Test: SpellForce 2: Shadow Wars (Taktik & Strategie)

von Jörg Luibl



SpellForce 2: Shadow Wars
Entwickler:
Release:
12.03.2010
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Die deutsche Spielepresse ist sich einig: SpellForce 2 ist fantastisch. Da gehen Kollegen "Klappmesser in der Hose" auf, da wird ein Anwärter auf das "Spiel des Jahres" ausgerufen, sogar Oblivion getoppt und ein Award nach dem anderen vergeben. Wir sind anderer Meinung: SpellForce 2 ist gut - nicht weniger, aber auch nicht mehr. Wir können das Spiel von Phenomic durchaus empfehlen, aber nicht in den nationalen Jubel einstimmen.

Fataler Bruderkrieg

Ein Blick aus Eis, zwei Krummsäbel und tödliche Eleganz: In einem Stakkato von Hieben und Stichen kämpft sich der grimmige Elf durch ein Heer von Angreifern. Einer nach dem anderen wird mit so filigraner Präzision ins Jenseits befördert, dass ich während des martialischen Tanzes nur an zwei Dinge denken konnte: Erstens an Drizzt Do`Urden, den
Ein Vater kurz vor dem tragischen Schwert-Tanz: Seine Tochter Schattenlied soll die guten Völker warnen.
dunkelelfischen Zwilling dieses Kriegers aus der Feder von R.A. Salvatore. Zweitens an Blizzard, die ähnlich erstklassige Filme inszenieren. Als der tragische Held hier schließlich fällt, kann man den Schöpfern von Metricminds nur gratulieren: Das Intro ist klasse!

Aber warum hat da ein Dunkelelf gegen Dunkelelfen gekämpft? Weil sich ein Teil seines Volkes mit Dämonen verbündet hat. Diese unheilige Allianz nennt sich "Der Pakt" und droht die friedlichen Völker der Menschen, Zwerge und Elfen zu vernichten. Das Blöde ist: Die alte Story von Gut gegen Böse, Licht gegen Schatten wird keinen Fantasy-Fan mehr besonders neugierig machen. Besonders nicht nach der Inflation Tolkien`scher Plagiate. Das Seltsame ist: Die alte Story zieht trotzdem. Der Köder ist so verlockend, dass man reinbeißt und sich in die Geschichte ziehen lässt.

Schattenlieds Rache

Warum? Schattenlied ist schuld. Die Tochter des gefallenen Dunkelelfen muss den Rest der Welt warnen. Ihr Vater hat sich für sie geopfert und euch wird die heroische Aufgabe übertragen, diese Lady zu begleiten und zu schützen - da kann man als Gentleman schwer absagen. Vor allem, weil als "Shaikan" magisches Drachenblut durch eure Adern fließt, so dass ihr Freunde wiederbeleben und aus weiter Entfernung zu euch rufen könnt. Wenn sich ein Trend durch dieses Spiel zieht, dann der des größtmöglichen Komforts und der radikalen Vereinfachung. Dass diese Service-Medaille zwei Seiten hat, wird sich später zeigen. Jetzt zurück zu eurer Rolle: Keiner vertraut euch, aber alle respektieren euch. All das sind Schlüsselqualifikationen, die euch dazu prädestinieren, eine Armee aus Menschen, Zwergen und Elfen zu organisieren, um der Bedrohung zu trotzen.

Vor der langen Reise aus dem Grenz- ins Kernland steht die Geburt eines Helden. Ihr bastelt euch einen männlichen oder weiblichen Charakter, wählt ein Porträt und legt los. Moment: Gibt es keinen Gesichtseditor? Nein. Keine Klassenwahl? Nein. Keine Attribute? Nein. All diese Möglichkeiten der Individualisierung sucht man vergeblich. Rollenspieler werden auch vermissen, dass man sich kein Volk aussuchen kann, obwohl die Welt von Eo vom Zwerg über den Ork bis zum Dunkelelfen alles aufbietet, was die Fantasy zu bieten hat. Das ist schade, aber andererseits kann die Story so ihre Linie halten, denn es geht letztendlich um einen Konflikt zwischen den Rassen, in dem die Shaikan eine Schlüsselposition einnehmen. Außerdem trifft man unterwegs einige Abenteurer, die sich euch anschließen. Die anonymen Runenkrieger des Vorgängers sind zwar passé, aber dafür werden Veteranen einige vertraute Figuren treffen.

Freie Fantasy-Karriere

Die fehlende Wahl eines Volkes wird man leichter verschmerzen als das Wegfallen jeglicher Charakterattribute. Trotzdem habt ihr eure Karriere bis zum finalen Level 30 in der Hand und könnt viel Feintuning ansetzen: Ihr formt euch aus über 100 Fähigkeiten einen Recken nach Maß, der dann irgendwann an die 30 Talente vereint - hier sind quasi alle Berufe möglich, vom Magiespezialisten über den schwer gepanzerten Ritter bis hin zum wendigen Allrounder mit Bogen. Bei jedem
Euer Held kann übersichtlich in den Bereichen Kampf und Magie die Karriereleiter erklimmen. Bei Level 30 ist Schluss.
Aufstieg könnt ihr Punkte auf beliebige Fähigkeiten verteilen, die euch neue Hiebe und Sprüche verleihen. Komfort und Übersichtlichkeit sind Trumpf: Man levelt nur noch in den Bereichen Magie und Kampf. Dieses System erinnert in seiner Einfachheit an WarCraft 3 & Co und wird vor allem Einsteigern entgegen kommen. Rollenspielpuristen dürfte dieses Diablo-Prinzip allerdings zu oberflächlich sein, denn es fehlen Eigenschaften wie Intelligenz, Stärke oder Charisma.

Vielleicht würde dieses Helden-Mikromanagement aber auch nur aufhalten. Immerhin ist es bis zum Ziel ein weiter Weg. Ein sehr weiter Weg, denn SpellForce 2 (SF2) kann es in Sachen Umfang locker mit allen ausgewachsenen Rollenspielen aufnehmen und so manches toppen: Am besten plant ihr einen ganzen Monat für dieses epische Abenteuer in drei Kapiteln ein, wenn ihr zwei Stunden pro Tag investiert. Und in der Zeit gibt es jede Menge zu sehen und zu erleben - über Tage in Wäldern, Schluchten und Steppen, unter Tage in den verwinkelten Dungeons bei den Zwergen. Die Quests mögen nicht gerade anspruchsvoll sein, aber ihr entdeckt die landschaftliche Pracht Eos und habt viel zu tun:  Ihr sucht Vermisste mit einem Spürhund, bedient jede Menge Schalter, öffnet wichtige Tore, schließt welche zur Unterwelt, schützt Karawanen, beruhigt unruhige Geister, löst Farbenrätsel und bringt jede Menge Artefakte und Notizen von A nach B. All das lockert den Abenteueralltag auf und verleiht dem Spiel den bitter nötigen Rollenspielcharakter. Manche Nebenquest entpuppt sich dabei sogar als permanente Herausforderung: Ihr befreit einen Landstrich erst von der Dämonenplage, dann dürft ihr als Verwalter eine neue Siedlung aus dem Boden stampfen und sie während des Abenteuers immer wieder pflegen.

Echte Spielefresser mit Nonstophunger werden damit knapp 60 Stunden beschäftigt - mit einigen kreativen Höhen und einigen stupiden Tiefen. Und wie immer gilt: Wer nur dem Hauptpfad folgt, ist natürlich schneller durch und kann dem dunklen Pakt etwas früher zeigen, wo der Hammer hängt. Allerdings ist der mit einer Vielzahl von Nebenquests gepflasterte Weg dahin zwar immer ansehnlich, abwechslungsreich und üppig, aber nicht immer spannend, mitunter sogar steinig und eintönig. Wer kein Problem damit hat, einen 1000-seitigen Fantasyschmöker voller Kitsch und Pathos zu verspeisen, wird auch hier auf seine Kosten kommen. Kein großes Kino, kein echtes Drama, aber unterhaltsam.
                       

Kommentare

Help schrieb am
Überaus löblich, wie sich 4Players nicht von Hype anstecken und durch deutsche Entwickler zureden lässt. Die Bewertung passt zur internationalen Meinung:
http://www.gamerankings.com/htmlpages2/ ... lforce%202 Durchschnitt: 80 %
während die deutsche Jubelpresse http://www.pcgamesdatabase.de/gameinfo.php?game_id=1751 durchschnittlich 88,1 % vergab (wäre 4Players herausgerechnet, wäre der Schnitt wohl über 90 %).
Auch hier sieht man mal wieder, wie deutsche Entwickler und die Werbepresse, getarnt als seriöse Konsumentenberater, die Leser veräppeln.
Bravo 4Players :)
johndoe-freename-102382 schrieb am
Ach, Spellforce ist toll. Allerdings vor allem als irre langer Kinofilm, der mit Effekten, Details und viel Liebe zum Spiel herkommt.
Für ein Strategiespiel sind die Animationen wirklich schick, besser als in Oblivion dazu auch noch.
viel zu entdecken, viel zu sehen und wer mal von Supreme Commander oder CoH eine Verschnaufpause braucht (weil, nennen wir es so, die beiden Titel sind anstrengend), ist mit diesem Teil immer gut bedient.
Und wann hatte ein Spiel das letzte Mal 60 Stunden Spielzeit? Bei mir wars Oblivion, allerdings nur dank der Fangemeinde, die immer wieder neue, tolle PlugIns brachte
luckylefti schrieb am
Ach ist das wieder schön. 11 Seiten um darüber zu diskutieren ob was stimmt oder nicht. Es leben die Foren!
johndoe-freename-79054 schrieb am
Zum Beispiel hat der Tester ganz offensichtlich auch noch nie was von der "Folgen"-Funktion gehört, die das Problem der unterschiedlichen Fortbewegungsgeschwindigkeiten eliminiert und dafür sorgt, dass genau die Einheiten zuerst ankommen, die man auch vorn haben will. :lol:
Naja, ich bin jetzt schon ein ganzes Stück im Spiel fortgeschritten und meine Meinung über den Test bestätigt sich. Ein paar Punkte (z.B. Wegfindung) sind auf jeden Fall kritikwürdig, im großen und Ganzen kann man den Test aber wieder knicken.
schrieb am