Special: Nagoshi Studio (Unternehmen)

von Matthias Schmid



Nagoshi Studio: Interview: Im Gespräch mit Toshihiro Nagoshi
Im Gespräch mit Toshihiro Nagoshi
Unternehmen
Entwickler: -
Publisher: -
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Toshihiro Nagoshi ist eine besonders schillernde Figur der japanischen Entwicklerlandschaft – heute kennt man ihn vor allem als Mastermind hinter der Yakuza-Serie. Doch in über 30 Jahren beim Branchenurgestein Sega hat er viele andere prominente Spiele entwickelt, darunter Daytona USA oder Super Monkey Ball. Seit Januar 2022 ist er Chef seiner eigenen Firma – ganz unbescheiden Nagoshi Studio benannt –, die zur Studiofamilie des chinesischen NetEase-Konzerns gehört. Wir haben den 57-jährigen Japaner zum Interview getroffen und Spannendes erfahren.

In Tokioter Stadtteil Shibuya haben Toshihiro Nagoshi und sein noch kleines Team ein schickes Büro bezogen, aus dessen Fenstern sie weit über die Millionenmetropole blicken können. Wir waren leider (noch) nicht selbst vor Ort, doch konnten per Video-Meeting mit dem Meister sprechen. Der vielbeschäftigte, meist sonnengebräunte und früher teils divenhafte Entwicklerpromi hat uns, ganz uneitel und freundlich, 30 Minuten lang in seine Spielevita und die Zukunft von Nagoshi Studio blicken lassen. Viel Spaß beim Lesen!

4Players: Sie haben eine ziemlich beeindruckte Software-Vita – von Daytona USA und Scud Race bis hin zu Super Monkey Ball und natürlich der Yakuza-Serie. Welches Spiel ist für sie das wichtigste ihrer Laufbahn?

Toshihiro Nagoshi: Ich bin stolz auf alle Titel, die ich produziert habe und die ein Hit wurden. Daytona USA im Speziellen ist mein erstes Spiel, das weltweit ein Kassenschlager war – deshalb erfüllt mich das mit besonderem Stolz.

4Players: Daytona USA erschien 1994, in der Frühphase der 3D-Revolution – seitdem hat sich vor allem grafisch extrem viel getan. Was ist ihrer Meinung nach der größte technische Meilenstein in der Spieleentwicklung seitdem?

Toshihiro Nagoshi:
Am deutlichsten haben sich die Kameraarbeit und die Beleuchtung verbessert – beides ist essenziell, damit die Nutzer eine emotionale Bindung zum Spiel und dessen Charakteren entwickeln können. Ich finde, das ist ein ganz entscheidender Faktor in der Spieleentwicklung!

Zehn Mitarbeiter zählte Nagoshi Studio zum Start im Februar - im Staff-Bereich auf der offiziellen Webseite werden diese acht vorgestellt. Daisuke Sato (links oben) ist ein alter Weggefährte von Nagoshi, schon 1996 arbeiteten die beiden an Scud Race.
4Players: Sie haben jetzt ein gutes halbes Jahr als neues Nagoshi Studio an Bord von NetEase hinter sich – wie läuft es bisher?

Toshihiro Nagoshi: Seit Februar haben wir hart daran gearbeitet, ein Team zusammenzustellen – wir haben einen Entwicklungsplan und werkeln auch schon an einem neuen Titel. Aber natürlich müssen wir noch mehr Leute anstellen. Deshalb sitze ich seit der Gründung fast jeden Tag in Bewerbungsgesprächen, damit wir exzellente Mitarbeiter für uns gewinnen können.

4Players: NetEase ist bisher vor allem bekannt für Mobile-Marken und die Zusammenarbeit mit westlichen Studios, um deren Franchises nach China zu bringen. Nun stehen sie aber für klassische Arcade- und Konsolenspiele. Was bringt ein Toshihiro Nagoshi für NetEase also mit?

Toshihiro Nagoshi:
Beim ersten Treffen mit NetEase, bei dem es um eine Zusammenarbeit ging, habe ich klipp und klar gesagt: "Ich werde kein Mobile-Spiel machen, das ist schlicht unmöglich. Und: Das könnt ihr außerdem viel besser als ich." Zum Glück waren sie vollkommen einverstanden damit, dafür sie erwarten von mir, dass ich einen Konsolen-Topseller fabriziere. Es gibt aber noch einen Aspekt: Weil moderne Smartphones immer besser werden und fast so leistungsfähig sind wie Konsolen, erleichtert das den Technologieaustauch zwischen NetEase und Nagoshi Studio – auf diese Weise kann NetEase also auch von unserem Tech-Know-how profitieren. Deshalb ist der Zeitpunkt, dass ich mich NetEase angeschlossen habe, eben ein sehr guter gewesen. Und noch eine wichtige Sache: NetEase hat Geld. Und zwar eine ganze Menge Geld!

4Players: Zugebenermaßen – das klingt geradezu ideal, wenn man AAA-Spiele entwickeln möchte. Davor waren sie über 30 Jahre bei Sega, eine verdammt lange Zeit. Wie kam es letztlich zu der Entscheidung, ein neues Kapitel aufzuschlagen?

Toshihiro Nagoshi:
Vor allem in den letzten Jahren war ich in der Top-Management-Ebene von Sega angekommen. Und ich habe dem aktuellen Eigentümer gesagt: "Leute, ich will hier nicht der CEO von Sega werden." Ich bin ein Spieler und Spielemacher, ich möchte meine Karriere dahingehend auch weiter pushen. Schließlich kam ich zu dem Punkt, dass ich dafür bessere Aussichten sah, wenn ich meine eigene Firma gründe und eben nicht weiter bei Sega bleibe. Und gleichzeitig kann Sega nun jemanden zum künftigen CEO weiterentwickeln. So denke ich, dass die Interessen beider Seiten, also die von Sega und meine, am besten gewahrt werden. Das führt gleichzeitig zu einem weiterhin sehr freundschaftlichen Verhältnis mit Sega, auch nachdem ich dort aufgehört habe.

Toshihiro Nagoshi ist neben Yu Suzuki und Yuji Naka eine der großen Sega-Legenden. Anfang 2022 verließ er sein Mutterschiff, nun steht der 57-Jährige Nagoshi Studio vor.
Toshihiro Nagoshi ist neben Yu Suzuki und Yuji Naka eine der großen Sega-Legenden. Anfang 2022 verließ er sein Mutterschiff, nun steht der 57-Jährige Nagoshi Studio vor.
4Players: Um 2008 herum steckte die japanische Videospielindustrie in einer tiefen Sinnkrise – viele Projekte und große Marken wurden von japanischen Publishern an westliche Entwicklungsstudios vergeben. Was war ihrer Meinung nach der Grund dafür?

Toshihiro Nagoshi: Etwa zu dieser Zeit hatte auch ich das Gefühl, dass Spieleentwicklung made in Japan auf dem absteigenden Ast ist. Ein Grund dafür war, dass sich die Spieleindustrie immer mehr auf das Blockbuster-Modell versteifte, also auf einige wenige, dafür sehr starke Marken, in die irre viel Geld gepumpt wird. Dieser Trend war und ist auch in anderen Entertainment-Sparten wie der Filmbranche zu erkennen. Gefühlt verschob sich damals alles in Richtung US-Westküste…

4Players: Sie sind aus unserer Sicht (und aus der vieler Spieler) eine ziemlich schillernde Figur in der Entwickler-Landschaft. Haben die Yakuza-Spiele, mit ihren neongetränkten Umgebungen voller Glücksspiel, Verbrechen und leichter Mädchen, deshalb so gut zu Ihnen gepasst?

Toshihiro Nagoshi:
Ich liebe die Spielwelt von Yakuza auf jeden Fall sehr, auch bei Büchern oder Filmen mag ich solche Umgebungen und Settings. Ich sag mal so: Jemand, der ein Fußballspiel entwickelt, der hat wahrscheinlich zuvor selbst Fußball gespielt oder ist zumindest ein großer Fan davon. Und wenn du ein Rennspiel machst, dann bist du vermutlich ein Autonarr und liebst das Fahren – und dann versuchst du als Designer oder Programmierer, dass du den Spaß am Fahren möglichst gut in deinem Spiel rüberbringen kannst. Damit könnte man ewig weitermachen: Auch die Macher eines Martial-Arts-Spiel sollten sich für Kampfkunst begeistern. Um es kurz zu machen: Ich mag Alkohol und ich mag Frauen – also ja, wahrscheinlich passe ich deshalb so gut zu den Yakuza-Spielen.

4Players: Da machen wir doch gleich weiter: Auf welche Leidenschaft von ihnen treffen wir im ersten Spiel von Nagoshi Studio?

Toshihiro Nagoshi:
Natürlich kann ich noch nicht zu viel von unserem Spiel verraten, aber eine ungefähre Vorstellung kann ich geben: Es wird durchaus Gewalt als Spielelement beinhalten, ich möchte aber nicht zu sehr in Richtung Thriller oder gar Horror gehen. Mein Spiel soll eher wie ein Quentin-Tarantino-Film werden – es darf also durchaus Humor dabei sein. Etwas, das nur einschüchternd oder nur blutig und brutal ist, das passt nicht zu meinem Geschmack – ich will einen menschlichen Touch, etwas Albernheit und etwas Ernsthaftigkeit, danach steht mir aktuell der Sinn.

4Players: Und wann bekommen wir den ersten Schnipsel davon zu sehen, wann wir das erste Nagoshi-Studio-Spiel enthüllt?

Toshihiro Nagoshi:
Da muss ich schon wieder unkonkret bleiben. Aber es ist so: Wenn ich eine Idee habe und Lust darauf, diese umzusetzen – dann sprudelt es auch bald aus mir heraus. Ich bin nicht der Typ, der so etwas lange zurückhalten kann. Ihr werdet also wahrscheinlich nicht mehr allzu lange... Oder sagen wir besser: Ich denke, ich werde damit viel früher an die Öffentlichkeit gehen als andere Entwickler täten!

Kommentare

Der_Pazifist schrieb am
bocman hat geschrieben: ?23.08.2022 14:03
Danke! Matthias und ich haben Fragen erdacht, dann hat er das Interview geführt und ich saß doof daneben. War aber echt super, Nagoshi mal vor der Linse zu haben!
Danke für das Feedback Boris.
Erst das Interview mit Chris Stone und jetzt mit Nagoshi.. läuft ????
Wie gesagt gerne mehr davon!
SgtRampage schrieb am
bocman hat geschrieben: ?23.08.2022 14:03
Der_Pazifist hat geschrieben: ?23.08.2022 10:22 Bitte mehr davon!
Interessantes Interview. Leider etwas kurz und abrupt zu Ende.
Mich würde noch interessieren wer das Interview geführt hat.
Danke! Matthias und ich haben Fragen erdacht, dann hat er das Interview geführt und ich saß doof daneben. War aber echt super, Nagoshi mal vor der Linse zu haben!
4P|Boris schrieb am
Der_Pazifist hat geschrieben: ?23.08.2022 10:22 Bitte mehr davon!
Interessantes Interview. Leider etwas kurz und abrupt zu Ende.
Mich würde noch interessieren wer das Interview geführt hat.
Danke! Matthias und ich haben Fragen erdacht, dann hat er das Interview geführt und ich saß doof daneben. War aber echt super, Nagoshi mal vor der Linse zu haben!
Der_Pazifist schrieb am
Bitte mehr davon!
Interessantes Interview. Leider etwas kurz und abrupt zu Ende.
Mich würde noch interessieren wer das Interview geführt hat.
Opa schrieb am
Lächerlich finde ich ja diese Ablehnung mobiler Spiele.
Während ein kleiner Teil der selbsternannten Spielerschaft die mobilen Geräte verteufelt, zockt ein nicht unerheblicher Teil der Menschheit mobil. Auf Habdys, Switch Konsolen und neuerdings wollen ja sogar Abo Dienste wie Steam eigene Hardware etablieren. Letzteres wäre doch total uninteressant, würde es nicht einen Mark geben für mobiles Spielen.
Naja jedenfalls sollte man sich vielleicht mal eher überlegen, wie man richtig gute Spiele auch auf iOS & co. portiert bekommt anstatt es generell auszuschliessen.
Spätestens seit Oceanhorn bin ich recht optimistisch, daß Mobile Gaming ein Teil der Zukunft sein könnte?
schrieb am