Betrunkener VideospielheldWie oft erlebt man einen total besoffenen Videospielcharakter, der gleich zu Beginn aus seiner Lieblingskneipe torkelt und einem Passanten vor die Füße reihert? Nun, Conker ist genau so ein Typ. Und wer bisher dachte, Eichhörnchen wären putzige und süße Tierchen, wird schon bald eines Besseren belehrt, denn Conker teilt sowohl verbal als auch mit seinem Baseballschläger kräftig aus und hält sich mit zynischen und mitunter
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Dieser große Typ hat unter seinem Lendenschurz ein kleines Problem... |
auch schlüpfrigen Kommentaren nicht zurück. Kein Wunder also, dass ihr in den Dialogen sehr oft anstatt "Fuck" und anderen derben Schimpfwörtern einen Piepston zu hören bekommt, mit dem die oft übertriebene Zensur auf die Schippe genommen wird. Überhaupt scheinen die Entwickler nicht viel von Tabus zu halten und ziehen so ziemlich alles und jeden durch den Kakao, egal ob es sich dabei um eine Terminator-Persiflage mit typischem Arnie-Akzent oder einen Arien singenden Kothaufen handelt, dessen stinkendes Maul ihr einfach mit Klopapierrollen stopft, während Fürze in Dolby Digital Raumklang aus den Boxen schallen. Vor allem die vielen zum Teil abgedrehten Bosskämpfe und witzigen Dialoge zeichnen den Titel aus, der vor Abwechslung nur so strotzt. Gleicht das Gameplay zu Beginn noch einem bunten Jump and Run mit vielen Hüpfpassagen, wandelt sich das Spiel gegen Ende zum waschechten 3rd-Person-Shooter: Mit einem MG im Anschlag metzelt ihr in einem an Soldat James Ryan angelehnten Normandie-Szenario Tediz nieder oder stattet im passenden Lederoutfit der berühmten Eingangshalle des ersten Matrix-Films einen Besuch ab, wo ihr ebenfalls alles in Schutt und Asche legt – in Bullet-Time versteht sich! Leider können die Standardgegner bei den genialen Obermotzen nicht mithalten: Vor allem die neue, stachelige Gegner-Spezies ist äußerst nervig, da sie sich bei einem Angriff zusammenkugelt. Die Kämpfe gegen solche und andere Zeitgenossen sehen in der Regel so aus, dass ihr mit eurem Baseballschläger vorstürmt und zuschlagt, dann schnell zurücksetzen müsst, bevor der Verteidigungsmechanismus der Gegner einsetzt. Ist diese Phase vorüber, könnt ihr wieder angreifen etc. Teilweise müsst ihr die Feinde drei bis vier Mal treffen, was schnell langweilig werden kann. Glücklicherweise trifft man diese nervigen Standardtypen nicht allzu häufig im Spiel an oder kann ihnen oft genug auch einfach aus dem Weg gehen. Wie bei der Vorlage müsst ihr natürlich auch beim Remake auf die kontextsensitiven Knöpfe nicht verzichten, deren Konzept euch gleich zu Beginn in einer urkomischen Unterhaltung mit der angetrunkenen Vogelscheuche Birdy näher gebracht wird. Wer das Original nicht kennt, wird öfters Orientierungsprobleme haben: Die Welt ist offen konzipiert, doch bekommt ihr mit fortschreitendem Spielverlauf Zugang zu neuen Areale, die zuvor nicht zugänglich waren. Allerdings wisst ihr manchmal nicht so recht, was genau ihr eigentlich machen müsst, um weiter zu kommen und irrt planlos durch die Gegend.
Mächtig aufpoliertHalten sich die Neuerungen beim Gameplay bis auf minimale Veränderungen in Grenzen, wurde der N64-Klassiker grafisch mächtig aufpoliert und erstrahlt auf der Xbox in neuem Glanz. Die zumeist bunte Umgebung bietet viele kleine Details, die Wassereffekte sehen großartig aus und an Conkers Fell kann man die Haare fast
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Diese neuen, stacheligen Gefährten können ganz schön nervig sein. |
einzeln zählen. Leider fordern die imposanten Kulissen ihren Preis und so gerät das Geschehen gelegentlich ins Ruckeln. Auch ploppen immer wieder kleinere Objekte wie Blumen ins Bild, so dass trotz der insgesamt enormen Weitsicht der Grafikaufbau mit bloßem Auge wahrgenommen wird. Auch die Kamera fängt das Geschehen nicht immer optimal und zeigt sich selbst bei der manuellen Korrektur oft recht störrisch – so etwas sollte bei heutigen Titeln eigentlich nicht mehr passieren, vor allem, wenn der Entwickler Rare heißt. Im Soundbereich gibt es dagegen gar nichts zu meckern: die englische Sprachausgabe ist allererste Sahne und auch die interaktiven, oft locker-flockigen Jazz-Stücke passen sich der Umgebung perfekt an. Lauft ihr z.B. gerade an einem Bienenstock vorbei, wird die Hauptmelodie plötzlich "gesummt", während ihr in der schon erwähnten Matrix-Sequenz von hammerharten Techno-Klängen begleitet werdet, die wie die vertrauten Terminator-Klänge an das filmische Vorbild angelehnt sind.