Special: Wizardry: Proving Grounds of the Mad Overlord (Rollenspiel)

von Jörg Luibl



Wizardry: Proving Grounds of the Mad Overlord: Der einflussreiche Dungeon-Crawler
Der erste Drache
Entwickler:
Publisher: Sir-Tech Software
Release:
01.09.1981
01.09.1981
Spielinfo Bilder  
Wenn man sich mit der Geschichte der Rollenspiele beschäftigt, begegnet man im Nebel der Siebziger Jahre vielen obskuren Gestalten: DND, The Dungeon, Moria, Beneath Apple Manor, Avatar. Erst Anfang der 80er Jahre wird es mit Rogue und Akalabeth: World of Doom für ältere Semester etwas greifbarer, bevor plötzlich zwei einflussreiche Klassiker fast gleichzeitig ihre Premiere feiern: Das aus Akalabeth weiter entwickelte Ultima und das komplett neue Wizardry. In diesem Rückblick geht es um dieses erste Dungeon-Abenteuer von Sir-Tech Software.

Aller Anfang ist magisch

Auch wenn "Beneath Apple Manor" aus dem Jahr 1978 in der Regel als erster Dungeon-Crawler bezeichnet wird, konnte sich das in Pascal programmierte Wizardry bis heute viel stärker im Bewusstsein der Rollenspieler verankern. Das lag nicht nur daran, dass es nach der Premiere auf Apple II im Jahr 1981 auf deutlich mehr Systemen von C64 über GameBoy bis NES erschien und es als Reihe auf acht Teile bis 2001 schaffte. Es lag vor allem an einem Spieldesign, das auf den Grundlagen des damals populären Pen&Paper-Rollenspiels Dungeons & Dragons (D&D) von Gary Gygax aufbaute und das nicht nur Might & Magic, The Bard's Tale & Co, sondern auch japanische Entwickler inspirierte.

Auch auf dem Cover der Sammlung wurde man von dem Drachen der Premiere begrüßt.
Auch auf dem Cover der Sammlung wurde man von dem Drachen der Premiere begrüßt.
So mächtig die spielkulturellen Einflüsse aus Asien heutzutage scheinen, von Final Fantasy über The Legend of Zelda bis Dark Souls, haben viele prominente Rollenspielreihen wie DragonWarrior aka DragonQuest (1986) oder Phantasy Star (1987) ihre Inspiration in westlichen Spielen gefunden. Was war so besonders an Wizardy, dass es selbst in Japan beliebt wurde? So seltsam das klingt: Es war zum einen die Magie des Anfangs, denn digitale Unterhaltung, die sich irgendwie mit Fantasy, Dungeons und heroischen Abenteuern im weitesten Tolkien'schen Sinne befasste, war ja gerade erst geboren. Es war auch sehr clever von Sir-Tech Software, diesen roten Drachen als Coverart zu nutzen.

Dungeons & Dragons lässt grüßen

Schon diese archetypische Echse auf der Box sorgte für Anziehungskraft in einer Zeit, als D&D immer beliebter wurde und es noch keine Demos oder Trailer gab. Aber Andrew
...auf Apple II wirkte die Kulisse sehr spartanisch, aber man konnte Orks immerhin sehen.
...auf Apple II wirkte die Kulisse 1981 sehr spartanisch, aber man konnte Orks immerhin sehen.
Greenberg und Robert J. Woodhead konnten diese Neugier auch nach dem Spielstart befeuern, was allerdings weder an der schwachen Grafik noch der Soundkulisse lag, die beide eher unterlieferten. Man durfte allerdings eine Party aus sechs Abenteurern erstellen, was damals eine Neuerung war, denn in der Regel zogen bis dahin einsame Helden los. Man konnte aus mehreren Rassen wie Menschen, Elfen, Zwerge, Gnome oder Hobbits wählen, ihnen eine Moral von Gut, Neutral bis Böse zuweisen und sie Klassen wie u.a. Kämpfer, Priester, Magier und Dieb zuordnen.

Mit dieser Gruppe zog man komplett ohne Tutorial oder Hilfen los, wurde aber nicht nur mit Texten und Linien abgespeist, sondern sah auch illustrierte Monster und Kisten sowie simulierte 3D-Korridore, die man schrittweise erkunden konnte. Als Aktionen hatte man lediglich Kampf, Abwehr, Zauber, Benutzen oder Flucht zur Verfügung. Auch wenn das heute schrecklich statisch anmutet, erzeugten Fallen, an die 50 Zauber und zufällig auftauchende Feinde innerhalb dieser spartanischen Kulisse für Spannung. Die Karte der Labyrinthe musste man übrigens selber zeichnen und sammelte stets Erfahrungspunkte, die mehr als statistische Vorteile brachten. Daran und an
Auf dem NES kam 1987 mehr Farbe und Textur ins Spiel.
Auf dem NES kam 1987 mehr Farbe und Textur ins Spiel.
anderen Ähnlichkeiten erkennt man schon, warum die Idee zu diesem Spiel laut Greenberg aus einem College-Wettbewerb entstand, in dem es darum ging, D&D zu digitalisieren.

Elite-Klassen und verrückte Magier

Neben der neuen "Party", die als Gruppe loszog, war das Besondere die Charakterentwicklung über Elite-Klassen, denn man konnte seine Helden später in Samurai, Bischof, Lord oder Ninja verwandeln, die je nach Mischung neben kämpferischen auch magische Fähigkeiten hatten und mit diversen Waffen sowie Kleidung ausgerüstet werden konnten, um die Rüstungsklasse zu verbessern. Werte wie Stärke, Intelligenz & Co gab es noch nicht, aber man konnte in Tavernen, Tempeln und bei Händlern interagieren. Und die Story? Da es in erster Linie um Kämpfe ging, gab es lediglich einen erzählerischen Rahmen sowie eine leidlich inszenierte Geschichte über einige atmosphärische Texte.

Alles drehte sich um verrückt gewordene Magier und ein mächtiges Artefakt, das sie nicht wirklich beherrschten. In diesem
Auf dem C64 sah es nicht viel besser aus.
Auf dem C64 sah es 1987 dagegen noch düster aus.
Fall sorgte ein diebischer Erzmagier aus Versehen für ein Erdbeben und erschaffte so ein zehn Etagen tiefes Dungeon unter einer Burg eines anderen Wahnsinnigen, den er bestohlen hatte. Der erklärte diese Welt unter Tage zum Spielplatz für tapfere Helden, die er nach erfolgreicher Säuberung in seine Palastwache aufnehmen würde - was er eigentlich wollte: das in der Tiefe schlummernde Amulett, das ihm todesmutige Helden beschaffen sollten.

Der Anfang vom Sir-Tech-Ende

Und das war ebenso schwierig für die Spieler wie der anschließende, über viele Jahre schwelende juristische Streit um fehlende Anteilszahlungen zwischen Andrew Greenberg, dem Erfinder von Wizardry (es hieß in seiner Urversion von 1979 übrigens noch "Dungeons of Despair"), und dem Entwickler Sir-Tech Software, der ihm die Publishing- und Marketing-Rechte inkl. aller Nachfolger abkaufte. Aber so ehrenhaft wie der Firmentitel, der sein "Sir" immerhin in Anlehnung an Wizardry wählte, blieb es
Selbst auf dem GameBoy Color konnte man 2001 losziehen.
Selbst auf dem GameBoy Color konnte man 2001 losziehen.
in der Realität nicht. Innerhalb dieser Reihe ist Wizardry 6: Bane of the Cosmic Forge von 1990 das Schmuckstück und der kreative Wendepunkt, den ich an späterer Stelle besprechen werde.

Trotz des Erfolges von Wizardry und anderer Marken wie Jagged Alliance geriet der amerikanische Entwickler Sir-Tech Ende der 90er Jahre in finanzielle Schwierigkeiten und wurde 2001 aufgelöst, obwohl es schon Planungen für ein Wizardry 9 gab - daraus ist dann nie etwas geworden.

Aber der Dungeon-Crawler als Genre blieb uns in vielen Facetten von Etrian Odyssey über Dungeon Master bis Black Crypt erhalten und erlebt in den letzten Jahren von Legend of Grimrock bis Vaporum ein ähnliches Revival wie Pen&Paper-Rollenspiele.

Kommentare

Brian the Fist schrieb am
Wizardry 8 ein echtes Highlight. Es war für mich nur bockschwer.
Meine RP Heroes der Jugend. The Bards Tale, Dungeon Master + Chaos strikes back, Roadwar2000, Ultima V (was für eine geile Charaktererstellung),Ultima 9 (schade das es in Vergessenheit geriet) und Champions of Krynn. Grafik nicht wichtig alles spielte sich im Kopf ab. Schöne Zeit.
manu! schrieb am
OMG mein Gehirn hatn aussetzer gemacht (mal wieder) und dachte sofort es gibt ein neues Wizardry ... Himmel habe ich das gesuchtet.
bye all the gods
johndoe1775814 schrieb am
Wizardry 8 ist eines jener Spiele, von dem ich mich noch an ein Zitat erinnere.
Show
Ich fand es damals gut, und heute immer noch, als mein menschlicher Magier nach dem Finale sagte "By all the gods! .... Hey, wait a minute... WE are the gods now!"
Vor allem, wie es gesagt wurde, fand ich in der Situation ziemlich gut. :mrgreen:
Stalkingwolf schrieb am
das freut mich zu hören. Das Spiel erhält leider zu wenig Liebe und Beachtung.
Vermutlich weil reline auch damals das Spiel ausserhalb DE nicht an Mann bringen konnte.
Jörg Luibl schrieb am
Jup, Fate ist auch auf der Liste. Mit Winwood...
schrieb am