Vorschau: Miasma Chronicles (Taktik & Strategie)

von Matthias Schmid



Miasma Chronicles: Taktikliebe und Postapokalypse
Taktikliebe und Postapokalypse
Entwickler:
Publisher: 505 Games
Release:
23.05.2023
23.05.2023
23.05.2023
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ab 44,99€
Spielinfo Bilder Videos
Anspruchsvolle Kämpfe, starkes Design und ganz viel Liebe zum Spiel. Ende Mai erscheint Miasma Chronicles, das neue Taktik-Abenteuer von dem Team, das mit Mutant Year Zero viele Fans gewann. Wir sind für euch nach Schweden gereist, haben die ersten Stunden gespielt und einen ganzen Tag mit den Machern verbracht. Was treibt sie an, welche Elemente sind in so einem Spiel besonders wichtig und warum orientieren sie sich eher an japanischen Klassikern als an X-COM? Das und vieles mehr erfahrt ihr in unserer großen Vorschau.

Was für ein Zirkus!


Seid ihr einzig auf Infos zum Spielablauf, zur Story oder der Technik von Miasma Chronicles aus, dann empfehle ich den direkten Sprung auf Vorschau-Seite 2, denn für diesen Text hole ich ganz bewusst etwas aus… Im immer professioneller werdenden Videospiele-Business ist es nicht (mehr) alltäglich, dass Reporter wie ich den Machern direkt in die Augen und über die Schultern schauen können. Im Sommer 2007 durfte ich bei Infinity Ward noch zwanglos durch die Flure schlendern und Fotos knipsen – wenige Monate vor der Veröffentlichung ihres Meilensteins Call of Duty 4: Modern Warfare. So etwas wäre heutzutage undenkbar! Für eine ähnliche Erfahrung, aber im Jahr 2023, empfiehlt sich ein Trip ins schwedische Malmö, wo die Macher der 2018er Taktik-Überraschung Mutant Year Zero sitzen. The Bearded Ladies nennt sich das mittlerweile 45 Menschen starke Team – und sie lassen mich und ein paar andere Spieleverrückte von Europas Games-Gazetten ganz nah ran an sich. Wir gehen zusammen durch ihre heiligen Hallen (die so unspektakulär wie überschaubar sind und sich in einem unscheinbaren Backsteinbau im Stadtzentrum von Malmö verstecken), sehen dort Tiermasken sowie PS5-Devkits und reden untertags beim Hummus-Sandwich oder abends im Restaurant bei dem ein oder anderen Bier schon so viel übers Spielemachen, über die E3-Absage, über Taktikgames und Retro-Zeugs, dass ich gar nicht mehr weiß, was ich Game Director Lee und Lead Producer Mark in den für den nächsten Tag angesetzten Interviews noch fragen soll…

Gutes Team: Mark Parker (links) ist der Lead Producer von Miasma Chronicles, Lee Varley (rechts) ist der Game Director.
Gutes Team: Mark Parker (links) ist der Lead Producer von Miasma Chronicles, Lee Varley (rechts) ist der Game Director.
Nach ein paar Stunden Schlaf und ungefähr ebenso langer Zeit mit Miasma Chronicles fallen mir aber doch ein paar Dinge ein – warum sie sich The Bearded Ladies nennen zum Beispiel. Lee Varley, ein relaxt wirkender Engländer, der das Spielemachen beim Lemmings-Erfinder Team17 gelernt hat, löst unspektakulär auf: Die Firmengründer hätten damals das Gefühl gehabt, man sei eine Art Zirkus – ein wilder Haufen, der das Ziel habe, die Menschen zu unterhalten. Deshalb fiel die Namenswahl auf die sogenannten "bärtigen Damen", wie man einst unter Hirsutismus leidende Frauen nannte, die in den Zirkussen und Freak Shows des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts auftraten, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Jetzt, wo das geklärt ist, interessiert mich vor allem, wie sehr das Spielemachen eigentlich der Traumjob ist, den sich viele beim Einstieg ins Business erhoffen. Producer Mark Parker, der zusammen mit Lee einige Jahre beim dänischen Hitman-Macher IO Interactive gearbeitet hat, ist zwiegespalten: Er räumt ein, dass man schon ziemlich hart und viel schufte, dass er fast immer um 6 Uhr als erster im Büro sei und dass Spiele-Entwickler vor allem in einer Sache sehr gut seien – im Lösen von Problemen. Gleichzeitig macht es ihn extrem stolz, sein fertiges Spiel im Laden zu sehen – das sei dann auch einer der Gründe, warum es Miasma Chronicles noch als Disc-Version im Einzelhandel geben wird. Lee wird ernst als es um das Thema lange Arbeitszeiten und Crunch geht: Er habe "den Mist" mehrfach in seiner Karriere erlebt und deshalb die Nase voll davon. Mit Nachdruck erzählt er mir: "Wenn ein Junior-Entwickler Extra-Schichten schiebt, dann sage ich ihm direkt, dass mich genau das nicht beeindrucken würde." Bei den Bearded Ladies wolle man diesen Fehler der Branche nicht wiederholen – lieber das Spiel etwas verschieben oder eine Kleinigkeit nicht mehr polieren als die Gesundheit der Menschen hinter dem Game riskieren. Man könnte man als Phrase abtun, aber Lee meint das so, das merke ich dem gereiften Briten an.

Grandia statt X-COM


Schon die Concept-Arts von Miasma Chronicles entwerfen ein düsteres und zugleich schönes Bild einer sterbenden Welt.
Schon die Concept-Arts von Miasma Chronicles entwerfen ein düsteres und zugleich schönes Bild einer sterbenden Welt.
Beide Herren hören es natürlich gerne, dass ich nach mehreren Anzock-Stunden keine Sorgen habe, dass Miasma Chronicles in spielerischer Hinsicht enttäuschen könnte. Ich frage nach, ob sie trotzdem Angst haben, dass ihr Titel, an dem sie nun mehrere Jahre gewerkelt haben, sich schlecht verkaufen könnte. Mark ist da entspannt: Man vertraue dem Publisher 505 Games in puncto Releasetermin, Öffentlichkeitsarbeit & Co. und würde eventuelle technische Probleme im Nu zu beheben versuchen. Er betont zudem: "Wir lügen nicht, wir erzählen keinen Quatsch über unser Spiel, machen keine Versprechungen, die wir nicht halten können.“ In puncto Einspiel-Ergebnis sei es dem Team am wichtigsten, dass sich das Ganze rechne und man mit dem Spielemachen so wie bisher fortfahren könne – den "Ferrari vor der Tür" habe er sich längst abgeschminkt. Zudem erklären mir beide, dass ihre Spiele nicht 80% der Verkäufe in den ersten zwei Wochen verzeichnen, sondern eher wie Marathonläufer sind. Mutant Year Zero verkaufe sich immer noch ganz gut, Taktik-Fans greifen nicht automatisch am Day 1 zu. Außerdem seien die potenziell großen Konkurrenz-Titel der nächsten Wochen, wie Star Wars oder Zelda, eben genau das nicht. Keine Konkurrenz für Miasma Chronicles, weil die Zielgruppe eine ganz andere ist.

Die offiziellen Pressebilder zum Spiel geben das Bildschirmgeschehen nicht sonderlich gut wieder – die Schauplätze sind in echt aber fast so vollgestopt und detailliert wie hier.
Die offiziellen Pressebilder zum Spiel geben das Bildschirmgeschehen nicht sonderlich gut wieder – die Schauplätze sind in echt aber fast so vollgestopt und detailliert wie hier.
Wo sie ihre Spiele, also Mutant Year Zero, Corruption 2029 und Miasma Chronicles, im Taktik-Genre verorten würden, will ich noch wissen. Sind sie näher an X-COM oder an Mario + Rabbids? Game Director Lee verortet seine Titel eher im Umfeld von Gears Tactics oder der Wasteland-Serie, wenn es um westliche Games geht. Aber eigentlich sieht er vor allem Miasma Chronicles in der Tradition großer japanischer Rollenspiel-Abenteuer mit taktisch anspruchsvollen Kämpfen – und nennt Grandia, Parasite Eve oder Xenogears als Paradebeispiele. Von X-COM würde man sich vor allem durch die höhere Zugänglichkeit und das fehlende Meta-Game wie Basenbau oder Squad-Building unterscheiden. Beide Entwickler betonen die Wichtigkeit von einerseits Spielwelt, Geschichte und Environmental Storytelling (um auch Spieler von außerhalb der Taktik-Bubble anzusprechen), andererseits nennt Lee auch die optische und klangliche Wucht innerhalb der Kämpfe entscheidend. Treffer, Animationen und sogar vorbeisausende Schüsse tragen laut ihm enorm dazu bei, dass man als Spieler Spaß an den Fights hat – und dafür brauche es unheimlich viel Detailarbeit und Iterationsprozesse bis das gewünschte Ergebnis erzielt wird. Mark, der nicht nur als Producer fungiert, sondern auch alle Ingame-Texte schreibt, gibt auf das schwächere Corruption 2029 angesprochen zu, dass dieser Titel der Bearded Ladies in nur einem halben Jahr entstand und vor allem dazu diente, Teile des Teams mit Arbeit zu versorgen, während sich Miasma Chronicles in einer sehr frühen Phase befand. Und er räumt ein, dass er die Corruption-Story aus seiner eigenen Feder selbst nicht besonders leiden kann…
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Kommentare

4P|Matthias schrieb am
Solon25 hat geschrieben: ?22.04.2023 09:04 Wie immer von Matthias gewohnt gute Lesekost :)
<3
sourcOr schrieb am
Spiel sieht viel zu gut aus auf den Screenshots
Solon25 schrieb am
Wie immer von Matthias gewohnt gute Lesekost :)
4P|Matthias schrieb am
NagumoAD hat geschrieben: ?21.04.2023 19:02 Hey, danke für den Einblick auf der ersten Seite. Interessant und unterhaltsam sowas mal lesen zu können.
Dankeschön - das freut mich
4P|Matthias schrieb am
BloodGod hat geschrieben: ?21.04.2023 19:22 Wie ist das mit der Bearded Lady am Ende gemeint?
So heißt der Entwickler. Und am Anfang gehe ich darauf ein, dass sie sagen, dass sich ihre Spiele über einen langen Zeitraum hinweg verkaufen - darauf nimmt das Ende Bezug...
schrieb am

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