende germanische Frauen oder auch die Hundemeuten entfernt worden und die alten Ägypter durch die Ptolemäer ersetzt worden.
Eine lebhafte Community (anscheinend mit mehreren internationalen Hobby-Archäologen bestückt) findet sich unter folgender URL:
Total War Center - Rome Total Realism Sub-Forum
Zu guter letzt darf ich Ihnen noch meine bescheidenen Ergüsse zu diesem grandiosen Spiel ans Herz legen. Es handelt sich um einen AAR (After-Action-Report) einer Rome Total Realism - Kampagne, welche ich derzeit als Römer (richtig, bei RTR gibt es keine Unterscheidung zwischen Julii, Brutii und Scipii) spiele. Über Ihren Besuch auf meiner Seite würde ich mich freuen!
ERRARE ROMANUM EST - Being an RTR-AAR
4players, Ihr seid gerade wegen Eurer Kolumnen und Specials in den letzten Monaten immer lesenswerter und somit nun auch ein guter Anlaufpunkt (neben solchen Magazinen wie GEE oder englischsprachigen Kollegen wie Eurogamer.net) geworden, um die nötige Tiefe in diese Art des Entertainments zu bringen. Danke dafür!
Jörg Luibl schrieb am
Ja, vor allem die Nennung von Bordesholm in Rome: Total War, das tatsächlich als Gräberfeld untersucht wird, hat auch mich überrascht. Schön ist, dass Thorsten Michel klaren Unfug kennzeichnet: etwa der Seekampf oder die germanischen Axtkrieger.
Der Gastbeitrag ist an einigen Stellen erfrischend direkt, zeigt inhaltlich und stilistisch angenehme Ecken und Kanten. Ich würde ihn deshalb allerdings nicht unwissenschaftlich nennen. Dafür bietet er zu viel fundiertes Fachwissen. Okay, ich weiß, was du gemeint hast - die lockere Sprache.;) Meine Lieblingsstelle:
Sie sollten, meine lieben Spielehersteller, in Zukunft da bleiben, wo sie hingehören: In den Orkus der verschmierten Hollywood-Mythen!
Interessant ist, dass dieses Spiel selbst Archäologen faszinieren kann. Ich hätte im Vorfeld eher damit gerechnet, dass sich die wissenschaftlichen Profis aufgrund all der historischen Oberflächlichkeiten eher abgestoßen fühlen.
Aber selbst Grabungsmeister müssen ja irgendwann entspannen.;)
schrieb am