Der große Fußballvergleich
PES 2013 vs. FIFA 13
In vier Teilen werden wir den virtuellen Fußball
von EA und Konami vergleichen. Wir starten mit
Präsentation & Atmosphäre, es folgen Spielmechanik,
Figurenverhalten sowie Umfang.
PES ist hinsichtlich der Tempowechsel und Unberechenbarkeit klar im Vorteil: Hier kann man wirklich rasant von Abwehr auf Angriff umschalten und blitzschnelle Konter einleiten. Das wirkt aufgrund besserer Defensiv-KI auch nicht mehr ganz so brüchig, denn die eigene Viererkette schließt die Lücken. Überhaupt verhalten sich die eigenen Mitspieler cleverer, so dass je nach Taktik individuelle Laufwege immer wieder Lücken reißen. Der Nachteil von PES: Manchmal wirkt das Ganze zu überdreht, zu flipperhaft, wenn man mit unheimlich scharfen Flachpässen 50, 60 Meter überwindet, die dann nach dem Abfangen als Retourkutsche zurückkommen – das erinnert gerade online manchmal an Eishockey. Trotzdem bildet PES modernen Angriffsfußball sehr gut ab, zumal man mit den neuen Ballannahmen und Dribblings intuitiv Räume schaffen kann.
FIFA spielt sich offener als letztes Jahr, bildet eher konzentrierten Defensivfußball ab, wirkt im Spielaufbau pomadiger, aber auch natürlicher. Es gibt lobenswerte Verbesserungen hinsichtlich der Tempowechsel: Auch hier kann man im Vergleich zu FIFA 12 endlich druckvollere Pässe in die Tiefe spielen. Die etwas höhere Fehlerquote bei der Ballannahme sorgt zudem für mehr Spannung. Hat man sich allerdings daran gewöhnt, erstickt die zu starke Defensive mit ihren Abfangautomatismen manchmal jegliche Offensivbemühungen. Gerade weil man sich an das „Tactical Defending“ des Vorjahres so gewöhnt hat, meistert man die Abwehr auch recht leicht. Man kann natürlich durchkommen, aber der Spielaufbau ist wesentlich berechenbarer als in PES und führt bei gleich guten Kickern häufig zu Pattsituationen. Man vermisst so eine Art „Creative Offensive“ mit individuelleren Manövern.
PES ermöglicht nicht nur sehr druckvolle flache Pässe, sondern auch zwei Arten des hohen Passes, mit niedriger oder hoher Flugkurve. Letzterer ist ideal für Flankenwechsel oder als Zuspiel für die Kopfballweiterleitung oder direkte Ballverwertung. Hinzu kommt das neue manuelle Passen über einen eingeblendeten Pfeil, das für mehr Freiheit sorgt – damit kann man z.B. scharfe Diagonalpässe zwischen die Innenverteidiger spielen. Auch dieses Jahr wirken manche Zuspiele aus dem Stand allerdings raketenhaft.
FIFA hat bei der Passphysik etwas angezogen: Die Bälle können druckvoller in die Spitze gespielt werden, vor allem die flachen Pässe. Allerdings wirken die normalen hohen Flanken immer noch nicht scharf genug - und man kann sie immer noch unrealistisch überdrehen. Außerdem verlieren die weiten hohen Zuspiele in die Tiefe zu schnell an Tempo, so dass so mancher Konter versackt.
Die Distanzschüsse krachen wie immer ordentlich in PES. Außerdem gibt es neue Direktabnahmen, wenn man die Flanke antizipiert, was zu spektakulären Volley-Abschlüssen führen kann. Hinzu kommt der neue Flatterball: Wer nach dem Abziehen nochmal die Schusstaste drückt, gibt dem Leder einen bösen Drall – ist aber knifflig auszuführen. Es gibt auch einen neuen Schlenzer, mit dem man den Ball bei gedrückter Schultertaste sehr schön ins Eck zirkeln kann. Allerdings hat er einen Nachteil: Er ist aus der weiten Distanz viel zu mächtig und kann quasi als 25-Meter-Lupfer den Torwart überwinden, selbst wenn dieser einen Meter vor dem Kasten wartet.
In FIFA tut sich Weniges, aber Richtiges: Die Distanzschüsse haben mehr Wucht und der gezirkelte Schlenzer ist nicht mehr ganz so mächtig. Das Problem gegenüber PES ist, dass man manchmal zu lange Freiraum bzw. zu viel Zeit für einen Abschluss braucht – man kann kaum mal aus dem Stand abziehen oder wirklich blitzartig aus dem Lauf. Es fehlen auch mehr Varianten.
Hier hat sich in beiden Spielen fast nichts getan. Was PES gut macht: In der Defensive bekommt ein Stürmer ganz selten den Ball aus der Luft, wenn er vor sich einen Verteidiger hat – wenn er also gut gedeckt wird. Aber ansonsten wirken die Kopfbälle relativ harmlos als Waffe nach Flanken, weil man sie recht selten durchbringt. Es sei denn, man steuert den Stürmer nach Ecken selbst und schafft ihm Freiraum.
FIFA hat immer noch das Problem in der Verteidigung, dass selbst kleine und gedeckte Stürmer zum Kopfball kommen, wenn beide hochspringen – das kann frustrieren, wenn man den Innenverteidiger extra vorgezogen hat. Allerdings sind die Kopfbälle unterm Strich gefährlicher und ansehnlicher als bei der Konkurrenz. Schön sind die Flugkopfbälle aus nächster Nähe in beiden Spielen.
PES hat sich verbessert, denn die Zweikämpfe sehen nicht nur besser aus, sondern sind auch effizienter. Es kommt in Laufduellen zu einem spannenden Hin und Her; außerdem gibt es im Mittelfeld sehr harte Zweikämpfe – PES spielt sich aggressiver als der Vorgänger. Neben dem Abschirmen und sicheren Stibitzen des Balles kann man auch hart in den Mann gehen und ein Foul riskieren.
FIFA hat sich ebenfalls gesteigert: Die Zweikämpfe wirken physikalisch natürlicher. Im Gegensatz zum Vorgänger kommt es häufiger zu einem Hin und Her beim Kampf um das Leder. Da sich am „Tactical Defending“ des Vorjahres nichts Wesentliches geändert hat, werden gerade Kenner sehr schnell, sehr effizient verteidigen. Das liegt auch daran, dass man beim Pressing und Abschirmen jetzt noch besser in den Mann kommt als im Vorgänger, wo wir noch die zu großen Abstände für den Zugriff auf den letzten Metern bemängelten – das hat EA behoben. Wer gegen den Ball arbeiten und Druck aufbauen will, wird sich hier also pudelwohl fühlen.
PES bietet in den Dribblings mehr Vielfalt, Individualität und Effizienz. Man kann die Pille gezielt links um einen Gegner herum vorlegen und rechts an ihm vorbei ziehen. Man kann seinen Gegner und selbst den Torwart gezielt tunneln, indem man den Ball durch seine Beine spielt. Und man kann ihn ebenfalls elegant alt aussehen lassen, indem man sich den Ball kurz auf den linken Fuß legt und dann druckvoll nach vorne schiebt. Allerdings sind diese Manöver teilweise schwierig umzusetzen; selbst im lobenswerten situativen Training braucht man mehrere Anläufe. Hinzu kommen gewonnene Zweikämpfe über das clevere Antizipieren des Balles, so dass man seinen Gegenspieler z.B. mit einem Lupfer düpiert. Wer all das nicht einsetzt, kann selbst über das einfach präzise Dribbeln viele 1-gegen-1-Situationen für sich entscheiden. Außerdem wirken Top-Stars wie Messi hier auch wirklich stärker am Ball, sind kaum vom Leder zu trennen.
In FIFA bleibt man selbst mit Ronaldo & Co viel zu oft am Verteidiger hängen. Die Dribblings wurden nur leicht verfeinert, wenn man die neue Möglichkeit nutzt, dass man sein Gegenüber vor dem Zweikampf oder der Finte direkt anvisiert. Drückt man zwei Schultertasten gleichzeitig, schaut der Ballführende den Gegner an und kann per Analogstick etwas leichter an ihm vorbei ziehen. So kann man den Ball auch verlangsamen und mit ihm nach hinten oder zur Seite dribbeln, ohne Blickkontakt zu verlieren, um sich Zeit für einen guten Pass zu verschaffen – so effizient dribbeln wie in PES kann man damit nicht. FIFA fehlen mehr intuitive Manöver und Antizipationen.
Hier herrscht Stillstand in PES, es hat sich kaum etwas getan. Wie gehabt kann man einen Mann gezielt bewegen, um ihn bei Standards anzuspielen – egal ob Ecke oder Freistoß. Wie gehabt kann man keine eigenen Freistöße erstellen.
FIFA bietet einige interessante neue Freistoßvarianten: Da laufen Spieler in einer Finte über den Ball und lassen den anderen schießen. Man kann den Ball z.B. für einen Schuss per Lupfer auflegen. Man kann einen dritten Mann für einen gezirkelten Schuss hinzu ziehen oder alleine mit Vollspann über L1 unter der Mauer hindurch schießen - cool. Schön sind auch die neuen Trainingsübungen mit Highscore und Mauerattrappe.
Beide Spiele stagnieren hier. Die Pille in PES wirkt zwar grundsätzlich wuchtiger, aber die Kehrseite der Medaille sind immer noch so manche Raketenzuspiele aus dem Stand sowie zu stark abprallende Bälle - es fehlt die richtige physikalische Balance; der Ball wirkt manchmal zu flippig. FIFA hat auch einen Tick zugelegt, was flache Pässe sowie Distanzschüsse angeht, aber es gibt immer noch seltsame Flugkurven bei Flanken sowie Freistößen; der Ball wirkt zu fluffig. Notiz am Rande: In PES gibt es 22, in FIFA 38 Balltypen.
68
60
Zwischenstand Teil 1 + Teil 2:
93
96