Special: Syndicate (Oldie) (Action)

von Paul Kautz



Syndicate (Oldie) (Action) von Electronic Arts
Syndicate (Oldie)
Publisher: Electronic Arts
Release:
06.1993
kein Termin
Spielinfo Bilder  
Schon merkwürdig, dass von Autoren die Zukunft fast immer als grausame und düstere Zeit beschrieben wird, in der das Individuum bestenfalls ein mickriges Rädchen in der von Großkonzernen beherrschten Lebensmaschinerie ist. Auf der anderen Seite ermöglicht dieser bedrückende Blick in die Kristallkugel faszinierende Spiele wie Syndicate.

Gewalt ist eine Lösung

Vier düstere Agenten im düsteren Einsatz in einer düsteren Welt - das ist Syndicate!
Vier düstere Agenten im düsteren Einsatz in einer düsteren Welt - das ist Syndicate!
Da stand ich also, im Juli 1993, und las den folgenden Text auf der Rückseite der giftgrünen Packung: »In den dunklen und verwinkelten Städten von Morgen kämpfen Syndikate um die weltweite Vorherrschaft. Aber in der Zukunft gibt es keine Hinterzimmergeschäfte mehr. Keine gemeinsamen Machtübernahmen. Keine Politik. Nur die furchtbare Gerechtigkeit einer Maschine, die mit einer Schusswaffe ausgerüstet ist und kein Erbarmen kennt...« - und dachte mir: Welcher Schimpanse hat das bitte geschrieben? Furchtbar! Erst am Tag davor hatte ich in der Power Play 7/93 den dazu gehörigen Test gelesen, in dem das Spiel in den allerhöchsten Tönen gelobt wurde und eine glatte 90 kassierte. Das war damals noch die absolute, irrsinnig selten gesehene Ausnahme, nicht der »Waaaaaaas, wie könnt ihr das nur so verreißen, inkompetentes Pack!!1«-Standard von heute. Am Ende des Fazitkastens stand »Vielleicht das intelligenteste und beste Spiel aller Zeiten« - und dann so ein hohler Packungstext? Hab’s mir trotzdem geholt. Und nie bereut. Ich liebe Syndicate bis heute.

Warum? Zum einen dafür, dass es die Blaupause für das heute so allgegenwärtige Open-World-Genre lieferte - ich bin fest davon überzeugt, dass es ohne Syndicate niemals ein Grand Theft Auto gegeben hätte, jedenfalls nicht in der heute bekannten Form. Die Parallelen sind offensichtlich: Zwar spielt man keinen Baseballschläger
Mit dem Überzeugungsstrahler kann man die meisten Bewohner einer Stadt zu seinen willenlosen Ballersklaven machen.
Mit dem Überzeugungsstrahler kann man die meisten Bewohner einer Stadt zu seinen willenlosen Ballersklaven machen.
schwingenden Schweigefan, aber man durchstreift große, offene Levels, in denen die Bewohner ihrem Tagwerk nachgehen, vor gezückten Waffen davon rennen und an Straßen halten, wenn Autos nahen. Und dann war da natürlich noch die Gewalt: Während sich der größte Teil der Nicht-Spielepresse mit ungläubigen Augen geifernd auf die heraus gerissenen Rückgrate in Mortal Kombat stürzte, präsentierte Syndicate zynische Tötungsaufträge, kreischende menschliche Fackeln und die Möglichkeit, eine ganz private »Operation Human Shield« auszuführen. Denn man hatte mit dem »Persuadertron« (dt. »Überzeugungsstrahl«) ein Gerät dabei, mit dem man Zivilisten durch bloße Annäherung hirnwaschen konnte. Diese Zombies folgten einem danach überall hin, lasen selbständig Waffen von gefallenen Gegnern auf und kämpften kräftig mit. Wenn man Lust hatte, konnte man Rattenfänger in der ganzen Stadt spielen und dann seine willenlosen Ballersklaven den Gegnern zum Fraß vorwerfen. Syndicate mag simpel ausgesehen haben, aber es war eines der wenigen Spiele, in denen sich brutales, skrupelloses Vorgehen tatsächlich ausgezahlt hat.

Die 100-Millionen-Dollar-Männer

Kein Bewerbungsgespräch nötig: Im Intro wird gezeigt, wie Agenten-Rekrutierungsverfahren in der Zukunft aussehen.
Kein Bewerbungsgespräch nötig: Im Intro wird gezeigt, wie Agenten-Rekrutierungsverfahren in der Zukunft aussehen.
Worum geht es? Das aus heutiger Sicht krude, aber damals sehr beeindruckende, deutlich von Blade Runner inspirierte Intro klärt auf: Im 22. Jahrhundert haben Syndikate, sieben an der Zahl, ihren eisernen Griff an der Gurgel der Welt. Kleine schlagkräftige Truppen hochtrainierter Agenten führen alle schmutzigen Jobs aus, die man für die Herrschaft braucht - Anschläge, Entführungen, Raub. Diese Agenten schließen sich der »guten Sache« nicht ganz freiwillig an, potenzielle Rekruten werden auf der Straße betäubt, in die Labore verschleppt, per Hirnchip auf willenlose Höchstleistungen getrimmt - und sämtliche laschen Extremitäten durch makellose Cyber-Implantate ersetzt. Man selbst spielt einen Anführer einer solchen Truppe, der rund um den Globus Geheimoperationen durchführt. Man beginnt auf einer Weltkarte, auf der 50 Staaten, farblich getrennt nach Syndikaten, dargestellt sind. Um diese Karte nach und nach mit der eigenen Farbe zu tönen, gibt es viel zu tun: Gezielte Tötung von Zielpersonen (besonders Zivilisten, korrupte Polizisten, gegnerische Agenten - meist eine Mischung aus allem), Entführung von Wissenschaftlern oder sonstigen wichtigen Persönlichkeiten, Diebstahl von mächtiger Technologie.

Kommentare

LouisLoiselle schrieb am
Hab mich gefreut, als Satellite Reign gestartet wurde, aber irgendwie wirkt es mir einen Tick zu bunt.
Isegrim74 schrieb am
Nach einem Jahr des letzten Kommentars kann ich nach dem furchteinflössenden First Person Ausflug der Syndikate nun einen "echten" Nachfolger bzw. eine Neuauflage des alten Klassikers (ja, auch ich habe ihn auf meinem Amiga 600 gesuchtet) vorstellen. Einige werden schon wissen, dass ich auf den Early Access Titel "Satellite Reign" anspiele. Ich habe ihn mir gegönnt, trotz meiner Vorsicht und mittlerweile paranoiden Haltung zu EAs. Aber ich bereue den Kauf nicht. Ich habe den Titel nun seit Erscheinen auf Steam (ca. Mitte Dezember 2014). Und ich kann diesen Titel jetzt schon empfehlen. Hier steht eine echte Neuauflage der Syndikate in den Startlöchern mit vielen feinen Neuerungen und einem harten aber stets taktisch fairen Schwierigkeitsgrad. Die Entwicklung geht sehr schnell voran. Einzig eine Rahmenhandlung ist bisher kaum vorhanden, aber gab es die bei Syndicate? Der erste grosse Unterschied: es ist "fast" eine offene Welt. Hier sind die Sektoren einer namenlosen Stadt "abzuarbeiten". Das Gameplay ist dabei fast identisch. Einzig den "Überzeugungsstrahl" habe ich bisher nicht entdeckt. ;-) Die Collateralschäden unter der Bevölkerung sind aber immens, wenn Autos explodieren oder Granaten oder ein paar "Todesmutige" in den Kugelhagel der Polizei bzw. der Wachfirmen und meines vierköpfigen Agententeams laufen. Das spiel hat jetzt schon eine immense Atmosphäre, die an Filme wie Blade Runner oder Sieben erinnert und dank der Unity Engine fantastisch ausschaut (potente Rechenknechte vorausgesetzt). Die Performance muss überarbeitet werden und es gibt hier und da noch Fehler - vor allem bei der Wegfindung. Trotzdem ist es im jetzigen Status nach dem Maiupdate sehr zu empfehlen. Vor allem für Fans des Originals. Zur Not schaut man sich erst einmal ein Gameplayvideo auf YouTube an. Wenn jetzt wirklich noch ein würdiger Outcast-Nachfolger erscheint ... dann wird noch ein Traum wahr. ;-) Ach ja, es ist nach Veröffentlichung auch ein Multiplayer bzw. Coop in Planung. Ob und wie...
LouisLoiselle schrieb am
Ich erinnere mich noch an die letzte Mission, auf so einer Bohrplattform. Atlantis hiess die glaub ich. Alter, haben die mir da den Arsch aufgerissen. Da half auch keine Wundcreme mehr. Miniguns, Laser, Gausswerfer - die kamen an wie blöd und haben mit allem geschossen, was richtig weh tut. Irgendwann hab ich die dann geschafft, aber die ersten 20 Sekunden zu überleben war die Hölle^^
[Werbung]Einen eigenen Test findet ihr übrigens auf meiner Seite :mrgreen: [/Werbung]
Easy Lee schrieb am
Das Spiel ist leider sehr schlecht gealtert. Damals war ich unglaublich fasziniert von der Stimmung und Tiefe des Spiels, heute kann ich es kaum noch nachvollziehen. Wobei es seiner Zeit in vielerlei Hinsicht weit voraus war. Viele Elemente wurden erst viele Jahre später wieder in anderen Spielen (Commandos, GTA oder div. Games mit Customizing Features) aufgegriffen.
schrieb am