Die Sternstunde von Pirates
Im April 1987 erblickte Pirates das Licht der Welt. Es dauerte ein paar Monate, bis der
Das Original-Cover von Pirates aus dem Jahr 1987.
Quelle: MobyGames.com
revolutionäre Genre-Mix die Schulhöfe der Bundesrepublik erreicht hatte. In den Sommerferien desselben Jahres drehte sich dann auch bei mir plötzlich alles um exotische Orte wie Maracaibo, Santo Domingo oder Puerto Bello. Endlich hatte der Diercke-Weltatlas einen Sinn! Was war geschehen? Sid Meier hatte die großartige Idee, die goldene Ära der Piraterie in der Karibik (1560 -1680) in einem Videospiel zum Leben zu erwecken!
Die Mutter aller Open-World-Spiele
Mit einfachsten Mitteln konzipierte er das erste kommerziell erfolgreiche Open-World-Spiel überhaupt. Schauplatz war „West-Indien“ von Florida im Norden über Yukatan und Honduras im Westen, Venezuela im Süden bis zu den kleinen Antillen im Osten. Fast 50 Orte erwarteten mutige Freibeuter auf ihren Abenteuern. Schon der Start war seinerzeit legendär: Man durfte sich nicht nur aussuchen, für welche der vier Nationen (Holland, England, Frankreich, Spanien) man antreten wollte, sondern auch die Epoche war in sechs Schritten zwischen 1560 und 1680 wählbar. Alternativ war es in der C64-Version sogar möglich, eine von sechs historischen Missionen realer Piraten nachzuspielen. Wer im Besitz des 80-seitigen Handbuchs war, bekam zu jenen Missionen auch interessante Hintergrundinformationen. Im Anschluss konnte man aus vier (!) Schwierigkeitsstufen sowie eine von fünf besonderen Fähigkeiten (Fechten, Navigation, Umgang mit Kanonen, Charme oder Medizin) wählen. Das alles gab es so vorher noch nie!
Kopierschutz 2.0
Was es so intelligent aber auch kaum gab, war der versteckte Kopierschutz: Schon in Silent
Unterwegs in der Karibik. Pixelig? Sicher! Und doch konnte man das Salzwasser förmlich riechen!
Service hatte Publisher MicroProse sein geistiges Eigentum verteidigt, indem man das Handbuch voraussetzte. Bei Pirates wurde das Prinzip dann auf die Spitze getrieben: Die berüchtigte Frage nach der Ankunft der „Treasure Fleet“ oder des „Silver Train“ in einem bestimmten Jahr und Ort plus die Info, ob dies im betreffenden Monat in der ersten oder zweiten Hälfte geschieht, war nur dem Handbuch zu entnehmen - und zwar dem kompletten! Denn man hatte diese Informationen sauber auf die gesamten 80 Seiten gestreckt. Fies? Eigentlich nur fair. Und da in den 80ern Kopiergeräte noch selten waren, grassierten Zettel mit den betreffenden Daten auf dem Schulhof. Man versuchte sein Glück bei der Eingangsfrage dann so lang, bis endlich eine der Fragen (aus 132 möglichen Kombinationen!) kam, für die man den richtigen „Spickzettel“ hatte. Es wurde Raubkopierern in diesem Fall zumindest etwas schwieriger gemacht.