Eiskaltes Diablo
Zuerst etwas Erklärendes: Vikings – Wolves of Midgard hat nichts mit dem 2008 auf 360 und PS3 veröffentlichten Viking: Battle for Asgard zu tun. Es ist weder eine Fortsetzung noch erzählerisch daran angelehnt. Zwar bedient man sich natürlich ähnlicher mythologischer Elemente. Doch Wolves of Midgard sieht sich voll und ganz in der Tradition der Blizzard’schen Teufelsjagden. Das Abenteuer des Helden beginnt sogar frappierend ähnlich wie das der Retter Neu Tristrams in Diablo 3: Man steht vor den Ruinen seines belagerten Dorfes und muss es zurückerobern. Doch waren es bei Blizzard Untote, die die Stadt heimsuchten, sind es hier Wesen aus der nordischen Mythologie, die als erzählerische Basis genutzt wird. Nachdem man die Tomte sowie Jötnar erledigt und die beiden wichtigsten Dorfbewohner (Schmied und Skaldin) gerettet hat, geht das Schnetzel-Abenteuer aber erst richtig los, das einen etwa 25 bis 30 Stunden beschäftigen kann. Als Anführer der Gemeinde, die man nach und nach wieder errichtet, während man die einzelnen Händler durch den Einsatz erbeuteter Rohstoffe wie Holz und Eisen aufwertet, reist man nicht nur durch frostige Gebirgszüge. Man nimmt die Dörfer verfeindeter Stämme ein und kämpft sich durch düstere Schlammgebiete, nimmt an idyllischen Sandstränden Krabben und Invasoren auseinander und begibt sich sogar in die Unterwelt, um dort gegen Sagengestalten anzutreten.
Die Gefechte sind nicht zimperlich.
Die Kulisse zeigt sich dabei größtenteils sauber und abwechslungsreich, setzt dabei jedoch auf eine feste Kameraposition. Gerät man in seltenen Momenten mit dem rudimentär personalisierbaren Helden bzw. der Heldin hinter Bereiche der Levelgeometrie, wird die Position mit einem blauen Schatten angezeigt. Allerdings scheint die Xbox-One-Version in einer kleineren Auflösung dargestellt zu werden, die auf 1080p hochskaliert etwas verwaschener aussieht als auf der PS4 oder der PS4 Pro. Dass es trotzdem vor allem auf der One (aber auch gelegentlich auf der PS4 Amateur) zu Bildrateneinbußen kommt, ist bedauerlich. Denn unter dem Strich rechtfertigen auch die mitunter ansehnlichen Effekte in den großräumigen, aber letztlich linearen Abschnitten diese Probleme nicht. Die verwendete Unity-Engine kann theoretisch mehr leisten. Eine interessante Randnotiz: Obwohl die Wikinger zwar ordentlich hinlangen, aber hier für mein Empfinden nicht mehr oder weniger Gore an den Tag gelegt wird als z.B. in Reaper of Souls, findet sich eine USK-Freigabe „Ab 18“ auf der Packung. Von einem Hack&Splatter kann aber nicht die Rede sein – doch vielleicht hatte ich angesichts der Altersfreigabe nur mehr Gewalt als die hier dargestellte erwartet.
Solide mit guten Ideen
Man erforscht auch düstere Abschnitte, die teils mit Umgebungsgefahren wie Gift aufwarten.
Bei der Figurenentwicklung zeigt sich Vikings ebenfalls sehr solide. Der Held kann sich in sehr übersichtlichen und jeweils an die Waffenart gebundenen Fähigkeitsbäumen mit bis zu fünf aktivierbaren Fähigkeiten sowie zahlreichen passiven Boni ausrüsten. Es gibt zwar fünf Götter, die mit der Bewaffnung (Zweihand, Bogen, Stab, Dual, Einhand/Schild) verbunden sind, doch da man nur zwischen zwei Waffensets umschalten darf, sollte man sich auf zwei Bäume konzentrieren. Ein Tausendsassa lässt sich auch deswegen schon schwer erstellen, da man bei jedem der schwer zu erarbeitenden Figurenaufstiege nur zwei Punkte bekommt, die man auf die Fähigkeiten bzw. Boni verteilen darf. Diese sorgen trotz Ähnlichkeiten für angenehme Unterschiede zwischen den Kämpfern. Klar: Der Bogenschütze versucht natürlich, seine Feinde gar nicht an erst an sich herankommen zu lassen, während der Zweispezialist sich in einer Gegneransammlung dank seiner Bereichsangriffe am wohlsten fühlt. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass die Fähigkeiten mit Abkühltimer zwar gerade bei Kämpfen gegen größere Gruppen klug genutzt werden sollten, die Figur sich aber eher über die Eigenschaften der Ausrüstung definiert.
Die ist, wie man es von anderen Genrevertretern kennt, in Kategorien von gewöhnlich bis einmalig und legendär eingeteilt. Dabei geht es bei der Beute aus den Raubzügen eher um Klasse denn um Masse. Zwar findet sich auch viel unnützes Zeug dabei, das man bei den jeweiligen Händlern auseinandernehmen und in Gold sowie Rohstoff umwandeln kann. Doch von Zeit zu Zeit finden sich hier brauchbare Klamotten, Waffen und Talismane. Und wenn alle Stricke reißen, kann man sich auch im Dorf angenehm potente Ausrüstung anfertigen und mit Runen veredeln lassen – je höher die Ausbaustufe des jeweiligen Schmieds ist, umso höherstufige Ausrüstung ist möglich. Dass man allerdings keine Option zur Verfügung hat, bereits verbaute Runen wieder zu entfernen oder im Eifer des Gefechts „verkaufte“ Ausrüstung wieder zurückzuerstehen bzw. erneut zusammenzusetzen, ist allerdings gleichermaßen gewöhnungsbedürftig wie unverständlich. Diese Komfortfunktionen gehören eigentlich zum guten Ton eines Hack&Slays, wurden hier aber nicht beachtet. Eine Markierung für neue aufgesammelte Gegenstände sucht man auch ebenso vergeblich wie eine Sortierung z.B. nach höchstem Schadens- oder Rüstungswert in den einzelnen Kategorien des Inventars.