Test: Arcania: Gothic 4 (Rollenspiel)

von Jörg Luibl



Arcania: Gothic 4 (Rollenspiel) von JoWooD / Nordic Games
Arcania: Gothic 4
Entwickler:
Release:
15.10.2010
12.10.2010
28.05.2013
08.05.2015
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Auferstanden aus Ruinen? Nachdem JoWooD und Piranha Bytes eine gotische Kathedrale zum Einsturz brachten, sollte die bis dato imposanteste Rollenspielwelt aus deutscher Entwicklung von zwei Teams wieder aufgebaut werden -schließlich ist die Marke eine starke. Während sich die Väter von Diego & Co mit Risen bereits das Siegel unterhaltsamer Routine sicherten, darf jetzt Spellbound zeigen, wie man sich ein Abenteuer auf dem Fundament des großen Namens vorstellt. Ist man mutiger und kreativer als die Konkurrenz aus dem Ruhrgebiet? Kann man der Welt vielleicht eine neue Facette abgewinnen?

Drei Prüfungen für die Liebe

Arcania macht schon im Einstieg auf der Tutorialinsel viele Fehler: Zwangsehe ohne Wahl, Dialoge ohne Esprit und stupide Quests.
Was macht man, wenn man drei Prüfungen für eine Heirat bestehen soll, aber die versprochene Lady gar nicht kennt? Kauft man da nicht die Zicke im Sack? Dabei heißt sie Ivy, was durchaus die üppige Fantasie anregt, sie sieht bis auf ihre seltsame Haltung sowie die grenzdebile Gestik sogar ganz nett aus und fragt mich keck und direkt in den ersten Spielminuten: "Krieg ich einen Kuss?". Es könnte schlimmere Aussichten geben, wenn man gerade aus einem Alptraum erwacht, der mich im Einstieg gegen Untote kämpfen lässt. Aber irgendwie braucht man etwas mehr emotionale Anbindung, um sich für den Schwiegervater wie ein kampfbereiter Hahn in drei erste Quests zu stürzen.

Man fragt sich als frisch geschlüpfter Held nicht in erster Linie, ob das stupide Weghauen von Maulwurfsratten oder das lineare Holen und Bringen irgendwann aufgelockert wird, sondern was das wohl für eine Frau ist und wartet geduldig ab - schließlich ist das ja nur die Tutorialinsel, auf der man mit Ivy und dem Dorf erstmal warm werden sowie die Steuerung lernen soll. Man ist noch geduldig, zumal das Dorf mit seinen gemütlichen Häusern, den beschaulichen Feldern und dem Ausblick auf die Küste mit ihrer Brandung sehr idyllisch wirkt. Man hofft, dass die Story noch die Kapitel aufschlagen wird, die der Liebe ein erzählerisches Fundament geben: Etwa über kommende Dialoge oder Rückblenden, in denen man mehr über sich und seine Beziehung erfährt. Aber da kommt nichts mehr. Man wird einfach weiter in hübscher Kulisse herum gescheucht. Man kann nicht einmal vernünftig mit Ivy reden.

Die idiotische Zwangsehe

Dabei ist die Landschaft so schön - jedenfalls auf dem Rechner, denn auf der Xbox 360 bekommt man aufgrund des Flimmerns, Ruckelns und verwaschener Texturen keine Urlaubsgefühle.
Es gibt auch keine Gespräche oder Szenen, die seltsame Äußerungen des Schwiegervaters wie "Was treibst du hinter meinem Rücken?" erklären würden. Man wird ins kalte "Heirate-Ivy-Wasser" geworfen. Wieso weiß ich z.B. nichts über ihre Schwangerschaft? Wieso ist ein Typ so eifersüchtig, dass er in viel zu modern anmutender Polemik "Du Arschloch, ich mach dich fertig!" ruft? Immerhin freut man sich hier endlich mal über einen Hauch von Emotion. Aber man stiefelt für eine Liebe, die man nicht versteht, wie ein Handlanger um das Dorf herum und wird wie ein dummer Junge von A nach B gescheucht: Los, töte sechs Molerats! Los, geh Goblins jagen! Los, geh Hirsche erlegen! Und warum zückt der Held am Schleifstein ein Schwert, obwohl er noch gar keines im Inventar hat? Warum gibt es nach dieser Animation kein Feedback wie: "Du hast ein noch nicht vorhandenes Schwert schärfer gemacht - es gewinnt +1 Angriffskraft!"

Und wenn man etwas erledigt, dann steht Ivy da, wiederholt ihre hölzerne Gestik und lobt einen mit schnippischen Sätzen wie "Du hast ein paar Goblins getötet? Echt?", während ihr Vater mit Weisheiten wie "Zu meiner Zeit mussten wir Wildschweine mit blutigen Fäusten erlegen!" auftrumpft. Noch besser: Man bekommt tatsächlich neben seinem Hirtenstab
In den Dialogen hat man viel zu selten eine Wahl, wird oft mit stupiden Einzeilern abgespeist. Da ist man froh, wenn Gespräche vorbei sind...
einen "morschen Knüppel" - da freut man sich als junger Mann! Weniger amüsant ist, dass einem kein Schwein hilft, dass es noch nicht einmal einen Kommentar oder das Zücken von Waffen gibt, wenn sich eine Meute Goblins dem Dorf nähert. Die Feinde werden einfach ignoriert, während sie um Ivy herum tanzen, bis sie sich verziehen. War sie nicht Jägerin? Könnte sie den Bogen nicht benutzen?

Obwohl die Entwickler von Spellbound mit einem "Creating Emotions" als Motto werben, versagen sie bei der emotionalen Dramaturgie und vor allem der Gesprächskultur des Einstiegs so deutlich, dass man sich im Zeitalter von The Witcher , Dragon Age & Co fast für das infantile Drehbuch um einen charakterlosen Schönling fremdschämen muss - von den Sprung- und Laufanimationen aus der Sharewaretonne ganz zu schweigen. Aber wichtiger als steifes Gehüpfe ist in einem Rollenspiel die Kommunikation: Ich habe selten so gestelzte, so unnatürlich und steif wirkende Dialoge geführt, die mit all den schrecklichen Einzeilern kaum eine Auswahl an Antworten lassen. Ich konnte zu Beginn keinen Charakter erstellen, ich kann auch später nichts selbst entscheiden oder beeinflussen, ich muss einfach das machen, was man verlangt - gerettet wird dieser schreckliche Einstieg nur von der Landschaft und Diego, der als gut designter Charakter wenigstens etwas Flair und Reife verbreiten kann. Er macht regelrecht Hoffnung auf eine qualitative Entwicklung.
                          
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Kommentare

James Dean schrieb am
Habe das Spiel mal aus Langeweile angefangen, wollte die ungespielten Spiele meiner Steam-Library mal zumindest anzocken. Ich finde es aktuell nicht so schlecht, wie immer behauptet. Das Kampfsystem gefällt mir persönlich besser als das von The Witcher 1 und 2, auch wenn es wirklich sehr simpel ist bisher. Die Welt ist optisch ganz passabel gestaltet, die Synchronsprecher sind auch okay. Schwachsinnig war bereits die erste Quest: 3 Prüfungen für eine Hochzeit, kek. Und natürlich muss es in ein Grab gehen, um einen Dolch zu holen.
Kommt natürlich nicht an Gothic heran, aber es ist so - bisher - ganz nett. Bin aber gespannt, ob ich in ein paar Stunden sagen werde, es sei der größte Mist unter der Erde. Wer weiß, was mich noch erwartet :lol:
Aglitterdrip schrieb am
Habe mir das Spiel günstig bei Ebay reingezogen. Als Müll würde ich es nicht bezeichnen (technisch ist es sehr gut gelungen), aber die Handlung ist gähnlangweilig mit vielen, zum Teil langen Laufwegen. Hole-bringe-zerstöre, und das ohne jegliche Highlights. Nach ca. 8 Std. wurde mir das echt zu dumm. Warum das Leben mit solch sinnlosem Zeugs vertrödeln?
westernhero schrieb am
So - ich habe es mir nun auch angetan... warum, weiß der Teufel.. :)
Das ist inhaltlich so mit ganz großem Abstand der größte Software Müll, den ich je spielen durfte - und ich bin 37.
Eine Beleidigung an jeden intelligenten Spieler... für Gothic Fans eigentlich eine Kriegserklärung...
Was für ein Drecksspiel. Wahnsinn.
Die 40% sind sehr sehr großzügig angelegt.
Ich finde man muß das so deutlich sagen!
Ninnghizidda schrieb am
Wie laut startseite in den 4p store charts aktuell arcania noch das zweitbest verkaufte spiel im 4players store is ..(sogar die teure SE für 70.-)
Und direkt neben dem button für den einkauswagen steht noch :
Das meint die 4Players-Redaktion:
Gothic im Namen, totale Langeweile im Spiel: Spellbound bietet Einbahnstraßenquests mit grenzdebilen Dialogen und primitivem Kampfsystem.
Es is einfach unglaublich^^
wundert mich das die trotzdem insolvenz anmelden mussten , dachte eigtl. da sind genug leute auf den guten namen reingefallen.
schrieb am