Test: Deadly Premonition (Action-Adventure)

von Benjamin Schmädig



Entwickler:
Release:
12.11.2010
kein Termin
26.04.2013
Erhältlich: Digital (Steam, GOG)
Spielinfo Bilder Videos
Aus Mangel an Vergleichen

Und irgendwie beginnt man unter dem Einfluss der detailversessenen Anspielungen die Lücken im Aufbau dieser wackeligen Theaterbühne zu übersehen. Man findet sich damit ab, dass sich Autos - aus Mangel an Vergleichen - wie schwammige Putzlappen bewegen. Man geht nicht mehr davon aus, dass Landkarten bequem lesbar sein müssen, sondern verdenkt sich in die unhandliche Übersicht hinein. Man übersieht auch, dass einige Figuren nicht nur verquere Sätze sprechen, sondern sich wie starre Roboter bewegen.
Es hieß übrigens erst »Rainy Woods«, woraus später »Deadly Premonition« werden sollte. Warum? Im Echo auf den ersten Trailer anno 2007 fiel sehr häufig der Name »Twin Peaks«.

Die Entwickler wollten eine so starke Ähnlichkeit aber vermeiden - und steckten deshalb zusätzliche Entwicklungszeit in das Spiel. Heraus kamen inhaltliche Änderungen, ein neues Gesicht für den Protagonisten sowie zusätzliche Sprachaufnahmen.
Man überhört sogar, dass sich die wenigen Musikstücke ständig wiederholen. Man lässt sich in die Akkorde fallen und darauf ein, dass Deadly Premonition schlecht gemacht - aber verdammt gut gedacht ist.

Natürlich muss York geradewegs zum angezeigten Ziel fahren, damit die Geschichte weiter geht. Ob er das aber zur vorgegebenen Zeit des aktuellen Tages erledigt oder am nächsten, bleibt ihm überlassen. Vielleicht erkundet er lieber in aller Ruhe - die Vehikel rollen mit sehr gemütlichen 100 bis 150 Kilometer pro Stunde - die Umgebung. Was hat es mit den Gebeinen auf sich, die in Greenvale und Umgebung verstreut sind? Was steckt hinter dem traurigen Geist im Tunnel? Oder ist es an der Zeit, etwas zu essen? Er könnte einen Fisch angeln oder im Hotel speisen. Sollte er mal wieder den Dreitagebart rasieren oder gar im Kaffee lesen? Hunger, Müdigkeit und Gesundheit spielen eine wichtige Rolle im Alltag des FBI-Manns. Denn kommt er seinen Grundbedürfnissen nicht nach, verliert er Kraft. Schläft er, nimmt sein Hunger zu. Entweder schaut er deshalb rechtzeitig im Hotel vorbei oder kauft Vorräte wie Kaffee und Plätzchen. Man muss nicht eilig nach etwas Essbarem suchen - man teilt sich den Tag einfach entsprechend ein.

Geld erhält Morgan beim Erforschen seiner Umgebung; Sammelkarten sind besonders ertragreich. Außerdem lohnt sich jede investigative Arbeit wie das Spähen durch Fenster oder das Beobachten der Umgebung durch die Ferngläser am Aussichtspunkt. Wirklich sinnvoll ist das selten, der Atmosphäre tut es aber gut. Wechselt York seinen Anzug nicht rechtzeitig, schwirren außerdem Fliegen um den Ermittler; 24 Stunden dauert es, wenn er seine Kleider in die Wäsche gibt. Erschreckend, aber diesen alltäglichen Trott vermittelt Deadly Premonition sogar besser als die Rockstars der offenen Welt. Das verschlafene Nest ist keine Metropole und dass man das an Land und Leuten spürt, ist viel wert! Nur nachts - bei Nacht bricht hier die Hölle los...

Rainy Woods

Und dann ist da die Legende vom Regen. Es gießt in Strömen. Ein Tastendruck und die Scheibenwischer des Polizeiwagens schalten von langsam auf schnell. Blinker setzen, links abbiegen, in drei Minuten sollte York am Ziel sein. Die verheißungsvolle Ruhe wird nur unterbrochen, wenn er auf Knopfdruck mit Zach oder seinen Mitfahrern spricht. Wenn es regnet, versinkt das träge Greenvale in einer unheilvollen Lethargie, denn die Einwohner fürchten sich vor einer uralten Legende.
Spielerisch und technisch ist Deadly Premonition ein echter Horror. Atmosphärisch setzt es allerdings markante Zeichen!
Im Regen bleibt die Schule geschlossen, die Menschen in ihren Häusern. Alle wissen um das Schicksal, das über dem Ort lauert. Doch wer weiß etwas von dem Mord an Anna Graham? Agent Morgan sucht am Tatort nach Hinweisen, er befragt die Einwohner. Erst wenn er im Rahmen der Handlung alleine ist, umschließt ihn plötzlich eine Wand aus rotem Gestrüpp. Dann weiß Morgan: Sie sind hier.

Dann hilft ihm auch die gute Atmosphäre nichts; dann muss er auf verkrampften Füßen und mit sperrigen Waffen durch einförmige Horrorschläuche laufen, die jedes zeitgemäße Spiel um gefühlte Dekaden unterbieten. Hier einen versteckten Schalter, da ein Ersatzteil finden. Neben der Dienstpistole kommen natürlich größere Kaliber sowie mächtigere Schlagwaffen hinzu. Wichtig ist die sinnvolle Zusammenstellung der Ausrüstung, weil die Stellfläche im Rucksack begrenzt ist. Das macht die furchtbar trägen, unübersichtlichen Kampfkapitel freilich kaum erträglicher. Einen spannenden Kampf erlebt man nur dann, wenn das Spiel unvermittelt mehrere Geister vor Morgans Nase setzt. Leider ringt man dann hauptsächlich mit der Steuerung. Ehrlich spannend sind hingegen Momente, in denen sich Morgan verstecken und die Luft anhalten muss. Ebenso Reaktionstests, in denen der Geisterjäger den Kampf mit einem starken Gegner nur dann überlebt, wenn man im richtigen Augenblick die angezeigten Tasten drückt. Letztlich ist das einzig wirklich Gute an diesen Labyrinthen allerdings die Gewissheit, dass man ihnen irgendwann entkommen wird, um sich wieder in die Gelassenheit des mysteriösen Greenvale fallen zu lassen.     

Kommentare

James Dean schrieb am
Ich habe es gerade angespielt und muss sagen: Spiel des Jahres 2013 nachträglich. Das ist so dermaßen trashig und gleichzeitig so verdammt unterhaltend aufgebaut, dass das schon wieder unglaublich ist. Allein beim Prolog und den Intros habe ich mich weggeschmissen vor lachen, weil sich das Spiel absolut nicht ernst nimmt. Scheiß auf die alte Technik, die passt dazu sogar wie die Faust aufs Auge, das war damals bei Call of Cthulhu - Dark Corners of the Earth so. Hoffentlich gibt es in (am besten naher) Zukunft noch mehr solcher Spiele.
Ernesto Heidenreich schrieb am
Mich hat das Spiel seinerzeit gut unterhalten.
Ich wünsch dir viel Spaß.
mr archer schrieb am
Hach, das installiere ich mir jetzt von gog.com für den Rechner! Nachdem ich gerade Alan Wake zum dritten Mal durchgespielt habe, brauche ich mehr amerikanische Kleinstädte, mehr Twin Peaks, MEHR! Ich freu mich.
7yrael schrieb am
Inari hat geschrieben:Ich habe mir die 20 (?) Stunden Game One "knallhart durchgespielt: deadly premonition" angeschaut. Selber spielen könnte ich das Spiel nicht, aber es hatte einen heiden Spaß gemacht zuzuschauen.
Meine Wertung vom Spiel: ganz klar "zwanzighundertprozent". Es ist sowas von grotten schlecht teilweise (20%), dass ich mich gefragt habe, ob die Entwickler unfähig sind oder absichtlich so einen Mist zusammengeschraubt haben (Fahrphysik, Charakterbewegungen, 4 Gegner im ganzen Spiel, Dialoge die an Lächerlichkeit kaum zu überbieten sind, eine offene Welt ohne Sinn, gegen Ende das stundenlange "Gassi führen", ....). Gleichzeitig war die Story aber genial, die Soundkulisse abgefahren seltsam (der Whistle Song, :lol: ), die miesen Dialoge an F-Movie-Witzigkeit kaum zu überbieten ("... , so says Mr. Stewart."), und auch die lächerlichen Kommentare von Francis York Morgan an Zack wirken sehr skuril. Das wichtigste in diesem Spiel, die Athmosphäre, hat mich dann aber trotz der "open world downtimes" immer wieder gepackt und ich habe bis zum Ende mitgefiebert. Ich hatte mir die 20 Stunden in 3 Tagen angeschaut, weil ich immer wissen wollte wie es weitergeht. Den en Killer hatte ich bis zum Ende falsch eingeschätzt. Einer meiner 4 Schätzungen hatte tatsächlich mit dem Raincoat Killer zu tun, die anderen nicht. Das ist für ein Spiel, das von der Unvorhersehbarkeit lebt, ein sehr gutes Zeichen. Daher klare 100%.
Insgesamt eindeutig eine "zwanzighundertprozent" Wertung von mir. Mein Tip wäre aber: spielt es nicht, schaut es euch auf Game One an. Dann kommt ihr aus dem Lachen nicht mehr heraus, dafür aber um die grausamen GTA-Autofahrten und die Steuerung herum.
Genau so ist es. Zusammen mit den Vögeln von GameOne ein absoluter Genuss, aber wäre für mich aufgrund der technischen Mängel leider absolut unspielbar.
schrieb am