Auf den Spuren von Anderson
Die Geschichte der Film- und Serienumsetzungen ist noch nicht so alt wie die Games selbst, aber der erste Live-Actionfilm, der wie das erste Spiel schlicht Resident Evil hieß, feierte im März schon den 20. Geburtstag! Insgesamt sechs Teile brachte Rechteinhaber Constantin Film mit dem Duo Milla Jovovich als Hauptfigur Alice und ihrem Gatten Paul W.S. Anderson als Drehbuchautor und Regisseur (bei vier Teilen) heraus. Und einmütig wie selten waren sich Filmkritiker und Games-Fans einig, dass die Umsetzung der Spiele eher mäßig gelungen war. Zu viel Action, dafür viel zu wenig Horror und Atmosphäre, lautete das Urteil. Erfolgreich waren die Filme trotzdem, spielten insgesamt mehr als eine Milliarde Dollar ein.
Hach, sie werden ja so schnell groß! Die junge Billie Wesker mit (noch) kleiner Raupe.
Dennoch wollte Constantin Film nach Teil sechs einen Neuanfang, den sie in die Hände des britischen Horror-Regisseurs Johannes Roberts ("47 Meters down") legten. Der kündigte an, großer Fan der Spiele zu sein und die Handlung der beiden ersten Games in den Mittelpunkt seines Films stellen zu wollen. Das tat er zwar auch, aber seine Version, die im November 2021 in den Kinos anlief, kam ebenfalls nicht gut an – diesmal bei niemandem. Kritiker und Games-Fans waren enttäuscht über eine weitgehend atmosphärefreie Umsetzung der Spiele, denen Roberts einfach nur ikonische Szenen entnommen und die lieb- und weitgehend sinnlos aneinandergereiht hatte. Nicht einmal 50 Millionen spielt der 25 Millionen Dollar teure Streifen ein – ein Flop. Fortsetzung daher ungewiss.
Doch Constantin Film gab nicht auf und verkaufte Netflix die Idee zu einer Resident-Evil-Serie, in der die Töchter von Albert Wesker eine prominente Rolle spielen sollten. Die ist nun gestartet und wir haben die erste Staffel für euch durchgebinged.
Serienhandlung kann Spuren von Spiele-Lore enthalten
Die acht Folgen der ersten Staffel von Resident Evil spielen auf zwei Zeitebenen. Im Jahr 2022 kommen die beiden 14-jährigen Geschwister Ellie und Jade Wesker in New Raccoon City an, um bei ihrem Vater Albert zu leben, der dort führender Wissenschaftler der Umbrella Corporation ist.
Im Jahr 2036 existieren nur noch etwa 300 Millionen Menschen auf der Erde, dafür allerdings etwa sechs Milliarden Zombies, die von den Überlebenden nur Zeros genannt werden. Die nunmehr erwachsene Jade befindet sich seit sechs Monaten in den Ruinen von London, um die Zeros zu erforschen und ein mögliches Gegenmittel gegen den T-Virus zu suchen, der für das Ende der Zivilisation verantwortlich ist. Mehr soll hier gar nicht verraten werden, Kenner der Games wissen auch so schon genug. Die Serie richtet sich nicht nach bereits bestehenden Games, sondern strickt erneut eine komplett neue Handlung um die Grundidee von Resident Evil.
Schon besetzt! Die Untoten begegnen Jade an den ungewöhnlichsten Orten.
Zwar gibt sich der Serienschöpfer Andrew Dabb Mühe, mit seinem Autorenteam immer wieder bekannte und beliebte Kreaturen und Easter Eggs aus den Spielen einzuarbeiten, aber das allein macht eben noch kein Resident Evil aus. Anderson baute in seinen Filmen die bekannten Figuren aus den Games zwar ein, setzte sie aber meist eher stiefmütterlich in Szene. Roberts ließ zwar die geballte Ladung Spielehelden auf das Kinopublikum los, erzeugte aber kaum Spannung. Dabb nun entschied sich dafür, außer Albert Wesker überhaupt keine bekannte Figur der Spiele einzubauen, von der Erwähnung einiger Nebencharaktere einmal abgesehen. Und diesen Wesker werden Spielefans wohl auch kaum wiedererkennen, hat er doch mit dem Lieblingsfiesling der Gamesreihe wenig zu tun.
Umbrella-Chefin Evelyn Marcus muss offenbar die Garderobe von Resi 4-Boss Ramon Salazar auftragen.
Dabei fragt man sich als Fan der Spiele schon, was eigentlich so schwer daran ist, die wichtigsten Komponenten der Games in einen Film oder eine Serie zu packen. Da wäre einmal die Atmosphäre der permanenten Bedrohung, weil man nie genug Munition besitzt, um es mit allen Gegnern aufzunehmen und oftmals Flucht das einzige Mittel ist. Das bietet die Serie immerhin zum Teil, wenn die knapp 30-jährige Jade durch England flieht und dabei einem ordentlichen Monsterkatalog aus den Games begegnet. Doch die zweite Zeitebene 2022 hat leider so gut wie nichts davon.
Viele Monster – wenig Sinn
In den Games haben die Macher oft an genau die richtigen Stellen fiese Monster eingebaut, um dem Spieler maximal an die Nerven zu gehen, ob das der Sprung des Dobermannes durchs Fenster ist oder das Geräusch der angeworfenen Kettensäge, die in den Händen eines maskierten Riesen unbedingt in Leons Gedärme möchte. In der Netflix-Serie ist davon nichts zu finden. Zwar kommen tatsächlich ein paar Monster vor, die vielleicht nicht jeder in der Story erwartet hätte, der Adrenalinkick bleibt dank eher dröge inszenierter Auftritte der Bestien aber aus. Da hilft es auch nicht, dass die Macher im Eurotunnel fast das Cover der PS1-Version von Resident Evil nachbilden, immerhin ein nettes Easter Egg...
Das Salz in der Suppe der Games waren die Zwischen- und Endbosse, die oft mit leicht albernem Habitus eingeführt wurden, mitunter aber verdammt schwer zu besiegen waren. Die Serie täuscht zwar auch hier etwas an, erfüllt die Erwartung aber letztlich nicht, weil – so viel sei verraten – die erste Staffel mit deutlichem Blick auf eine Fortsetzung auf einem fiesen Cliffhanger endet und der bereits angedeutete Endboss nicht zum Zuge kommt.
Der T-Virus und tierische Wirte – das hält Albert Wesker für eine tolle Idee.
Stattdessen versorgt die Serie den Zuschauer mit etwas Coming-of-Age-Problematik und pubertierenden Schwestern, also etwas, dass man bei Resident Evil-Spielen nicht bekommt – und auch noch nie vermisst hat. Es mag gut ins Sendekonzept des Streamingdienstes passen, der gefühlt jede zweite Fantasy- oder Horrorserie für weibliche Teenager konzipiert, die Serie hätte das nicht gebraucht. Immerhin beweisen die vier Regisseure, die je zwei Episoden inszenierten, dass sie etwas bessere Actionszenen schneiden können als Paul Anderson. Statt einem Schnittgewitter von gefühlten fünf Cuts pro Sekunde bietet die Resident-Evil-Serie ein paar feine Plansequenzen, bei denen der Zuschauer tatsächlich etwas erkennen kann und die den Puls nach oben treiben – leider viel zu selten.
Atmosphäre: Fehlanzeige
Die erwachsene Jade in Nöten: Der Umbrella-Konzern jagt die junge Frau quer durch England.
Das große Pfund der Spiele, die teilweise beängstigende Atmosphäre, bekommt die Netflix-Serie also nicht hin. Zwar gibt es ein paar echt blutige Szenen (wenn auch kein Vergleich zur
Resident Evil 7-Schlachtplatte, aber sonderlich spannend oder überraschend fallen die nicht aus. Dadds Hauptproblem war aber offensichtlich die Tonalität. Sollte die Serie sich nun deutlich von den flachen Action-Streifen eines Paul Anderson abheben und ernsthafter, dunkler und ein wenig glaubwürdiger werden? Oder doch die zum Teil extrem klischeehaften Figuren übernehmen? Dass sich die neue Serie da nicht entscheiden kann und beides nebeneinander versucht, ist die vielleicht größte Enttäuschung. Denn die zum Teil durchaus packenden Szenen von Jades Flucht passen überhaupt nicht zu den eher gemächlich erzählten Ereignissen in New Raccoon City (ja, das wird in der Serie erklärt) und den manchmal fast schon albernen Charakteren. Die beiden Zeitstränge wirken selten so, als gehörten sie zur selben Serie. Und den wenigsten Zuschauern dürften beide Storylines gefallen.
Da mag man den Schauspielern wie Ella Balinska ("Charlies Angels") oder Lance Reddick ("John Wick"-Reihe) gar keinen Vorwurf machen. Die geben sich durchaus Mühe, können aus dem wirren Mix aber auch nicht mehr viel herausholen. Dennoch bietet die Serie ein paar Schauwerte sowie nette Ideen und ist trotz einiger Längen leidlich unterhaltsam, sodass Neulinge in der Resident-Evil-Welt vielleicht sogar Spaß damit haben könnten. Für Gamer hingegen ist auch der dritte Versuch von Constantin Film, endlich einmal eine ordentliche Umsetzung der Spiele zu machen, ein Fehlschlag. Lediglich als Suchspiel nach Easter Eggs könnte die Serie für Fans der Spiele ganz unterhaltsam sein – da gibt es einiges zu entdecken. Die Frage, warum es in Form animierter Filme und Serien ganz ordentlich funktioniert, als Live-Action-Version aber nicht, steht weiter unbeantwortet im Raum.