Brettspiel-Test: Flügelschlag (Aufbaustrategie)

von Jörg Luibl



Flügelschlag: Sammeltaktik in der Vogelwelt - Das Kennerspiel des Jahres 2019?
Vogelsammeltaktik
Spielinfo Bilder Videos

Stonemeier Games ist ein kleiner, aber überaus feiner Brettspielverlag aus St. Louis. Titel wie Euphoria, Charterstone, Viticulture und das bei uns besprochene Scythe gehören zum Portfolio - kürzlich ist übrigens die Kinderversion My Little Scythe hinzu gekommen. Jetzt ist mit Wingspan von Elizabeth Hargrave erneut ein Spiel erschienen, das auf den ersten Blick aufgrund seines Themas und seiner Ästhetik neugierig macht - es geht um die wunderschön illustrierte Vogelwelt Nordamerikas, in der bis zu fünf Ornithologen um die Wette sammeln. Wir haben uns die deutsche Version Flügelschlag angeschaut.



Ein Spiel für Ornithologen?

Nein, keine Bange: Auch wenn es in Flügelschlag natürlich um Vögel geht, muss man kein zoologisches Wissen mitbringen oder gar ein Experte für diese Klasse der Wirbeltiere sein. Zwar schlüpft jeder der ein bis fünf Spieler in die Rolle eines Ornithologen, aber es geht in erster Linie um cleveres Sammeln mit tollen Kombinationen und etwas Taktik. So legt man über

Flügelschlag ist komplett auf Deutsch bei Feuerland Spiele erschienen. Es kostet knapp 50 Euro, gilt als ausverkauft, aber soll ab Juli 2019 wieder erhältlich sein.
Flügelschlag (Wingspan) ist komplett auf Deutsch bei Feuerland Spiele erschienen. Es kostet knapp 50 Euro, gilt als ausverkauft, aber soll ab Juli 2019 wieder erhältlich sein.
vier Runden immer mehr Vögel in sein Tableau, das drei Lebensräume zeigt. Wer am Ende die wertvollsten Vögel angelockt, die meisten Eier gelegt und möglichst viele der stets variablen Bonusziele erreicht hat, wird gewinnen. Hat man sich eingespielt, steht der Sieger in einer halben bis Dreiviertelstunde fest!

Beim ersten Aufbau staunt, witzelt und rätselt man erstmal. Es ist verblüffend, welcher Fülle an Vögeln man auf den wunderschön illustrierten Karten begegnet: Die meisten kennen natürlich Amsel, Drossel, Krähe, Adler und Uhus. Aber wie artenreich diese Tiergattung ist, wird schon beim ersten Stöbern in den 170 Karten deutlich: Oder wer kennt die Dickzissel, Kieferntangare oder den Katzenvogel? Brillenstärling, Schopftyrann oder Rosalöffler? Auch der Rest des Artdesigns weiß zu gefallen, wobei die pastellfarbenen Eier umgehend ins Auge fallen. Es gibt aber auch einen Würfelturm, eine Wasserstelle und anderes Zubehör wie einen Kasten für den Nachziehstapel. Mit all dem kann man den Tisch nicht nur gut sortiert vorbereiten, es entsteht auch umgehend eine tolle Atmosphäre.

Vögel mit inneren Werten

Beim Spiel zu viert ist der Tisch gut gefüllt.
Beim Spiel zu viert ist der Tisch gut gefüllt. Die Autorin von Flügelschlag (Wingspan), Elizabeth Hargrave, hat übrigens für die ebenfalls hübsch illustrierte Kartentaktik "Tussie Mussie" einen kleinen Preis gewonnen - dort geht es allerdings um Blumen aller Art.
Im ersten Spiel haben wir uns dabei ertappt, wie wir einfach die interessantesten Vögel auslegen wollten - jeder wollte die coolsten, skurrilsten, niedlichsten oder exotischsten Varianten haben. Aber es geht hier nicht um das Äußere. Auf jeder Karte gibt es neben der hübschen Zeichnung sowie kleinen zoologischen Anekdoten wichtige Infos: Die Art des Futters, des bevorzugten Lebensraumes sowie des Nestes, die Zahl der dort platzierbaren Eier sowie die Flügelspannweite. Zwar sind manche Angaben natürlich für das Spiel konzipiert, aber die wesentlichen Merkmale stammen vom Cornell Lab of Ornithology, so dass man auch etwas lernen kann.

Aber viel wchtiger ist natürlich der taktische Sammelspaß. Und entscheidend dafür sind die rosa oder braun markierten Spezialfähigkeiten der Vögel, die entweder beim Ausspielen oder später aktiviert werden und z.B. direkt neue Karten, Futter oder andere nützliche Boni bescheren, darunter auch das Stehlen von Eiern, Nutzen fremder Nester, das Fressen von anderen Vögeln, die dann unter der Karte des Uhus oder Adlers landen - das alles erinnert entfernt an Terraforming Mars. Und diese Fähigkeiten lassen sich in einer Reihe gut kombinieren, so dass sie in einem Zug multiple Boni bringen.

Zunächst geht es darum, seine drei Lebensräume Wald, Wiese und Fluss mit Vögeln zu füllen, von denen man zu Beginn fünf zufällig zieht, dann noch etwas auswählen darf - später warten an der Wassertränke je drei offen ausliegende; außerdem kommen weitere Möglichkeiten über die Fähigkeiten hinzu, um mehr direkte Auswahl zu haben. Trotzdem stehen zunächst die drei am Wasser im Visier aller Beteiligten: Will man den wertvollsten, günstigsten oder hinsichtlich der Fähigkeiten besten Vogel? Oder braucht man spezielle Nester? Was im ersten Spiel noch relativ beliebig scheint, gewinnt immer mehr an Bedeutung, wenn man effizient punkten will.

Kommentare

hauih schrieb am
Hallo
also wir haben das Spiel nun ca 10x gespielt mit verschiedenen Gästen und bisher hat es allen gefallen.
Es stimmt man spielt zwar die meiste Zeit für sich alleine aber einbischen taktieren kann man schon wenn man schaut was wie anderen für Vögel haben und was die Rundenziele sind.
Ich musste es allerdings auch erst 2-3 mal spielen um es richtig gut zufinden.
_1nSaNiTy_ schrieb am
calmon hat geschrieben: ?12.06.2019 23:02 Ich spiele so ziemlich jedes neue Brettspiel über Spielefreizeiten. Die Mechaniken in Flügelschlag sind einfach nicht besonders gut gelungen.
- Eiermaxwerte komplett irrelevant, es spielt nur ganz selten eine Nischenrolle bei welchem Vogel die Euer legen
- die 3 offenen Karten sind oft komplett unbrauchbar und jeder zieht verdeckt bis sie in der Aufräumphase ausgetauscht werden
- die Taktik ist ziemlich eingeschränkt, da man mehr oder weniger per Zufall seine Kombos bekommt (oder auch nicht)
In unserer Spielrunde konnte es keinen überzeugen und von den 70 anderen in der Frezeit gab es auch kaum positive Resonanz.
Finde es viel schlimmer das viele Vögel viel zu OP sind. Allgemein ist das Spiel relativ unbalanced. Bspw bekommen einige Vogel bei jeder Aktion Futter auf sie gelegt, davon zählt jede am Ende 1 Siegpunkt. Das macht das komplette Spiel kaputt. Vor allem da diese Vogel häufig nichtmal besonders teuer sind.
calmon schrieb am
Ich spiele so ziemlich jedes neue Brettspiel über Spielefreizeiten. Die Mechaniken in Flügelschlag sind einfach nicht besonders gut gelungen.
- Eiermaxwerte komplett irrelevant, es spielt nur ganz selten eine Nischenrolle bei welchem Vogel die Euer legen
- die 3 offenen Karten sind oft komplett unbrauchbar und jeder zieht verdeckt bis sie in der Aufräumphase ausgetauscht werden
- die Taktik ist ziemlich eingeschränkt, da man mehr oder weniger per Zufall seine Kombos bekommt (oder auch nicht)
In unserer Spielrunde konnte es keinen überzeugen und von den 70 anderen in der Frezeit gab es auch kaum positive Resonanz.
JohnApoplex schrieb am
FlyingDutch hat geschrieben: ?22.05.2019 16:09
JohnApoplex hat geschrieben: ?22.05.2019 11:58
Raskir hat geschrieben: ?22.05.2019 10:58 Hört sich Spaßig an. Dass es Kennerspiel wird, glaub ich aber nicht. Dafür ist detectives zu gut. Falls du es nicht gespielt hast, schaus dir mal an :)
Ich glaube, dass Flügelschlag die besten Chancen hat. Detectives ist schon ein extremes Nischenspiel und leider werden innovative Spiele bei der Auszeichnung nicht oft belohnt (als Beispiel TIME Stories 2016). Aber wer weiß, vielleicht gewinnt es ja doch, ich hätte noch nicht einmal gedacht, dass es unter den Top 3 landet (hätte mit Architekten gerechnet)
Ich denke auch, dass es Flügelschlag wird. Der Hype war und ist einfach riesig. Ich persönlich kann das nicht nachvollziehen, da mich weder Artwork noch Thematik ansprechen, aber bei anderen scheint das sehr zu ziehen. Aber: Feuerland als Verlag hat den Preis auf jeden Fall verdient :)
Auch mir hat Detective sehr viel Spaß gemacht, wobei ich es jetzt auch nicht als klassisches Brettspiel sehen würde. Wundert mich auch ein wenig, dass es überhaupt nominiert wurde, da der Wiederspielwert ja sehr gering ist.
Auf meiner persönlichen SDJ Liste stehen ohnehin ganz andere Spiele, aber die große "Ist der Spiel des Jahres Preis überhaupt relevant für Vielspieler"-Diskussion gab es ja schon bei der letztjährigen Verleihung... und der davor...
JohnApoplex hat geschrieben: ?22.05.2019 11:38
Was für mich hier ein Traum wäre, wenn du zu deinen Brettspiel Rezensionen ein Video machen würdest... entweder einfach ein bisschen was in die Kamera sprechen was du von dem Spiel hältst, ein Lets play oder sogar eine Spielvorstellung (was natürlich der größter Aufwand wäre) :)
Das sehe ich gänzlich anders. Hier bekommt man noch geschrieben Rezensionen von Brettspielen, was mittlerweile wirklich mit der Lupe zu suchen ist. Video-Lets Plays, -Vorstellungen und -Rezensionen gibt es doch zu jedem Spiel wie Sand am Meer. Gefühlt hat doch jeder zweite...
Jörg Luibl schrieb am
Okay, danke, das ist auch mal interessantes Feedback, was Video im Vgl. zu Berichten angeht.
schrieb am