Offene Ohren, zerrissenes Orchester
"Ich konnte gar nicht glauben, dass sie sich für meine Musik entschieden", wundert sich Olivier Deriviere in
unserem Interview noch heute. Was ihn daran zweifeln ließ, dass seine eingereichte Hörprobe beim Entwicklerteam auf offene Ohren stoßen würde? Es ist die
ungewöhnliche Art und Weise, mit der er seine fürs Orchester geschriebenen Arrangements elektronisch zerreißt.
Richtig kaputt ist die Musik nicht. Sie wird aber immer wieder für Sekundenbruchteile unterbrochen, von Störgeräuschen zerkratzt – als wenn ein Tontechniker über die CD kratzt, wenn er gerade nicht an den Lautstärkereglern experimentiert, sie mal schnell runter und hoch reißt, dann wieder langsam zu- und aufdreht.
Gefühl und Gesang
Deriviere variiert die Manipulationen nicht allzu sehr; sein Stil zieht sich vom einführenden "Nilin the Memory Hunter" über das ebenso geheimnis- wie kraftvolle "Neo Paris" bis hin zum abschließenden "Hope". Er setzt allerdings Akzente, wenn er das verzerrte Orchester um einen Synthesizer ergänzt. "Fragments" stützt sich sogar fast ausschließlich auf die Elektronik und könnte als Single-Auskopplung über popkompatible Tanzflächen schwirren.
Dabei könnte das Orchester seine Wirkung auch ohne Nachbearbeitung und Ergänzung entfalten: Deriviere komponierte einen mal über schnelle Streicher fließenden, mal wehmütig zurückblickenden Soundtrack. Vereinzelter Gesang scheint immer wieder den
HörprobenOlivier Deriviere bietet auf seiner Webseite
zahlreiche Auszüge zu allen Titeln aus Remember Me sowie zu weiteren seiner Soundtracks an, darunter das ebenfalls hörenswerte Obscure 2 und Of Orcs & Men.
Menschen zu rufen, der in dem Spiel mit der Erinnerung als biologischer Datenträger missbraucht wird. Den emotionalen Höhepunkt setzt schließlich "Our Parents", das ohne erkennbare Verzerrungen auskommt.
Das Markenzeichen der Musik bleibt immer das Wegdrücken, das Übertönen, das Stören des Orchesters, dessen Streicher actionreiche Spannung sehr schwungvoll und Gefühle glaubwürdig einfangen. Starker Hall und die deutliche Präsenz von Synthesizers und elektronischer Percussion unterstreichen die Wandlung etwas Organischen in ein etwas digitales Medium. Über die Dauer fehlt Olivier Derivieres Soundtrack Abwechslung und ein wenig kompositorische Finesse. Der Komponist erschafft allerdings einen außergewöhnlichen Klang, der dem Namen des Spiels alle Ehre macht!
Einschätzung: sehr gut