Interview: Archäologie im Spiel (Sonstiges)

von Jörg Luibl



Archäologie im Spiel
Sonstiges
Entwickler: 4Players
Publisher: 4Players
Release:
kein Termin
Spielinfo Bilder  


Interview mit Thorsten Michel

4Players: Schlapphut, Peitsche, Pistolen. Hand auf`s Herz: Was liegt in Ihrem Schrank?

Thorsten Michel: (lacht) Für die manchmal eigentlich notwendige Pistole fehlt mir der Waffenschein, die Peitsche hätte ich auch hin und wieder ganz gerne und wenn man einen Sonnenstich verhindern möchte, ist eine Kopfbedeckung für die Archäologie oft notwendig.

4Players: Können Sie über das Klischee des abenteuerlustigen Haudegen nur müde lächeln, oder steckt auch ein Körnchen Wahrheit in diesem Bild?

Dieses Interview ist ein Teil des Spielkulturthemas "Archäologie im Spiel". Dazu empfehlen wir:

Gastbeitrag: Fakten und Fantasie
Porträt: Wer ist Thorsten Michel?

Kolumne: Schatzjäger & Spaßsucher

Bilderserie: Peitsche & Kriegselefant
Thorsten Michel: Wenn ich an die mir bekannten Archäologen denke, wüsste ich eigentlich keinen abenteuerlustigen Haudegen zu nennen. Die größte Abenteuerlust findet sich vielleicht in den etwas unkonventionellen Mitteln, zu denen man im Alltagsgeschäft auf Ausgrabungen oft greifen muss. Allerdings trifft man tatsächlich den einen oder anderen Archäologen zuweilen mit einem stilechten Indiana-Jones-Hut an. In Anbetracht der entsprechenden Körperfigur handelt es sich aber zumeist entweder um Ironie oder Selbstüberschätzung.

4Players: Die beiden bekanntesten Ausgräber der Spielewelt heißen Indiana Jones und Lara Croft. Was halten Sie von den beiden?

Thorsten Michel: Lara Croft finde ich sowohl hinsichtlich der "Geschichten" als auch der Figur in Spiel und Film sterbenslangweilig. Indiana Jones ist dagegen in den Filmen und in den Spielen deutlich amüsanter, obwohl auch seine Arbeitsweise natürlich eher ungewöhnlich ist.

4Players: Sie haben Ur- & Frühgeschichte an der Ruhr-Universität Bochum studiert. Wo liegt der Unterschied zur Archäologie? Und was hat Sie zu dieser Studienwahl bewegt?

Thorsten Michel: Bis vor wenigen Jahren war die Ur- und Frühgeschichte an der RUB wie auch an den meisten anderen deutschen Universitäten ein eigenes Institut, das sich von der sogenannten Klassischen Archäologie unterschied. Während sich die Klassischen Archäologen vor allem mit griechisch-römischer Archäologie und mehr noch mit den entsprechenden Kunstäußerungen in Form von Vasen und Statuen beschäftigen, liegt der Schwerpunkt der Ur- und Frühgeschichte auf der Archäologie in Mitteleuropa von der Altsteinzeit bis zur frühen Neuzeit, bzw. in Ausnahmen sogar bis zur Industriearchäologie. In Bochum sind beide Fächer allerdings inzwischen zu einem Fach Archäologie zusammengefasst worden, in dem man während des Studiums seinen Schwerpunkt setzen kann.

4Players: In Ihrem Gastbeitrag haben Sie u.a. nach historischen Fakten in Rome: Total War gesucht. Welche Funde haben Sie positiv überrascht?

Thorsten Michel: Persönlich habe ich mich besonders über das im Gastbeitrag angesprochene Gräberfeld Bordesholm gefreut, da es sich dabei um eine der wichtigsten Fundstellen meiner Dissertation handelte. In der Hauptsache hat mich aber das gesamte Spiel positiv überrascht.

4Players: Was hätten Sie als historischer Berater der Entwickler auf jeden Fall anders gemacht oder gestrichen?

Thorsten Michel: Ich hätte vor allem empfohlen, die Spielzeit nicht nur auf die republikanische Zeit und den Übergang zum Principat zu beschränken, sondern auch die Kaiserzeit und vielleicht sogar die Völkerwanderungszeit einzubeziehen. Außerdem hätten die Einheiten gezielter auf die einzelnen Völker bezogen gestaltet werden sollen. Etwaige Schwächen müssten in so einem System natürlich stärker mit der Truppenmoral ausgeglichen werden, wie es sie ja auch tatsächlich gegeben hat. Gerade die nun aber gezeigte Vielfältigkeit trifft bei einigen antiken Völkern kaum zu, obwohl sie natürlich innerhalb ihrer Möglichkeiten mit ihren Waffen und Kampfweisen auf gegnerische Waffen reagiert haben. Die Germanen haben zum Beispiel erst dann verstärkt zum Schwert gegriffen, als sie in direkten Kontakt mit den Römern standen, die kurz zuvor ihrerseits bei Kämpfen im Osten des Imperiums zu einer Verlängerung ihrer Gladii gezwungen worden waren.

4Players: Spiele, in denen es um geheimnisvolle Mythen oder um vergangene Epochen geht, sind sehr beliebt. Erst kürzlich ging es im Adventure Niburu um einen alten Wehrmachtstunnel. Und bald serviert Empire Earth 2 zehntausend Jahre Geschichte. Woher kommt diese Faszination?

Thorsten Michel: Von Seiten der Entwickler mag ein Grund sein, dass man sich für den spielerischen Hintergrund auf Fakten stützen kann. Es ist also nicht notwendig, sich erst eine komplexe Geschichte auszudenken und diese interessant zu gestalten. Dass die Gemeinschaft der Spieler dieses Angebot so dankbar annimmt, ist dagegen schwieriger zu erklären. Vielleicht ist die Situation aber vergleichbar mit der großen Nachfrage nach anderen Realitäten, wie sie auf Mittelaltermärkten oder bei Live-Rollenspielen dargestellt werden. Viele mag der Anschein ansprechen, dass es sich bei mittelalterlichen Spectacula um "echte" Vergangenheit handelt, im Gegensatz zu erfundenen Fantasiewelten. Dabei kümmert die wenigsten, dass übrigens auch die auf Mittelaltermärkten gebotenen Realitäten zumeist nur in geringem Maße mit der vergangenen Wirklichkeit übereinstimmen. Es ist beispielsweise bemerkenswert, dass sich auf diesen Märkten und Festen ausweislich der Kleidung und der Standesabzeichen weitgehend nur Fürsten und hohe Damen herumlaufen. Den pestkranken Bettler möchte natürlich niemand spielen.
      

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