"Doon is`n Ding. Snacken is gering."
Wer hat nach viereinhalb Jahren die Punktenase vorn? Wer hat am cleversten gerodet, gepflanzt, gezüchtet und gewirtschaftet? Darum geht es in diesem Brettspiel für zwei Bauern, die sich mit Planung und Geduld übertrumpfen müssen. Dabei können sie sich auch ein wenig ärgern, indem sie wichtige Aktionen exklusiv besetzen – so fliegen schonmal böse Blicke über den Tisch. Geredet wird dabei wenig, denn es gibt keine kooperativen Aspekte oder Handel, aber zu tun gibt es verdammt viel. Nach knapp einer bis anderthalb Stunden wird dann abgerechnet. Und spätestens auf dem Wertungszettel zeigt sich die Vielfalt von „Arler Erde“: Man bekommt u.a. Punkte für Tiere, Gebäude, Handwerk, Kleidung, Baustoffe, Fahrzeuge und Reisen.
Arler Erde ist für knapp 50 Euro auf deutsch bei Feuerland Spiele erschienen. Es ist für zwei Personen ausgelegt; kann auch alleine gespielt werden.
Im ersten Spiel fällt es einem noch schwer, einen lukrativen Weg in all diesen Möglichkeiten zu finden, die sich auf dem großen Spiel- sowie dem Heimatplan ergeben. Da wird man fast erschlagen von achtzehn Gebäuden, knapp 30 Aktionen plus Waren, Fuhrwerke & Co. Jeder Bauer hat nur vier Arbeiter pro Halbjahr zur Verfügung, die er abwechselnd für eine Aktion einsetzen kann. Der Clou dabei ist die Zweiteilung: Manche Dinge wie den Deichbau kann man nur im Sommer, andere wie das Schlachten nur im Winter erledigen.
Aber wo soll man bloß anfangen? Was ist wirklich nützlich? Man startet ähnlich wie in Agricola mit einer Grundausstattung: Man besitzt ein Fleckchen Land hinter der Deichlinie, einen Stall, eine Scheune, etwas Holz, Lehm und Torf. Aber der Rest unterscheidet sich sehr stark vom Klassiker. Zum einen ist der Versorgungsaspekt nicht so drastisch: Zwar muss man jedes Halbjahr auch Nahrung oder Torf abgeben, aber das ist niemals so existenziell wie in „Agricola“. Hier muss man eben keine Familie über Wasser halten oder sein Haus ausbauen, sondern wie ein ostfriesischer Großbauer über Anbau, Handel, Waren und Scheune regieren – und das macht richtig Laune.
Ein "German Boardgame" im besten Sinne
Die beiden ostfriesischen Bauern fangen zwar klein an, aber brauchen schon jede Menge Platz - der Tisch ist rappelvoll.
Hat man alles aufgebaut, verströmt „Arler Erde“ bereits die typisch deutsche Brettspielgemütlichkeit mit seinen Holzfiguren und dem malerischen Dorfdesign. All das lässt die darunter schlummernde Komplexität schon erahnen: Obwohl das Spiel für zwei Personen ausgelegt ist, ist der Tisch voll mit Plättchen, Figuren, Plänen und Tafeln. Ich empfehle für das Ausstanzen im Vorfeld eine große Kanne schwarzen Tee - natürlich mit Sahne und Kluntje. Aber die Mühe lohnt sich nicht nur, weil das Pappmaterial angenehm solide ist und das Ganze trotz der vielen Tabellen und Zeichen noch recht idyllisch wirkt.
Es lohnt sich vor allem, weil das Brettspiel unheimlich gut für Duelle konzipiert ist. Das merkt man spätestens nach dem zweiten und dritten Anlauf. Wer „Workerplacement“ mag, also Spiele wie „Le Havre“, „Tzolkien“, „Burgen von Burgund“ oder „Agricola“, der wird hier voll auf seine Kosten kommen. Der Reiz ergibt sich gleich zu Beginn einer Partie aus der offenen Entwicklung: Man kann weitere Deiche anlegen oder Moore entwässern, um mehr Platz zu schaffen. Dort kann man wiederum Ställe, Felder oder Gebäude errichten. Man kann sich auf Raps und Weizen im Anbau oder auf die Züchtung von Kühen, Pferden und Schafen konzentrieren – oder angeln gehen. Oder bauen, handeln, reisen.