Vorschau: Imperial Glory (Taktik & Strategie)

von Jörg Luibl



Imperial Glory
Entwickler:
Publisher: Eidos
Release:
20.05.2005
kein Termin
Spielinfo Bilder  
Pulverdampf und Musketen, Husaren und Kanonendonner - Imperial Glory versetzt euch in die Zeit der großen Feldherren. Wer Napoleon, Blücher und Wellington bisher nur in Buch und Film erlebt hat, darf in knapp zwei Wochen auch virtuell mit den Gentlemen Bekanntschaft schließen. Es geht nicht nur um geschickte Winkelzüge in den Bereichen Handel und Diplomatie, sondern auch um handfeste Kriegstaktik!

Waterloo Reloaded

Es regnet. Nebel zieht über reife Felder. Irgendwo in knapp achthundert Metern Entfernung haben sich die Engländer auf einer Anhöhe postiert - eine breite rotweiße Schlange aus Haubitzen, Infanteristen und Kavallerie. Wer nah ranzoomt, kann die weißen Kreuzriemen der Guards, den dunklen Tartan der Black Watch oder die polierten Bronzehelme der berittenen Lifeguards erkennen. Die Landschaft wirkt angenehm natürlich und in den Maßstäben authentischer als Rome: Total War : Bäume, Höfe und umherstreifendes Wild überzeugen mit glaubwürdigen Größenverhältnissen.

Vor der Schlacht von Waterloo: Ihr habt die Wahl, die angreifenden Franzosen oder die verteidigende europäische Allianz zu spielen.
Aber was ist das? Zwei Highlander-Regimenter stürmen im Laufschritt vor und besetzen strategisch wichtige Höfe. Kurz darauf schauen Schotten mit geladenen Gewehren aus jedem Fenster. Dann rücken die Grenadier Guards nach und beziehen Linien-Stellung. Wellington hat seine Karten ausgespielt und gleich drei Trümpfe in der Hand: erhöhte Sichtweite, zwei Gebäude und die Kanonen stehen perfekt. Erst mal pausieren und nachdenken.

Was nun, Napoleon? Wir befinden uns im Jahr 1806, irgendwo in einem kleinen Kaff namens Waterloo, in einer der historischen Schlachten von Imperial Glory. Auch Austerlitz, Friedland und Salamanca könnt ihr am 20. Mai einzeln nachspielen oder euch auf einer Europakarte als Herrscher von Preußen, Russland, Österreich, England oder Frankreich über Jahre hinweg beweisen. Ähnlich wie in der Total War-Reihe dürft ihr euer außenpolitisches Geschick rundenbasiert auf einer riesigen Karte beweisen, Allianzen schmieden, Handel treiben oder Kriege erklären. Ob hier die Spieltiefe des antiken Vorbilds erreicht wird, klären wir im Test.

Zunächst zurück zum kleinen Franzosen und der Kampftatktik: Was könnte er machen? Vielleicht das hier: Lanziere und Husaren an die Flanken schicken - sie sollen die Briten von den Seiten aufreiben. Drei schwere Haubitzen hintereinander auf ein Gebäude ausrichten - sie sollen die Verschanzten zermürben. Und die kaiserliche Garde langsam vorrücken lassen, bis sie in Schussweite kommt! Hört sich gut an…

Blutiger Realismus

…endet aber im Fiasko. Als die Schlacht entbrennt, passiert Folgendes: Meine Kavallerie wird erst von einer Salve britischer 6-Pfund-Kanonen durchgeschüttelt, die mindestens ein Dutzend Mann aus dem Sattel reißt. Kurz bevor der galoppierende Rest mit wirbelnden Säbeln und vorgehaltenen Lanzen den Feind erreicht, bildet dieser eine viereckige Igelstellung mit gezückten Bajonetten - statt den Gegner nieder zu reiten, prallt mein kläglicher Ansturm ab, bevor meine Reiter in einem wilden Hauen und Stechen untergehen. Was macht die Artillerie? Meine Haubitzen haben zwar nach zwei Probeschüssen das Gebäude getroffen, aber leider auch meine davor platzierten Infanteristen - argh! Hohe Verluste auch hier. Und meine Garde? Kommt gerade in Reichweite der Gebäude und wird gnadenlos von den Schotten zusammen geschossen.

Angenehme Braun- und Grüntöne sowie sanfte Hügel, Wild und Bäume sorgen für sehr ansehnliche Landschaften.
Das sieht schlecht aus? Richtig, die Schlacht habe ich dilettantisch verloren. Wer in hektischer C&C-Manier vorgeht und am liebsten per Lassomethode alles schnell auf den Feind hetzt, wird schnell zu Musketenfutter verarbeitet. Imperial Glory spielt sich herrlich realistisch und gnadenlos - Taktiker werden ihre Freude haben: Kanonenkugeln fliegen ballistisch korrekt und nehmen keine Rücksicht auf Freund und Feind. Wer z.B. drei Haubitzen hintereinander positioniert und feuern lässt, wird die zwei vorderen zu Brei schießen. Also gilt es, die Feuerrichtung und die auf Tastendruck sichtbare Reichweite seiner Truppen immer im Auge zu behalten, um böse Überschneidungen zu vermeiden und möglichst effektive Schusslinien zu beziehen.

Motivierende Feldtaktik

Jede Einheit hat andere Reichweiten sowie Nah- und/oder Fernkampfwerte, kann aufsteigen und durch technische Erweiterungen im Diplomatiemodus Boni gewinnen. Es gibt mit der Kolonne zum Marschieren, der Linie zum Schießen und dem Viereck zum Verschanzen zwar nur drei Formationen, aber die haben direkte Auswirkungen und werden auch vom Gegner sehr gut genutzt. Die KI formierte sich in unseren Probeschlachten vorbildlich zum Kavallerie brechenden Viereck oder stoppte ihrerseits den Sturm der eigenen Reiter, wenn wir uns mit Bajonetten im Pulk verschanzt hatten. Gerade aufgrund dieses klugen Gegnerverhaltens unterhalten die Gefechte auf anspruchsvollem Niveau.

Verbesserungsvorschläge

Gemetzel mit Säbel: Das Hauen und Stechen wird zwar nicht auf brachialem Warhammer-Niveau, aber über viele Nahkampfanimationen inszeniert.
Allerdings gibt es offene Wünsche und kleine Macken im Detail: Im Vergleich zu Rome: Total War ist in Imperial Glory ein noch ruhigerer Mausfinger gefragt, denn während der Pause sind keine Befehle möglich, so dass immer ein Hauch von Hektik mitkämpft. Dazu trägt auch das Zeitlimit bei, das euch nicht unbegrenzt manövrieren lässt. Das erhöht natürlich den Nervenkitzel, kann aber auch zu Fehlklicks und Chaos führen. Im Test werden wir vor allen Dingen den Seegefechten auf den Zahn fühlen, denn auch hier gilt: nur das Umschauen ist möglich, aber kein Befehl in der Pause. Da man teilweise mehrere Schiffe gleichzeitig manövrieren, die Breitseite ausrichten und aus einigen Munitionstypen auswählen muss, könnte das knifflig werden.

Schade ist, dass die Kavallerie keine Keil-, Flanken- oder Umzingelungsmanöver ausführen kann. Innerhalb von Gebäuden hat man zudem keine Möglichkeit, nur eine Seite für das Feuern zu bestimmen wie z.B. in Ground Control 2 - eure Einheit besetzt immer Fenster und Türen aller Himmelsrichtungen mit Männern, obwohl vielleicht im Süden niemand zu sehen ist. Hier hätte ich mir etwas mehr Flexibilität gewünscht, denn der Rundumschutz ist taktisch nicht immer sinnvoll. Etwas ärgerlich ist auch, dass sich die postierten Linien im Feuergefecht manchmal automatisch zum Feind hin ausrichten und keine Richtungsdisziplin bewahren, so dass sie plötzlich für Attacken von der Seite anfällig werden. Insgesamt hinterlässt das Taktieren im Feld jedoch nicht zuletzt aufgrund der historischen Kulisse und der wuchtigen Musikuntermalung, die immer wieder von zackigen Befehlen oder Hurra-Schreien in den Originalsprachen begleitet wird, einen guten Eindruck.
        
 

AUSBLICK



Das kann sich doch sehen lassen! Zwar könnte man aufgrund der Ähnlichkeit des zweigeteilten Prinzips aus Echtzeit-Kampf und Rundenstrategie spotten, dass Imperial Glory auch locker als Napoleon: Total War durchgehen könnte, aber wen interessiert das, wenn das Schlachtfeld unter Haubitzenzunder und Kavalleriegalopp erbebt? Und eines hat mich jetzt schon überzeugt: das Truppenverhalten des Gegners. Bisher reagiert die KI sehr gut auf plumpe Attacken, so dass taktische Klasse statt Masse über den Sieg entscheidet. Die Feldschlachten hinterlassen trotz kleiner Macken im Detail einen packenden Eindruck und überzeugen selbst im totalen Zoom noch mit ansehnlichem Handgemenge. Was nach Abklatsch riecht, kann nicht nur aufgrund des napoleonischen Szenarios eigene Akzente setzen: Seegefechte und Strategie im großen territorialen Rahmen dürften auch auf lange Sicht für Unterhaltung sorgen. Unsere Vorschau-Fassung war allerdings noch auf zehn Jahre der nationalen Karriere begrenzt, so dass wir der Innen- und Außenpolitik sowie der Diplomatie erst im Test auf den Zahn fühlen werden. Noch stellt sich die Frage, ob Imperial Glory nur ein kurzer Säbelrassler bleibt oder tatsächlich das Zeug zum europäischen Epos hat. Bis zum Test könnt ihr anhand der Demo selbst nach Antworten suchen!

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