Special: Outcast (Action-Adventure)

von Jörg Luibl



Outcast (Action-Adventure) von Infogrames
Die Magie der Voxelwelt
Entwickler:
Publisher: Infogrames
Release:
20.08.1999
kein Termin
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ab 5,29€

ab 69,95€
Spielinfo Bilder Videos
Haomé, Gandahar! Meenai ogaé! Nein, das ist kein Elbisch. Auch kein Suaheli. Es ist ein Gruß mit Glückwünschen in der Sprache der Talaner. Wo die leben? Auf dem Planeten Adelpha natürlich! Das ist eine exotische Parallelwelt, die zumindest um 1999 herum über 400.000 Reisende anlocken konnte. Sie alle schlüpften in die Rolle von Cutter Slade und erlebten ein Spiel namens Outcast. Heute gibt es das Ticket für schlappe fünf Dollar.

Voxelcharme anno 1999

Was habe ich mich damals auf Outcast gefreut. Nicht nur, weil mir das Action-Adventure von Appeal die für einen Studenten existenzielle Entscheidung abnahm, tatsächlich an die 500 DM für eine Voodoo-Grafikkarte auszugeben: Das war ja gar nicht nötig! Denn hier stemmte alleine der Prozessor die Spielwelt aus texturierten Quadern aka Voxeln. Das Ergebnis mag heutzutage bei einer maximalen Auflösung von 512x384 ernüchtern, aber war damals unheimlich verblüffend - wenn es denn endlich sauber lief, denn Outcast war technisch überaus zickig. Aber sobald es flutschte, konnte man fast glauben, dass das Polygon in Zukunft keine Chance haben würde. 2011 feierte der tückische Voxel dann ein kurzes Comeback als Polygonkiller; Stichwort: Unlimited Detail Technology.

Outcast erschien 1999 ausschließlich für PC (damals wurde allerdings über eine Version für Dreamcast nachgedacht). Es wurde vom belgischen Studio Appeal für Infogrames entwickelt. Man schlüpfte in die Rolle von Cutter Slade und erlebte ein Action-Adventure aus Schulterperspektive.
Outcast erschien 1999 ausschließlich für PC (damals wurde allerdings über eine Version für Dreamcast nachgedacht). Es wurde vom belgischen Studio Appeal für Infogrames entwickelt. Man schlüpfte in die Rolle von Cutter Slade und erlebte ein Action-Adventure aus Schulterperspektive.
Was Artdesigner Franck Sauer anno 1999 inszenierte, hatte magische Sogkraft. Denn egal ob in Sumpf, Wüste oder Arktis: Adelpha lockte mit weiter Sicht, tollem Wasser und angenehm sanftem Gelände, wobei die Farben und Formen ineinander zu fließen schienen – es entstand eine ganz andere grafische Wahrnehmung, in der nicht einzelne Punkte, sondern eher Flächen im Vordergrund standen, fast wie bei einem animierten Aquarell. Und kaum hatte man in der Rolle von Cutter Slade das erste Gebiet betreten, ertönte die zweite Stärke aus den Boxen: Auch hinsichtlich der Soundeffekte, der orchestralen Musik und der Lokalisierung war das Spiel von Yves Grolet und Yann Robert etwas Besonderes. In der deutschen Version wurde Elite-Soldate Cutter von keinem Geringeren als Manfred Lehmann (Bruce Willis) gesprochen. Und wer auf Surroundklang Wert legte, wurde ebenfalls nicht enttäuscht.

Das Besondere an Outcast

Keine Lust auf lange Laufwege? Dann musste man auf einem Han-Two reiten!
Keine Lust auf lange Laufwege? Dann musste man auf einem Twon-Ha reiten!
Aber abseits dieser technischen Charakteristika war es vor allem die geheimnisvolle Spielwelt, die mich in ihren Bann zog. Ein Hauch von Dune mischte sich hier mit fast schon orientalischem Flair. Und wer richtig geduldig war, konnte auch etwas Star Wars entdecken. Das war keine gewöhnliche Science-Fiction, die man schnell durchschaute, sondern ein Abenteuer auf einem fremden Planeten mit seltsamen Wesen, die ihre eigenen Rituale pflegten, in Zorkins bezahlten und mit einer fremden Sprache überraschten, die der außerirdischen Kultur noch wesentlich mehr Identität verlieh als die besondere Kulisse. Outcast war eines der letzten Spiele, für die ich mir seitenweise Notizen machte. Was hatten Ulukaï, Sankaari oder Boogot zu bedeuten? Warum wurden Schmiede hier Fühler genannt?

Man fühlte sich zunächst wie ein Entdecker, musste sich auf die Suche nach fünf Chipkarten sowie zwei verschwundenen Kollegen von der Erde machen. Die Story weckte trotz vieler Klischees und Chauvinismen die Neugier, zumal sich das Spiel vor allem in den ersten Stunden wie eine bizarre Terra incognita vor einem ausbreitete. Man hatte nichts, musste seineAusrüstung suchen und wurde auch noch als Heiliger verehrt. Aber niemand nahm einen an die Hand, es gab weder goldene Wege zum Ziel noch komfortable Automatismen. Man lief, kletterte, schwamm, tauchte und kroch Meter für Meter vorwärts, bis man endlich ein Twon-Ha fand – zweibeinige Reittiere, die an eine Art Riesenstrauß erinnerten. Abspeichern? Ja, das war möglich, aber nur mit einem heiligen Kristall namens Gamsav, den man erstmal finden musste. Und dennoch: Outcast konnte sein atmosphärisches Versprechen spielerisch nicht ganz halten.

Die Schattenseiten

Auch wenn man viel reden und erkunden konnte: Im Mittelpunkt stand oftmals die Action - sechs Waffen bis hin zur Railgun konnte man einsetzen.
Auch wenn man viel reden und erkunden konnte: Im Mittelpunkt stand oftmals die Action - sechs Waffen bis hin zur Railgun konnte man einsetzen.
Man ging mit Cutter Slade lange, sehr lange Wege und war auf einige nervige Wiederholungen angewiesen, wenn er in den Gefechten starb. Das war verschmerzbar, aber mit der Zeit konnte sich die Faszination auch aus inhaltlichen Gründen in Ernüchterung verwandeln: Denn obwohl Outcast trotz der flotten Action in Schulterperspektive (inkl. Railgun!) auch viel Potenzial eines stimmungsvollen Rollenspiels in sich barg, wirkte es mitunter recht plump, was Spieldesign, Charaktere, Gespräche und Aufträge angeht. Damals hat die eigene Fantasie vieles davon aufgefüllt, aber wenn man es heute nochmal spielt, offenbaren sich die Schwächen.

Zu den Schattenseiten der schönen offenen Welt gehörte, dass sie kaum Substanz hatte. Man latschte in vielen belanglosen  Hol- und Bringdiensten durch die weitläufige Gegend und musste dabei uninteressante, mitunter dämliche Gespräche über sich ergehen lassen – kein Vergleich etwa zu Planescape Torment. Man hüpfte, sammelte, beschaffte und ließ schmieden. Machte das Laune? Oh ja!  Aber richtig gute Rätsel waren Fehlanzeige, die Spielwelt ließ sowohl Tag- und Nachtwechsel als auch Kinder oder Frauen vermissen, was recht hanebüchen erklärt wurde. Mit jeder Stunde sank so die innere Glaubwürdigkeit von
Lust auf ein Spiel? Outcast ist für 5,99 Dollar bei GOG erhältlich.
Lust auf ein Spiel? Outcast ist für 5,99 Dollar bei GOG erhältlich.Mit ein paar Tricks lässt sich auch Vollbild aktivieren.
Adelpha: Manche Situationen, Gegenstände und Routen schienen einzig und allein für den fremden Besucher gemacht; einiges wirkte zu konstruiert.

Auch wenn es nicht in meiner Top 10 der besten Spiele aller Zeiten auftaucht: Ich erinnere mich mit Wehmut an Outcast und hoffe immer noch auf einen Nachfolger - zumindest im Geiste. Es hat mich trotz seiner Defizite deshalb sehr gut unterhalten, weil es die Faszination einer Terra incognita verströmte, die man auf seine Art mit vielen Fragezeichen erleben konnte. Schon damals hat sich der Rollenspieler in mir nach mehr gesehnt, gerade weil diese Parallelwelt so viel davon angeboten hat – vom geregelten Tagesablauf der Nichtspielercharaktere über eine eigene Sprache bis hin zu Quests. Die belgischen Entwickler von Appeal haben angedeutet, was alles möglich gewesen wäre. Vielleicht wäre ein zweiter Teil notwendig gewesen, um noch einen magischen Schritt weiter zu gehen.

Bleibt Outcast ohne Nachfolger? Outcast: The Lost Paradise sollte für PC & PS2 erscheinen, wurde aber nach der Pleite von Appeal (2002) nicht zu Ende entwickelt. Nachdem Infogrames die Rechte nicht abgeben wollte, hatten Ex-Appeal-Entwickler als Elsewhere Entertainment ein Spiel namens "Totems" als Nachfolger im Geiste in Angriff genommen. Aber auch deren Mutter 10tacle Studios meldete 2008 Insolvenz an. Mittlerweile gibt es eine Kickstarter-Kampagne zur Wiederbelebung.
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Kommentare

gracjanski schrieb am
als Spieler, der auf den Releasedatum nicht achtet habe ich mir Outcast vor paar Jahren auch reingezogen. Ich fande es aber langweilig, mag eben keine Adventures, die sind mir nicht anspruchsvoll genug. Ich kann mich gut an die gute Atmosphäre erinnern und an die Bruce Willis Stimme. Eines der wenigen Spiele, das ich nicht durchgespielt habe.
Skabus hat geschrieben: Das kann man gar nicht vergleichen.
Geht alles, braucht man nur bisschen Hirn.
kamm28 schrieb am
Temeter  hat geschrieben: Crysis nur auf seine Grafik zu reduzieren blendet die wichtigsten Stärken eines Spiels einfach aus, während bei alten Spielen eben nur die Stärken betrachtet werden. Aber aus solchen Gedankengängen wird geschlussfolgert, dass Spiele früher besser wären. Ein Anflug verfehler Nostalgie.
Seiner Nostalgie sollte man eigentlich aber bewusst machen, weil sie das Urteilsvermögen verfälscht. Erstens verpasst man dadurch Spiele, die durchaus Potential hätten, zweitens ist so etwas in einem Forum nicht unbedingt zuträglich.
Dem würde ich absolut zustimmen. Ich wüsste auch nicht, was dagegen spricht, einfach beide Spiele gut zu finden. Wobei es Outcast locker in meine Top 5 schafft, Crysis aber immerhin in meine Top 50. Crysis ist das Pendant zu solchen Filmen wie den Michael Bay-Blockbustern und als solches besser gelungen als die letzten beiden Tranformers-Teile. Was diese Bay-Filme nämlich nicht haben: Stil, Atmosphäre und ein stellenweise sehr gelungenes Leveldesign. Es kann schon was, wenn man in gefühlter Weite von 50 Kilometern eine Bucht ausmacht, die man dann auch tatsächlich erreichen kann. Da kann mir niemand mit dem Schlauch-Argument kommen. :)
Edit:
@Lord Hesketh-Fortescue
Auch als nicht mehr so junger Zocker habe ich zumindest subjektiv das Gefühl, dass um 2000 herum bis ca. 2003/04 die Spielewelt noch voll in Ordnung war. Erst danach kündigten sich langsam aber sicher die Probleme an, die mir das Spielen heute oft vermiesen wollen.
HanFred schrieb am
Hm, nach Sichtung einiger Videos muss ich sagen, dass die paar Screens dem Spiel wohl doch nicht ganz gerecht zu werden scheinen. Dann werde ich mir das Ding halt trotzdem noch kaufen, schon alleine Musik und Vertonung sind es offensichtlich wert. Das Spiel sieht in Bewegung aber auch gar nicht einmal so übel aus, mir gefallen nur diese schmalen Hügelchen/Stalagmiten/was auch immer das sein soll nicht. Ein Detail.
RENEGADE.78 schrieb am
Es ist schon erstaunlich, wie gut sich die Voxel-Engine im Vergleich zu zeitgleich erschienenen Polygon-3D-Spielen gehalten hat. Ob es wohl ein sonderlich hoher Aufwand wäre, das Spiel in zeitgemäßer (mit ... mehr Voxeln? - kenn mich da nicht wirklich gut aus) Grafik zu "remaken"?
Ich würde es jedenfalls sofort kaufen.
Ich habe selten eine so dermaßen tiefe und gut aufgebaute Welt erleben dürfen. Als ich mir darüber bewußt wurde, dass man sogar eine eigene Sprache integriert hatte (habe das Spiel damals blind / ohne jegliches Vorwissen gekauft), ist mir wirklich die Kinnlade runter geklappt.
Atmosphärisch bleibt Outcast meiner Ansicht nach bis heute unerreicht.
Lord Hesketh-Fortescue schrieb am
Schön, dass auch Outcast hier auf 4P zu seinem wohlverdienten Klassikerspecial kommt. Hat es definitiv verdient. Eins meiner intensivsten und immersivsten Spielerlebnisse überhaupt. Ich habe es nie ein zweites Mal gespielt, und das ist in diesem Fall tatsächlich ausnahmsweise als Kompliment der höchsten Stufe zu sehen.
Dennoch ist Outcast für mich in der Rückschau auch ein düsterer Vorbote für die Zeit nach der Jahrtausendwende. Es war durch und durch Hochglanz und AAA (mit Anspruch und Spieltiefe!), hatte für damalige Verhältnisse ein irres Marketingbudget - und ist in Relation zum finanziellen Aufwand dann gefloppt. Der Horror für jeden abhängigen Entwickler, und der Anfang vom Ende für Appeal. Was nach der Jahrtausendwende kam, weiß jeder erfahrene Gamer: Eine Zeit der Vorsicht, der Kompromisse, des kleinsten gemeinsamen Nenners und des Nicht-Scheitern-Dürfens um jeden Preis. Das "Scheitern" von Outcast war schon irgendwie eine Art Menetekel für das, was nach 2000 im Blockbusterbereich mehrheitlich folgte, bevor Indie, Kickstarter und eine wachsende übersättigte Käuferschicht wieder allmählig für frischeren Wind sorgten.
Mir ist übrigens klar, dass man die Tendenz der Entwicklung nach 2000 auch anders wahrnehmen kann, v.a. als jüngerer Zocker. Daher ist das höchst subjektiv und soll keine Miesmacherei sein... und die tollen Titel aus dieser Phase natürlich auch nicht schmälern.
schrieb am

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