Hunger auf Fantasy
David W. Bradley! Dungeons! Fantasy! Da jubelt meine schmachtende Rollenspiel-Seele und stürzt sich wie ein Raubtier in die Heldenkluft, um ein Königreich vor dem Verderben zu retten. Und was es da für eine Auswahl an Karrieren gibt: Sieben Völker und vier Grundklassen warten auf mich. Exotische Wesen wie die tierischen Wylvaner oder die tückischen Thralls sind ebenso spielbar wie reptilienhafte Zauren oder Tolkien'sche Klassiker mit spitzen Ohren und stämmiger Statur.
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Der Zwerg legt eine kreative Pause ein: Sobald ihr im Kampf das Menü öffnet, wird alles eingefroren - ideal für einen Heiltrank. |
Also rein in die robuste Zwergenhaut, schnell zwischen Krieger, Schurke, Magier oder Adept entschieden und los geht's! Später kann man immer noch aus über zwei Dutzend Unterklassen wie Marodeur, Paladin, Samurai oder Kriegshexe wählen. Moment mal: Kann man sein Aussehen gar nicht verändern? Nein, lediglich eine Variante männlicher oder weiblicher Figur ist möglich - das ist ernüchternd, wenn man bedenkt, dass die freie Gestaltung zunächst versprochen wurde und sogar im Handbuch ein Screenshot mit Reglern für Gesicht, Hautfarbe und Frisur zu sehen ist. Okay, dann eben nicht.
Hoffungsschimmer Charaktersystem
Dafür stimmt das üppige Charaktermenü wieder versöhnlich: Da sorgen sechs Attribute wie Stärke, Intelligenz und Ehre sowie sechs Leisten mit aufrüstbaren Werten in Bereichen wie Waffen, Magie oder Diebeskunst für neugieriges Stöbern. Hier legt ihr fest, wie gut euer Held mit dem Bogen schießen oder Feuerbällen hantieren kann. Sehr interessant ist auch das Feld für Wappen: Je nachdem, welche heraldischen Symbole ihr dort erwerbt, bekommt ihr dauerhafte Boni wie mehr Schadens- oder Lebenspunkte.
Das Schöne am Charaktersystem ist aber nicht nur, dass es zu Beginn so viele Möglichkeiten bietet, sondern dass es im Laufe des Abenteuers so offen bleibt: Selbst, wenn ich mich für einen Zwergen-Krieger entscheide, kann ich mir über die kluge Erhöhung von Attributen und Fähigkeiten arkane Kräfte oder diebische Finessen aneignen. Ihr wollt als Magier im Kettenpanzer auftreten und gleichzeitig Schlösser knacken? Kein Problem.
Jede Erhöhung hat zudem konkrete Auswirkungen: Wer seine körperliche Fitness trainiert, darf in den Echtzeitkämpfen elegante Seitwärtsrollen oder Rückwärtssalti aufs Parkett legen. Wer sich mit einer Waffe fleißig weiterbildet, kann auf wilde Spezialattacken zurückgreifen. Wer seine Stärke auf 24 bringt, darf mittelschwere Schilde führen. Auch Magier dürfen sich austoben: Man kann mit Runensteinen losziehen, Zutaten für Höllenmagie sammeln und Kreaturen beschwören. Dungeon Lords lässt euch die motivierende Freiheit, an einer Fantasy-Karriere ohne Beschränkungen zu feilen.
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Die Oberwelt wirkt leblos - in den Städten gibt's ein paar Passanten und Wachen, in der Wildnis lediglich Monster. Selbst die Tavernen sind erschreckend leer. |
Erste Ernüchterung
Aber so hoffnungsvoll das Helden-Management auch stimmt, so enttäuschend wirkt die Welt, in die man poltert. Mal abgesehen davon, dass die Grafik selbst im Vergleich zu Online-Rollenspielen wie
EverQuest II oder
Guild Wars veraltet wirkt, fehlen auch die inneren Werte. Nach wenigen Stunden Abenteuerluft wird klar, dass Dungeon Lords nicht nur eine attraktive Kulisse und Lebendigkeit, sondern eine Seele fehlt. Schon die ersten Schritte im düsteren Wald, der Kontakt mit dem Boten, das Gespräch mit den Wachen, der Hinterhalt der Goblins, der Schleichweg durch die Katakomben - all das wirkt eher lieblos konstruiert als kreativ inspiriert. Im Vergleich zum stimmungsvollen Einstieg von
The Elder Scrolls 3: Morrowind ist das enttäuschend.
Worum geht's überhaupt? Ihr übernehmt die Rolle eines Helden, von dessen Ankunft bereits die Sterne kündeten. Mit einer mysteriösen Nachricht im Gepäck macht ihr euch auf den Weg zu Lord Davenmor, der vom Unglück umzingelt scheint: Erstens ist seine Tochter Ellowyn verschwunden, zweitens ist sein zaubermächtiger Verbündeter Galdryn ermordet worden und drittens wird seine Stadt gerade von Horden marodierender Monster heimgesucht. Um die Ausweglosigkeit perfekt zu machen, werden alle drei Probleme von einem tragischen roten Faden verbunden. Wenn er straff bleibt, wird das Reich untergehen - also müsst ihr ihn über zahllose Haupt- und Nebenquests zerschneiden.