Test: Too Human (Rollenspiel)

von Benjamin Schmädig



Entwickler:
Publisher: Microsoft
Release:
29.08.2008
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ab 27,19€
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Der Preis für den Ego-Trip: Ausgelebten Erkundungstrieb strafen die Entwickler mit tödlicher Langeweile. Denn Erkundung findet fast ausschließlich im Cyberspace statt. In den gewöhnlichen Abschnitten sind kleine Ecken, in denen sich eine Hand voll Gegenstände versteckt, noch das höchste der Gefühle. Im Cyberspace findet Baldur hingegen etliche starke Waffen, Rüstungsteile und Runen - wobei der Begriff Cyberspace mit Vorsicht zu genießen ist. Denn so interessant die erzählerische Einbettung des künstlichen Abbilds einer Erde, wie sie vor dem Aufkommen einer allgegenwärtigen Eisschicht war, auch sein mag, so belanglos ist ihre Umsetzung als lebloses Gebirge, in dem Baldur nur in einer Hand voll Filmszenen auf Einwohner trifft: Das mysteriöse Volk der weissagenden Nornen bewohnt diese Welt, in der sich das bevor stehende Unheil ebenso ausbreitet 
Der Cyberspace: Optisch stellenweise wunderschön - spielerisch meist belanglos.
wie in Baldurs Wirklichkeit...

Leere Bühnenbilder

Und wieder vergessen die Kanadier, ihr stellenweise brillantes Bühnenbild inhaltlich auszufüllen. Da brechen gleißende Sonnenstrahlen durch ein im Wind wiegendes Meer blutroter Baumkronen, da wird Baldurs Sicht vom satten Grün eines dichten Waldes verdeckt, in den sich kaum ein Lichtstrahl verirrt - und  nichts geschieht! Eine geschlagene halbe Stunde könnt ihr euch im Cyberspace buchstäblich verirren, sobald ihr gegen Ende des Spiels die Schlüssel zu allen Türen erhalten habt - doch ihr trefft weder Freund noch Feind noch bekommt ihr sonst irgendetwas zu tun. Tatsächlich müsst ihr den virtuellen Raum nicht einmal ausführlich erkunden. Hin und wieder lassen sich verschlossene Türen in der Realität zwar nur öffnen, wenn Baldur den Cyberspace betritt, um dort ein paralleles Tor aufzustoßen. Doch zum Einen verkommen diese ohnehin halbgaren "Rätsel" nach dem ersten Level zum reinen Gehe-in-den-Cyberspace-und-drücke-einen-Knopf und zum Anderen dient der virtuelle Raum vor allem als Sammelstelle für neue Gegenstände.

Wer seine Vorstellung bemüht, entdeckt in der anfänglich harmonischen Welt immerhin die Anfänge von Ragnarök: Ein Cyberspace, in dem sich gigantische Wurzeln quer über den Himmel erstrecken, in dem Bruchstücke des Bodens herausgerissen in der Luft schweben und auseinander fallen und in dem glutrote Felsen scheinbar den Anfang des Krieges vorhersagen, ist eine bildgewaltige Kulisse, in der ihr eurer Fantasie freien Lauf lassen dürft. Gleichzeitig wirkt er aber wie die Momentaufnahme eines großen Einfalls, der nie zu Ende gedacht wurde.

Im Handumdrehen ein Gott

Wer Action sucht und auf die langen Laufwege der virtuellen Erkundung keine Lust hat, findet zum Glück eine kurzweilige Alternative: den kooperativen Mehrspieler-Kloppmist. Hier geht es einzig und allein darum, sich zum Verbessern von Baldurs Fähigkeiten und dem Sammeln weiterer Ausrüstung ins Abenteuer zu stürzen - Too Human erlaubt leider nicht das Fortführen der Handlung für zumindest einen der Spieler, wie es in anderen Titeln längst möglich ist. Ihr beginnt stets nur eine Partie in einem vom Gastgeber gewählten Abschnitt und gelangt anschließend zurück ins Hauptquartier, von wo aus ihr übrigens jederzeit die Kampagne fortsetzen oder einen bereits abgeschlossenen Level noch einmal absolvieren dürft. Abgesehen davon klingt das von Silicon Knights im Vorfeld angepriesene Zusammenspiel der beiden kooperativen Partner nach mehr als es letztendlich geworden ist. Schließlich ist das zuvor beschriebene, kurze Aufwerten einer bestimmten Fähigkeit schon alles, was Too Human in Sachen Mehrspieler-Umfang
Der Fähigkeiten-Dreizack: Jede Charakterklasse bietet drei unterschiedliche Entwicklungswege.
auszeichnet. Natürlich kracht es zufrieden stellend, wenn man sich zu zweit unter die Horden der Robotergegner mischt - das ist allerdings das Mindeste, was ein auf Action getrimmtes Abenteuer leisten muss. Besonders praktisch ist die nur online verfügbare Spielweise natürlich für den schwächeren der zwei Spieler. Denn weil sich die Gegner stets auf der Stufe des stärksten Teilnehmers befinden und nach ihrem Ableben entsprechend viele Erfahrungspunkte wert sind, wird aus einem Level 4-Krieger schnell ein Level 12-Gott.

Im Gegensatz zu anderen Action-Rollenspielen fällt eine echte Identifizierung mit dem gewählten Charakter allerdings schwer. Denn obwohl ihr eurem Baldur eine von fünf Charakterklassen zuweist (Nahkämpfer, Fernkämpfer, Heiler, Verteidiger oder von jedem etwas), habt ihr z.B. anders als in Mass Effect keinen Einfluss auf sein Äußeres. Auch die für jede Klasse mögliche Entwicklung der Fähigkeiten verläuft auf einer der festen Bahnen eines Dreizacks. Im Gegenzug dürft ihr eure auf die Fähigkeiten verteilten Erfahrungspunkte gegen ein erträgliches Entgelt jederzeit zurücknehmen und neu verteilen, und ihr wählt zu Beginn, ob sich euer Alter Ego kybernetisch verändern oder den menschlichen Weg gehen soll. Erzählerisch hat dies leider keine Auswirkungen, spielerisch ändern sich immerhin wenige grundlegende Fähigkeiten im Kampf. Spätestens hier wird deutlich: Silicon Knights will mit einem leicht zugänglichen Mittelweg sowohl Actionfans als auch Rollenspieler zufrieden stellen. Vielleicht ist es ja gerade dieser Kompromiss, wegen dem Too Human irgendwo zwischen Epos und Groschenroman pendelt.  
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Kommentare

Flux Capacitor schrieb am
Auch wenn ich hier eine Leiche aus dem Keller hole! Das Spiel (Und einige anderen) gibt es aktuelle GRATIS im Xbox Store für Xbox One. Wer also nach laaanger Zeit mal reinschnuppern möchte...
Zaifur schrieb am
ich finde das game auch nicht schlecht. der test beschreibt aber auch alle wichtigen stationen, die ein test abdecken sollte. da hab ich andere tests gesehen, wo man schon rausliest, dass dem spiel von vornherein keine chance gegeben wird...
als ich too human dann gespielt hab, hats einen wirklich motiviert und an manchen stellen denkt man "wow das game hatte echt potential"... schade nur dass es nicht konsequent ausgeschöpft wurde.
in den ersten 10-20 minuten fragt man sich noch, ob man wirklich das too human in der box hat, was überall so "schlecht" abgeschnitten haben soll. denn da kommt noch richtig laune auf. da metzelt man einzelne mobs mit coolen air combos nieder oder ballert sie in der luft "haltend" über den haufen.
auch der cyberspace ist atmosphärisch sehr gelungen nur läuft man wirklich "nur" rum hat auch nur rudimentäre interaktionsmöglichkeiten, was einen unvermittelt etwas an ältere nintendo games erinnert (nix gg. nintendo).
aber es gibt leider leider viel zu viele macken und die story ist wirklich sehr "fadig" umgesetzt. vor allem so kurz... man steht am ende noch nicht mal loki gegenüber sondern hel, seiner untoten tochter. silicon knights will ernsthaft ein sequel rausbringen (soviel ich gehört hab, soll sogar eine trilogy entstehen). auf der homepage von silicon knights wird wohl auch händeringend nach neuen leuten gesucht (würd mich ja anbieten aber ich hab keine offiziell veröffentlichten spiele auf meinem cv stehen ;)
naja über diese ganzen macken kann ich ab und zu hinwegsehen aber was mich im allgemeinen an too human gestört hat, war dass man an so vielen stellen den eindruck von einem "unfertigen" spiel vermittelt bekommt.
da brüten die jungs von silicon knights 10 jahre auf dem game und dabei kommt sowas raus? shame on you!!!
trotzdem, das spiel hat was. athmosphärisch sehr ansprechend, grafik geht voll ok und ich war ernsthaft am überlegen ob ichs noch ein 2. mal durchspiele... was ich aber dann doch gelassen hab ;)
GamePrince schrieb am
So, hab mir das Spiel jetzt auch mal geholt.
Hab es inzwischen einmal durch, bin grad beim zweiten Durchlauf und hab gut 20 Std. mit dem Spiel verbracht und ich muss sagen, das Game macht richtig Fun.
Ich hab noch lange nicht genug und es macht mehr Spaß, als z.B. Ninja Gaiden 2.
Die Mischung aus Hack'n Slay und Shooter kombiniert mit der Mischung aus Mytholigie und Sci-Fi ist genial und das Gameplay zündet voll bei mir.
Ich liebe es und bereue den Kauf bzw. den Tausch nicht. ^^
Meine Wertung: 86 %.
Master Chief 1978 schrieb am
70% gehen voll in Ordnung! Habs mir am Releasetag geholt und auch die Demo gezockt! Mir gefällts ich mein SCI - FI und die Nordischen Göttersagen in einem Spiel? Yeah genau mein ding! Ja es ist nicht das beste Spiel aller zeiten und ich denke auch Microsoft hat ein wenig druck bei den Silikon Rittern gemacht damit es endlich kommt. Was mich am meisten stört ist die mit 12 stunden für ein Action - RPG viel zu kurze Spieldauer! Aber das ist bei heutigen Spielen ja des öfteren so! Des weiteren hätte sich Nintendo das Game sicher auch für sich gewünscht! Entwickelt Nintendo eigentlich noch ernsthafte Spiele? Oder werde ich jetzt nur noch mit Wario Wares und so weiter Zugeschmissen?
Kuttentroll schrieb am
@rezman
bei dem Ergebniss kein Wunder das Nintendo nicht weiter mit dem Team Arbeiten wollte.
Eher umgekehrt.... :wink:
schrieb am