Die Großen Alten in XXL
Ob Westafrika gleich mit einem großen Malmen in der Tischplatte versinkt? Am besten schonmal die Kaffetasse und die Kekse zur Seite stellen. Wenn man für einen Angriff siebzehn (!) schwarze Würfel in der Hand schüttelt, liegt jedenfalls der Tod in der Luft - und man kann sich ein böses Grinsen nicht verkneifen. Da versammeln sich gerade drei "Große Alte" samt Anhang, so dass man kaum noch Land sieht - der menschliche Kultist wirkt zwischen ihnen wie ein erbärmlicher Wurm. In diesen Momenten fängt das Spiel die Ohnmacht unserer Zivilisation gegenüber dem außerweltlichen Horror von H.P. Lovecraft ganz gut ein.
Cthulhu Wars ist nur auf Englisch erschienen und aktuell lediglich als Einzelexemplar in Brettspielshops, über Auktionen auf Ebay oder Boardgamegeek für 150 - 200 Dollar erhältlich.
Dieses Cthulhu Wars kleckert nicht, sondern klotzt und lässt das Auge regelrecht mitfressen. Die 64 Plastikfiguren sind mit ihren Tentakeln, Mäulern und Verformungen nicht nur genauso grotesk designt, wie man das von Lovecraft'schen Monstrositäten erwartet. Es gibt darunter froschartige, insektoide, untote, drachenähnliche, bestialische oder wurmartige Kreaturen und es macht Spaß, seinen Club der kuriosen Ungetüme aufzustellen. Zwar erreichen die Miniaturen en detail nicht die Klasse eines
Gears of War,
Dust Tactics oder gar die Brillanz des kommenden Journey: Wrath of Demons (
Seite 2, ganz unten), aber sie sind ansehnlich designt.
Und einige sind verdammt groß: Ein außerirdischer Anführer wie der geflügelte "Cthulhu" erreicht ein Gardemaß von 18 cm - okay, er hockt auf einem Felsen,
In der schwarzen Box befinden sich 64 Plastikminiaturen, darunter vier übergroße Figuren der Großen Alten, die teilweise 17 cm erreichen. Auch wenn diese en detail nicht die Qualität erreichen wie etwa jene in Gears of War, sind Design und Verarbeitung ansehnlich. Überhaupt gibt es keinerlei billiges Material - auch die Zauberbücher und sonstige Marker bestehen aus dicker Pappe, die beim Ausstanzen nicht knickt oder franst
aber das ist schon eine halbe Statue. Auch die anderen "Großen Alten" wie der wandelnde Megaglatzkopf "Hastur" oder der grazile Krakengreifer "Nyarlathotep" sorgen bei der ersten Beschwörung am Tisch für einen gewissen Respekt beim Gegner - vor allem, wenn der bisher nur Kultisten und kleine Monster parat hat. Außerdem sieht die Weltkarte irgendwann einfach aus wie ein dämonisches Kolosseum - cool.
Eskorte statt Sturmangriff
Dabei ist Cthulhu Wars kein Blender, es geht in diesem Strategiespiel weder in erster Linie um Gebietsgewinne à la Risiko noch um Masse statt Klasse: Zwar besitzen die Großen Alten enorme Angriffskräfte, aber sie sterben genauso schnell wie normale Monster. Sie haben nämlich keine erhöhte Lebenskraft und eine Sechs reicht aus, um sie zumindest kurzfristig zu verbannen. Das Kampfsystem simuliert den gleichzeitigen Schlagabtausch und ist sehr einfach konzipiert, denn man würfelt pro Stärkepunkt der Armee im betreffenden Gebiet einen W6. Wobei eins, zwei und drei jeweils Patzer sind, vier und fünf lediglich Schmerzen (=Rückzug in Nachbargebiet) bereiten und erst die sechs als "Kill" zählt.
Das kann in der Praxis dazu führen, dass ein Großer Alter zwar seine geballte Angriffskraft von z.B. zehn Würfeln auf die Platte schmettern und bei mehreren Sechsen durchaus vielfachen Tod verbreiten kann, aber dass ihn dieser eine kleine "Flying Polyp" oder "Deep One" mit seiner mickrigen Angriffskraft von einem Würfel mit einer einzigen Sechs ebenfalls töten kann - autsch. Da immer der Betroffene die Opfer in den eigenen Reihen bestimmt, bedeutet das taktisch: Man sollte seine pompösen Riesen niemals alleine lassen, damit man andere opfern kann - wo wir übrigens wieder bei recht authentischem
Der Amerikaner Sandy Petersen hat Cthulhu Wars konzipiert, das Artdesign stammt von Richard Luong.
Cthulhu-Flair wären.
An dieser Stelle ein kurzes Portrait, denn das kommt nicht von ungefähr, dass gerade Sandy Petersen Cthulhu Wars konzipiert hat. Der Amerikaner ist mittlerweile Großvater und hat eine kunterbunte, höchst verspielte Vita vorzuweisen: Er war u.a. als Autor für das Pen&Paper-System RuneQuest aktiv und an der Entwicklung des Rollenspiels zu Ghostbusters (1986) beteiligt. Außerdem hat er viel Computerspielluft geschnuppert: Er hat kurze Zeit an Klassikern wie Pirates sowie Civilization mitgearbeitet, bevor er bei id Software (1993) und danach bei den Ensemble Studios (1997) anheuerte. Er hält Vorlesungen in Game Design, verlegt das Horrormagazin "Arcane: Penny Dreadfuls for the 21st Century" und hat den Film "A Whisperer in Darkness" (2011) als Hommage an Lovecraft mit produziert. Schließlich war er es, der im Rollenspiel "Call of Cthulhu" neben den Großen Alten die Äußeren Götter kategorisiert hat. Und jetzt zurück zum Brettspiel.