Brettspiel-Test: Im Wandel der Zeiten (Aufbaustrategie)

von Jörg Luibl



Im Wandel der Zeiten: Geschichte für Strategen
Im Wandel der Zeiten
Entwickler:
Publisher: Pegasus Spiele
Release:
2008
Spielinfo Bilder  
Kann der Aufbau einer Hochkultur ohne einen Mausklick Spaß machen? Kann die Vollendung eines Wunders auch ohne das letzte Polygon befriedigend sein? Bei Pegasus ist vor zwei Jahren ein historisches Brettspiel erschienen, das an den Charme von Civilization erinnert, wenn man sein Volk von der Antike bis in die Moderne führt. Der kreative Kopf dahinter gehört einem Tschechen namens Vlaada Chvatil, der uns bereits mit Galaxy Trucker begeistern konnte. Und auch diesmal gelingt ihm ein zeitlos gutes Spieldesign.

Hommage an Civilization

Das historische Strategiespiel für zwei bis vier Nationen erscheint bei Pegasus Spiele und kostet zwischen 30 und 40 Euro.
Das hört sich einfach an: Jeder Spieler sucht sich eine von vier Farben aus und startet mit seinem Volk in der Antike. Ziel ist es, spätestens am Ende von vier Zeitaltern die meisten Kulturpunkte zu besitzen, die sich aus verschiedenen Teilen ergeben - z.B. aus dem wissenschaftlichen Fortschritt, dem Glück der Bevölkerung oder der militärischen Stärke. Schon hier deutet sich nicht nur die Komplexität des Spiels an, denn es führen je nach eigener Strategie im Aufbau immer mehrere Wege nach Rom bzw. zum ersten Raumflug in der Moderne. Auch die Verwandtschaft zu Sid Meiers Computerspiel ist unverkennbar, zumal der Designer sogar als Anführer auftaucht. Eine sympathische Hommage des Tschechen, aber es gibt auch klare Unterschiede.

Im Gegensatz zum virtuellen Civilization kann man sich zu Beginn keine Nation mit speziellen Eigenschaften aussuchen und es gibt auch keine Erkundungsphase, in der Siedler nach einem idealen Platz für die erste Stadt suchen. Dieser territoriale Aspekt fällt hier komplett weg, zumal es keine klassische Weltkarte mit Kontinenten gibt. All das hat mich als Fan von Sid Meiers Strategie zunächst sehr skeptisch gemacht, denn mit einem anonymen Volk ohne eigenes Land muss vieles im Kopf passieren. Zu viel? Wer die Box auspackt, findet ja keine illustrierte Spielwelt oder modellierte Figuren, sondern nur 341 zivile und militärische Karten, hunderte farbige Steine und einige Pläne.

Keine klassische Weltkarte

Neben einem großen Spielplan sind enthalten: 341 Karten, 315 Steine, vier Zivilisationsbretter und Übersichtstafeln.
Man breitet zunächst einen großen Spielplan aus, der zum einen den Fortschritt der Zivilisationen in den Bereichen Kultur, Wissenschaft und Militär festhält: Dort verschiebt man kleine Steine in seiner Farbe - wer z.B. ein Theater baut, bekommt zwei Kulturpunkte und rückt vor. Zum anderen dient dieser Plan quasi als historische Sanduhr: Hier rieseln die Ereignisse, Persönlichkeiten, Staatsformen, Wunder und Technologien des jeweiligen Zeitalters in eine für alle sichtbare blaue Leiste. Je nach Spielerzahl hat man so immer eine Auswahl von elf bis dreizehn Karten, die man für seine Zivilisation ergattern kann.

Und auf ihnen entdeckt man dann je nach Zeitalter historische Illustrationen von Kolumbus bis Robespierre, vom Petersdom bis Hollywood. Trotzdem ist das Grafikdesign eher schlicht und zweckmäßig als üppig, denn Zahlen, Werte und Fakten stehen im Vordergrund eines Spiels, das nicht auf den ersten Blick begeistert - es gibt kein euphorisches "Wow, was ist da alles in der Box!" wie z.B. bei Descent oder StarCraft. Aber dafür entfaltet es auf den zweiten Blick eine Tiefe, in der sich vor allem Strategen mit Lust auf wirtschaftliches, kulturelles und politisches Management verlieren können. Und wer Civilization aufgrund seiner offenen Entwicklung liebt, die geduldige Spieler belohnt, wird sich auch hier pudelwohl fühlen.

Bauen, ernten, wachsen

Der nackte Spielplan: Es gibt keine klassische Weltkarte mit Kontinenten, sondern eine universelle Übersicht für den Fortschritt sowie die aktuelle Epoche.
Zu Beginn haben alle Spieler identische Voraussetzungen hinsichtlich Gebäude, Produktion, Bevölkerung und Regierungsform - dieser Status quo wird von einem Zivilisationsbrett symbolisiert, das jeder vor sich liegen hat. Und genau da lenkt man seinen Staat: Da ist zu sehen, dass man sich noch ohne Anführer im düsteren Despotismus befindet und gerade mal ein Labor, einen Tempel, eine Farm, eine Mine und einen Krieger erforscht hat. Außerdem hat man eine anfängliche Bevölkerung in Form von 25 gelben sowie Nahrung bzw. Rohstoffe in Form von 18 blauen Steinen. Die spannende Frage ist: Was macht man daraus? Welche Anführer wählt man aus? Wo steht man, wenn das Mittelalter oder die frühe Neuzeit naht?

Im Laufe des Spiels kann man aus der Bevölkerung weitere Arbeiter rekrutieren, die dann auf das entsprechende Gebäude, das Feld, die Mine oder zum Militär wandern. Je nachdem wo sie eingesetzt werden, wird natürlich unterschiedlich produziert: Will man sich auf seine Landwirtschaft konzentrieren, damit man mehr Nahrung erntet und das Volk wächst? Oder auf die Minen, damit die Rohstoffe für den Bau neuer Gebäude ausreichen? Und wann sollte man die Minentechnologie auf die nächste Stufe bringen, damit weniger Arbeiter mehr produzieren? Man könnte auch die Armee stärken, aber die spielt zu Beginn noch keine große Rolle - was der Spielbalance sehr gut tut, denn so kann man seine Zivilisation ohne Überfallangst erstmal aufbauen.
       

Kommentare

gracjanski schrieb am
Nach paar Monaten, noch weitere Schwächen: es ist 0 flexibel. Alle starten gleich am Anfang. Da erfahrene Spiele wissen, welche Wunder besser sind als andere, kämpfen die Leute um diese Karten. Natürlich mit der Einschränkung, dass nicht immer diese Karte die beste sein muss. Aber egal, das Hauptproblem ist, dass das Deck der Zivilkarte immer gleich ist, nur die Reihenfolge ist anders. Man muss für andere Ausgangsbedingungen sorgen, sei es durch Änderung der Zivilkartendecks oder durch Traits = Zivilisationen, hier ein guter Thread zu:
http://boardgamegeek.com/article/9356995#9356995
Das Spiel braucht einfach eine Erweiterung
gracjanski schrieb am
4P|T@xtchef hat geschrieben:Jep, das haben wir auch schon im Visier. Ich bin gespannt, wie sich dieses "Original" dann von der Hommage unterscheidet. Auch Galactica und Runewars stehen auf der Agenda.
Kurz zum Thema Artdesign bei Brettspielen: Es ist in der Tat so, dass die Qualität von Spielplan und Figuren nur dann in den Hintergrund rückt, wenn die strategische Spieltiefe das ausgleichen kann - wie bei Im Wandel der Zeiten. Klar, da hätte man noch mehr an Flair rausholen können, aber die Zeichnungen sind solide.
Wie wichtig ausgzeichnete Illustrationen, Miniaturen und ein edles Brett für die Atmosphäre sind, zeigen natürlich Spiele wie Arkham Horror, StarCraft oder Descent.
+ Thunderstone...
Habe letztens in einem Spieleabend Im Wandel der Zeiten mit Freunden gespielt. alle waren begeistert von der Komplexität und es wird sicherlich wieder dran kommen, diesmal aber die Expertenversion.
Ja, die mangelhafte Interaktion ist ein Schwachpunkt des Spieles, auch die Präsentation mit den Klötzchen, die leiucht verrutschen können. Trotzdem ist hier die Spielmechanik einfach vorbildlich.
AlperAslan1980 schrieb am
Kann man kostenlos online spielen:
http://www.boardgaming-online.com
Das Spiel leidet in der Brettspielvariante daran, dass es viel Mikromanagement ist und eine lange Lernzeit erfordert. Wenn man aber mal drin ist, ist es ein wirklich beeindruckendes Spiel mit viel Langzeitspaß. Kann mich dem Fazit hier nur anschließen.
SamCaha schrieb am
X-Live-X hat geschrieben:Auf einen Test von dem neuen Civ-Brettspiel bin ich auch gespannt, IWdZ schreckt mich einfach ab, da ich es irgendwie nicht mit Spielen habe, deren primäres Element nunmal Karten sind. Wenns es jedoch ein Addon gibt, was auf 5 Spieler erhöht, würde auch mein Interesse sprunghaft steigen.
SamCaha hat geschrieben:Wann kommt endlich mal der Test zum neuen Need for Speed??????
Irgendwo bist du falsch abgebogen.
Ah darum hat mein Navi die ganze Zeit gesagt: "Bitte wenden!, bitte wenden!, bitte wenden!" ;-)
Habs einfach im Forum vom ersten was ich auf der homepage gesehen hab geschrieben und erst im Nachhinein gesehen das es hier um Brettspiele ging! Dachte es währe auch irgend ein Game-Test! hehe :lol:
Schönen abend noch!
X-Live-X schrieb am
Auf einen Test von dem neuen Civ-Brettspiel bin ich auch gespannt, IWdZ schreckt mich einfach ab, da ich es irgendwie nicht mit Spielen habe, deren primäres Element nunmal Karten sind. Wenns es jedoch ein Addon gibt, was auf 5 Spieler erhöht, würde auch mein Interesse sprunghaft steigen.
SamCaha hat geschrieben:Wann kommt endlich mal der Test zum neuen Need for Speed??????
Irgendwo bist du falsch abgebogen.
schrieb am