New Washington war ein gigantischer Level, in dem man mit der U-Bahn wieder und wieder zwischen den einzelnen Berichen herumreisen musste.
Echt gut war dagegen die Soundkulisse. Und echt ungewöhnlich, gab es doch während des Spiels keine Musik zu hören - die blieb den Echtzeit-Zwischensequenzen vorbehalten. Innerhalb der Levels erschallten nur Umgebungsgeräusche und Soundeffekte wie die krachenden Pistolenschüsse. Die einzige Ausnahme war die Version für Sega-CD - die bot einen durchgehenden (und sehr guten) Soundtrack sowie (wie die anderen CD-Versionen auch)
schreckliche Renderfilme anstelle der stylischen Cutscenes.
Der Pate im Weltraum
Aber worum ging’s denn nun eigentlich? Conrad B. Hart, brillanter junger Wissenschaftler, entdeckt im Jahre 2142 über eine Art Superbrille, dass die Menschen nicht allein auf der Erde sind - die Außerirdischen sind unter ihnen! Diese Entdeckung bringt ihm nicht den Nobelpreis, sondern eine Betäubung nebst Entführung seitens der enttarnten Morphhäuter. Er kann seinen Peinigern gerade noch so entkommen... uh, da wären wir wieder am Anfang des Artikels. Die nervend piepende Box entpuppt sich als Holowürfel, aus dem er von einem virtuellen Abbild seiner selbst die Anweisung erhält, nach New Washington zu reisen und dort einen alten Freund zu besuchen, der alle Gedächtnislücken schließen würde.
Hallo "Running Man": Conrad kämpft sich durch die "Death Tower"-Show.
Klar, dass damit der Ärger erst anfängt. Die Geschichte sollte ursprünglich auf "Der Pate" basieren, Publisher U.S. Gold hielt seinerzeit die Lizenzrechte daran. Aber das Entwicklerteam pfiff auf die Lizenz und machte sein eigenes Ding. Ist wohl auch besser so, denn ein Michael Corleone, der Hechtsprünge und Ausweichrollen auf einer violetten Alienwelt macht, ist eine merkwürdige Vorstellung.
Flashback, dessen Entwicklung 1991 begann, wurde nach seiner Amiga-Premiere auf sehr viele Systeme umgesetzt - u.a. PC, Mega Drive, SNES, FM Towns, Mac, Sega-CD, 3DO, Jaguar und iOS. Den amerikanischen Versionen (die neben einem scheußlichen Cover auch den käsigen Untertitel "The Quest for Identity" trugen) lag ein von Marvel gezeichneter Comic bei, der in bunten Bildern die Vorgeschichte erzählte. Die Mischung aus Plattformgehangel und pausenloser Action war nicht jedermanns Sache, was sich auch in den damaligen Wertungen widerspiegelte - von 59 (PC Player) bis 94 (C&VG) reichte das Spektrum. Die Verkäufe waren anfangs nicht schlecht, aber auch nicht irre gut, jedoch entpuppte sich das Spiel als Ausdauerläufer - eine Zeit lang hatte es sogar einen Platz im Guinness-Buch der Rekorde sicher, als bestverkauftes französisches Spiel aller Zeiten! Klar, dass ein Nachfolger sein musste, der leider in eine deutlich andere Richtung ging:
Fade to Black, erschienen 1995, war komplett 3D - und ließ zumindest mich komplett kalt.
Flashback gilt mittlerweile als Abandonware, ist also in den Weiten des Internets recht leicht zu finden. Es auf modernen Systemen zum Laufen zu bekommen erfordert dagegen etwas Fummelarbeit - wie so oft ist
DOSBox eine große Hilfe. Es geht allerdings auch noch einfacher:
"REminiscence" ist eine quelloffene Beta-Engine, deren Entwickler es sich zur Aufgabe gemacht haben, Flashback auf aktuelle Plattformen zu bringen. Bonusnutzen: Es gibt Quicksave/-load und eine direkte Levelanwahl.
Viel größer war meine Freude, als kurz nach der Jahrtausendwende ein echtes 2D-Sequel namens
Flashback Legends angekündigt wurde, das 2003 auf GBA erscheinen sollte. Dazu kam es aber leider nicht mehr: Delphine Software ging 2002 pleite, Flashback Legends in der Konkursmasse unter.
Und damit bleibt Flashback einzigartig. Klar hat das Spiel deutliche Prinz-Parallelen; Nörgler könnten behaupten, dass hier klirrende Klingen einfach gegen knorrige Knarren getauscht wurden. Aber es war viel mehr als nur ein weiteres 2D-Jump-n-Run.
"Selten habe ich ein Spiel mit dichterer Atmosphäre gespielt als Flashback" - so ein Zitat aus dem Test der Power Play 4/93, das den Nagel mit chirurgischer Präzision auf den Kopf trifft. Die einzigartige, stimmungsvolle Soundkulisse, das futuristische Ambiente, die interessante Handlung, die fetzige Action, die fantastischen Animationen - all das morphte zu einem verdammt beeindruckenden Gesamterlebnis.
Paul Kautz
Conrad B. Hart in stiller Aktion: Schaut euch unsere Screenshots aus Flashback an