Brettspiel-Test: Pandemic - Die Schreckensherrschaft des Cthulhu (Horror-Abenteuer)

von Jörg Luibl



Pandemic - Die Schreckensherrschaft des Cthulhu (Brettspiel) von Asmodee
Gemeinsam gegen Cthulhu
Publisher: Asmodee
Release:
01.10.2016
Spielinfo Bilder  
Pandemic Legacy - Season 1 gehört zu den besten Brettspielen der letzten Jahre, weil es kooperative Spannung mit permanenten Auswirkungen und dramatischen Eskalationen inszenierte. Kein Wunder, dass man im Fahrwasser des Erfolges auch andere Themen als eine Virenepidemie platzieren will. Wie wäre es, wenn die Großen Alten die Welt bedrohen? In diesem Pandemic gilt es mit bis zu vier Ermittlern die Schreckensherrschaft des Cthulhu aufzuhalten.

Vier gewinnt

Der Okkultist ist schon seit zwei Runden wahnsinnig. Der Reporter wurde gerade wahnsinnig. Nur die Jägerin erfreut sich noch geistiger Stabilität - zumindest hat sie noch einen von vier Punkten. Die Stimmung am Tisch ist angespannt und hitzig, denn die Welt steht kurz vor dem Schachmatt. Wenn man sich auf der hübsch illustrierten Karte umschaut, tobt der Schrecken schon wie eine Furie zwischen Innsmouth und Arkham: Fünf Große Alte sind bereits von Kultisten
Pandemic Cthulhu ist komplett auf Deutsch bei Asmodee erschienen. Es ist für zwei bis vier Spieler ab 14 Jahren ausgelegt.
Pandemic Cthulhu ist komplett auf Deutsch für knapp 40 Euro bei Asmodee erschienen. Es ist für zwei bis vier Spieler ab 14 Jahren ausgelegt.
beschworen worden und sorgen mit teilweise permanenten Auswirkungen dafür, dass die Ermittler kaum noch eine Chance haben. Azatoth hat die Zahl der Kultisten dezimiert, Itaquha bindet die Spieler länger an einen besetzten Ort und Yig verlangt mehr Karten für die Versiegelung eines Tores.

Trotzdem gibt es noch einen Funken Hoffnung, denn die Spieler gewinnen diesen kooperativen Kampf gegen Cthulhu, wenn sie vier Beschwörungstore versiegeln, indem sie den betreffenden Ort erreichen und vier oder fünf Karten gleicher Farbe dort abgeben. Optimistisch stimmt, dass auch die wahnsinnigen Spieler mit leichten Mali noch mitmachen können und dass sie bereits drei Tore versiegelt haben. In diesem Fall muss also nur noch ein Ermittler zum Busbahnhof von Arkham ziehen und dort über ein Kartenset für Ruhe sorgen. Außerdem besitzt die Jägerin die Spezialfähigkeit, alle Kultisten an einem Ort sofort zu vernichten. Das klingt alles gar nicht so übel, doch ihr fehlt noch eine Karte und wenn sie auf dem Weg zum Ziel wahnsinnig wird oder Cthulhu aufgedeckt wird...

Komprimierte Spannung

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Die "Weltkarte" besteht aus vier amerikanischen Städten, die im Cthulhu-Mythos von H.P. Lovecraft vorkommen. Es gibt kein Kampfsystem: Sobald ein Ermittler an einem Ort mit Kultisten ist, kann er einen automatisch entfernen. Wahnsinnige Ermittler drehen ihre Charakterkarte um, haben eine Aktion weniger und nicht mehr so effiziente Spezialfähigkeiten.
Auch wenn dieses Pandemic Cthulhu nicht so episch auf mehrere Sitzungen angelegt ist wie das Vorbild und es weder dauerhafte Auswirkungen auf der Karte noch Kettenreaktionen oder eine Charakterentwicklung für die Ermittler gibt, sorgt es für komprimierte Spannung. Man kann in einer guten halben Stunde miterleben, wie die zu Beginn noch überschaubare Situation mit ein paar Kultisten und einem Shogothen langsam eskaliert. Die Dramaturgie lebt davon, dass in einem Ereignisstapel jeweils vier Karten "Das Böse regiert" gemischt sind, die zufällig gezogen werden und für Chaos sorgen. Immer wenn sie aufgedeckt werden, passiert Folgendes: Man muss erst gegen den Wahnsinn würfeln, dann den nächsten Großen Alten aufdecken und schließlich einen weiteren Shoggothen platzieren.

Das Karten- und Würfelsystem ist sehr einfach: Man darf jederzeit eines der (hoffentlich gezogenen) sechs Artefakte wie "Lied des Kardath" oder "Siegel von Leng" ausspielen, um dem Wahnsinn wieder zu entkommen oder die finsteren Mächte etwas einzudämmen. Aber ihr Einsatz verlangt genauso einen Stabilitätswurf wie der bloße Kontakt mit einem tentakeligen Shoggothen - und die bewegen sich immer weiter in die Nähe der Beschwörungsportale. Misslingt die Probe auf dem Sechserwürfel, werden umgehend ein oder zwei Punkte geistiger Gesundheit geraubt. Es kann aber auch sein, dass weitere Kultisten erscheinen - was wiederum Folgen haben kann.

Die Welt braucht Kartensets

Statt einer Kettenreaktion, die sich auf mehrere benachbarte Orte auswirkt, gibt es "nur" eine lokale Eskalation: Sobald mehr als drei Kultisten an einem Ort sind, wird das Ritual des Erwachens vollzogen und der nächste von sechs Großen Alten wird zufällig aufgedeckt. Zu Beginn ist die Welt noch komplett frei von ihnen, aber das ändert sich schnell. Jeder dieser Lovecraft-Bosse hat dann entweder einen sofortigen oder nachhaltigen Effekt auf die Ermittler oder die
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Die Großen Alten sorgen schnell für Chaos.
komplette Spielmechanik. Kann man diese nicht mit Artefakten kontern oder zügig an den letzten Siegelort reisen, heißt es schnell Game Over.

Deshalb herrscht viel Kommunikation am Tisch, wenn es darum geht, wer was mit seinen vier Aktionen macht. Vor allem die Routenplanung über einfache Bewegung oder das Busfahren zwischen Städten sowie der effiziente Kartentausch ist dabei von zentraler Bedeutung. Jeder der vier Orte wie Arkham oder Innsmouth ist mit einer Signalfarbe versehen und man sollte möglichst starke Sets aus gleichen Karten bilden. Die kooperative Herausforderung besteht darin, nicht zu viele Kultisten an einem Ort zusammen kommen zu lassen und die auf alle Spieler verteilten Farben möglichst effizient auf den richtigen Spieler zu konzentrieren, damit er Tore versiegeln kann.

Fazit

Nein, dieses Pandemic kommt nicht an das große Vorbild heran - wer Pandemic Legacy noch nicht kennt und kooperative Spannung sucht, sollte am besten jetzt sofort zum Händler seines Vertrauens fahren. Zum einen ist diese Horrorvariante viel zu kurz und zum anderen gibt es keine permanenten Auswirkungen in Form einer sich verändernden Welt oder Charakterentwicklung mit Narben. Aber gerade in der Kompaktheit liegt auch die Würze dieser Legacy-Abwandlung: Wer mit bis zu vier Freunden eher knackig als episch die Welt vor dem Bösen retten will, wird hier für eine halbe bis dreiviertel Stunde solide bis gut unterhalten. Man muss sich untereinander absprechen, Routen planen und Karten tauschen, um Cthulhus Herrschaft zu verhindern. Dabei sorgt die Spielmechanik zwar nicht für Kettenreaktionen wie bei Viren, aber die Lage eskaliert durchaus dramatisch, wenn ein Held nach dem anderen dem Wahnsinn verfällt. Gerade für Einsteiger oder Gruppen mit wenig Zeit eignet sich dieser düstere Ausflug nach Innsmouth & Co. Wer es epischer, kämpferischer und ansehnlicher mag, sollte sich das prächtige Cthulhu Wars ansehen.


Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

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Kommentare

muecke-the-lietz schrieb am
Nil0 hat geschrieben: ?28.03.2017 13:29 Theoretisch könnte man das Material von Time Stories beim Spielen auch kaputt machen. xD
Ja, könnte man. :D
Das besondere an Time Stories ist ja im Prinzip, dass es nie endet. Die einzelnen Geschichten schon, aber da können theoretisch unendlich viele neue Geschichten von ganz vielen Autoren kommen. Das macht Time Stories ja zu sowas besonderem. Aber sorgt eben auch für extreme Qualitätsunterschiede zwischen den einzelnen Kampagnen. Und so gut wie die ersten 2 fand ich bisher leider keine Kampagne mehr - deswegen auch mein "überhyptet".
Nil0 schrieb am
Theoretisch könnte man das Material von Time Stories beim Spielen auch kaputt machen. xD
muecke-the-lietz schrieb am
Nil0 hat geschrieben: ?28.03.2017 12:17
muecke-the-lietz hat geschrieben: ?28.03.2017 12:14
Es mit Legacy zu vergleichen, halte ich in diesem Falle aber für unfair, denn da kommt derzeit sowieso nicht viel ran, und es (Pandemic Legacy) ist auch viel zu anders und zu speziell, um mit klassischen Boardgames verglichen zu werden. Solche !dauerhaften! Folgewirkungen und Veränderungen der Karte, der Story und der Charaktere (und einigem mehr), gibt es derzeit, soweit ich weiß, nirgendwo sonst. Man schmeißt das Spiel ja faktisch weg, wenn man es durchgespielt hat.
Risk Legacy? Time Stories? Exit Gedöns? Fabelsaft? Vielleicht ist Pandemie Legacy für manche Leute besonders toll, aber neu ist was Anderes.
Bei Time Stories machts du während des Spielens nicht kaputt, und kannst es im Prinzip immer wieder spielen (ist natürlich unspaßig). Das ist lange nicht so konsequent umgesetzt, und spielerisch auch sehr flach, da geht es ja eher um die Story und um die Rätsel. Risk war halt einer der Urväter der Legacy Spiel und ist fantastisch, aber man braucht ja auch immer mal neues Futter. Und ich hatte es eben auch nicht mehr auf dem Schirm. Zumal es erst 2012 kam und 2014 auf Deutsch - Pandemic: Legacy kam 2015. Das Legacy Prinzip ist also in der Gräßenordnung im Brettspiel Bereich schon noch recht neu, und avanciert gerade zu dem neuen Shit.
Fabelsaft kam nach Pandemic Legacy, und ist auch "nur" ein Legacy Light. Hier wird nichts zerrissen und weggeschmissen. Das macht einfach nur süchtig. :mrgreen:
Und Pandemic: Legacy wird nicht umsonst seit geraumer Zeit gehyptet wie Sau, denn, wie gesagt, das ist ein komplexes kooperatives Strategiespiel, mit einer dynamischen Story (inklusive Beziehungen zwischen den Charakteren) und einer sich komplett verändernden Karte, und mit vielen Dingen, die ich aus Spoiler Gründen nicht verraten werde. Du schmeißt das Spiel danach weg. Du kannst das nicht - nicht mal wenn du willst - nochmal spielen. Man zerreißt bestimmte Karten nach Benutzung (wie...
Nil0 schrieb am
muecke-the-lietz hat geschrieben: ?28.03.2017 12:14
Es mit Legacy zu vergleichen, halte ich in diesem Falle aber für unfair, denn da kommt derzeit sowieso nicht viel ran, und es (Pandemic Legacy) ist auch viel zu anders und zu speziell, um mit klassischen Boardgames verglichen zu werden. Solche !dauerhaften! Folgewirkungen und Veränderungen der Karte, der Story und der Charaktere (und einigem mehr), gibt es derzeit, soweit ich weiß, nirgendwo sonst. Man schmeißt das Spiel ja faktisch weg, wenn man es durchgespielt hat.
Risk Legacy? Time Stories? Exit Gedöns? Fabelsaft? Vielleicht ist Pandemie Legacy für manche Leute besonders toll, aber neu ist was Anderes.
muecke-the-lietz schrieb am
Im Prinzip klassischer Fan Service Kram, für alle, die immer noch nicht genug haben, vom ständigen Cthulhu Einerlei, mit dem der Brettspiel und Kartenspielmarkt regelrecht überflutet ist.
Aber dennoch recht kurzweilig und unterhaltsam. Für mich ist es eher das etwas spaßigere und kurzweiligere Arkham Horror. Wer eine Alternative dazu sucht, ist mit Cthulhu Pandemic recht gut bedient.
Eine ernsthafte und gute Alternative zum originalen Pandemie stellt es aber aufgrund seiner sehr oberflächlichen Struktur nicht da.
Es mit Legacy zu vergleichen, halte ich in diesem Falle aber für unfair, denn da kommt derzeit sowieso nicht viel ran, und es (Pandemic Legacy) ist auch viel zu anders und zu speziell, um mit klassischen Boardgames verglichen zu werden. Solche !dauerhaften! Folgewirkungen und Veränderungen der Karte, der Story und der Charaktere (und einigem mehr), gibt es derzeit, soweit ich weiß, nirgendwo sonst. Man schmeißt das Spiel ja faktisch weg, wenn man es durchgespielt hat.
Das kann man von so einem schnellen und simplen Spiel wie Pandemic - Cthulhu nicht erwarten.
schrieb am