Der Fall "Blitzchung"
Erst kurz vor der BlizzCon 2019 rückte Blizzard durch ein sehr unglückliches und planloses Verhalten wieder stärker in die Öffentlichkeit, da sie den Hearthstone-eSportler Wei Chung Ng ("Blitzchung") aufgrund eines politischen Kommentars sperrten. Stein des Anstoßes war, dass "Blitzchung" einen Kommentar zur Befreiung Hongkongs bei einer offiziellen Hearthstone-Veranstaltung machte, was er laut Vertrag nicht machen durfte. Die Bekanntgabe politischer Statements gehöre gemäß der vertraglichen Vereinbarung nicht auf solch eine Turnier. Daraufhin wurde sein Preisgeld kurzzeitig gestrichen und eine Teilnahmesperre verhängt.
Über diese Situation waberte stets die Ansicht, dass es Blizzard mit der Meinungsfreiheit nicht so ernst nehmen würde und sogar Mitarbeiter demonstrierten auf dem Firmengelände gegen die Entscheidungen der Unternehmensspitze. Da bekanntlich der chinesische Riesenkonzern Tencent mit knapp 5 Prozent an Activision Blizzard beteiligt ist, wirkte es so, als würde Blizzard es sich mit China und dem riesigen chinesischen Markt nicht versauen wollen, was J. Allen Brack natürlich abstritt. Im Zuge der Demonstrationen für mehr Demokratie in Hongkong ließ Blizzard das Feingefühl völlig vermissen und machte die Sache durch ihre Maßnahmen, die später teilweise wieder zurückgefahren wurden, eigentlich nur noch schlimmer und verstimmte selbst alteingesessene Fans.
Wei Chung Ng aka Blitzchung sorgte für lauten Protest und zaghafte Antworten von Blizzard. Hier spielt er eine Partie Hearthstone. Das Bild stammt von seinem Twitter-Account.
Quellen: Blitzchung (eigenes Statement), Daily Beast (Protest im Blizzard-HQ), Blizzard (Statement von Brack), Blizzard (Hearthstone-eSport-Regelwerk), Eurogamer (eingeschränkte Meinungsfreiheit), PCGamesN (Statement gegenüber Investoren), Twitter (Blitzchung-Foto)
Auch über der BlizzCon 2019 schwebte das "Blitzchung"-Thema wie ein Damoklesschwert. Auf Einladung von Blizzard Entertainment waren wir in Anaheim (USA) vor Ort dabei, aber die Proteste hielten sich auf der Hausmesse ebenso in Grenzen wie glaubhafte Statements von Blizzard zu der Lage. Auf der Messe wurden bekanntlich sowohl
Diablo 4 als auch
Overwatch 2 angekündigt. Wie stark Blizzard auf dem asiatischen Markt schielt und wie wichtig die Präsenz dort ist, war übrigens auch hinter den Kulissen der BlizzCon zu erkennen, denn die überwiegende Mehrzahl der eingeladenen Pressevertreter stammte aus asiatischen Regionen.
WarCraft 3: Reforged und das Ende von Team 1
Anfang Januar 2020 verprellte Blizzard dann sowohl alte Fans als auch neue Spieler mit der völlig vergeigten Veröffentlichung von
WarCraft 3: Reforged (
zum Test). Die Spiele-Schmiede, die ihre Spiele normalerweise so lange und ausgiebig poliert, dass sie weder Ecken noch Kanten haben, war fehlerhaft, unvollständig und erfüllte nur einen Bruchteil der Versprechen, die vorher gemacht wurden. Sogar einige Tage nach Release des Machwerks prangerte auf der offiziellen Website noch ein Video, das überarbeitete Zwischensequenzen aus dem Spiel zeigte, die so gar nicht mehr enthalten waren (
Details,
weitere Details).
Noch einige Tage nach dem Verkaufsstart von WarCraft 3: Reforged warb das Unternehmen auf der offiziellen Website mit einem Video, in dem die überarbeiteten Zwischensequenzen zu sehen waren, die allerdings gestrichen wurden und gar nicht mehr im Spiel enthalten waren.
Während J. Allen Brack den Investoren beteuerte, dass "unsere Community wirklich große Dinge von uns erwartet" hatte und sie "diese Messlatte nicht erreicht" hätten, wirkte es so, als wäre das Spiel unfertig auf den Markt geworfen worden, weil es wohl kein finanzieller Megahit geworden wäre. Es musste wohl zusammengestrichen werden - aus Kostengründen. Und auch seit Release der traurigen Mischung aus Remaster und Remake hat sich erstaunlich wenig getan. Bugfixes, Grafik-Updates und Balance-Anpassungen wurden vorgenommen, aber viele Features wie Community-Kampagnen, Clans, Profil und Ranked-Ladder fehlen, die WarCraft 3 bot, fehlen weiterhin. Zumal die erzwungene Verbindung mit dem Original ebenfalls den Klassiker unnötig einschränkte und der WarCraft-Multiplayer-Community alle möglichen Beine stellte (Abhilfe:
W3C-Mod). Es ist noch immer eine traurige Baustelle, die dem Meilenstein keinesfalls gerecht wird und letztendlich gegen die eigene Community arbeitet.
Hoffnung auf Besserung gibt es kaum, denn in der Zwischenzeit ist das "Team 1" von Blizzard, das u.a. für StarCraft 2, Heroes of the Storm und die Classic Games verantwortlich war, laut einem Bloomberg-Bericht im Oktober 2020 aufgelöst worden. Bestätigt wurde dieser Bericht am 17. Oktober 2020 mit der offiziellen Bekanntgabe, dass keine weiteren Inhalte mehr für StarCraft 2 entwickelt werden - keine käuflich zu erwerbenden Story-Erweiterungen, keine Kommandanten für den Koop-Modus und keine Warchests mehr. Dennoch hat Blizzard versprochen, WarCraft 3: Reforged weiterhin zu "reparieren" und zu aktualisieren, obwohl diese Aufgabe sehr wahrscheinlich ein externes Team übernommen hat. In dem Artikel hieß es: "Interne Blizzard-Dokumente, die von Bloomberg eingesehen werden konnten, führten das Scheitern des Spiels unter anderem auf schlechte Planung, Fehlkommunikation und eine überstürzte Veröffentlichung aufgrund des finanziellen Drucks der Geschäftsführung zurück. Zum Beispiel hatte Blizzard das Spiel im November 2018 angekündigt und es wurde begonnen, Vorbestellungen für 2019 anzunehmen, ohne den Großteil des Entwicklerteams vorher zu informieren, sagten mehrere Personen, die an WarCraft 3: Reforged gearbeitet hatten."
Quellen: Daniel Ahmad (Brack über W3R), Reddit (fehlende Feature-Liste bei W3R), Bloomberg (Team 1 aufgelöst, interne Dokumente über W3R), Blizzard (keine SC2-Inhalte mehr)