Kerker & Drachen
Obwohl auch reichlich Games zu Deutschlands bekanntestem Rollenspiel "Das Schwarze Auge“ entstanden sind, gilt das in den späten 60er Jahren von Gary Gygax und Dave Arneson entwickelte Rollenspielsystem "Dungeons & Dragons" gemeinhin als beliebtestes der Welt – auch für Videospiel-Umsetzungen. So gab es in den 80er Jahren schon Titel wie Pool of Radiance oder Eye of the Beholder, die auf dem damals aktuellen Regelwerk und dem Fantasyreich "Forgotten Realms" von D&D aufbauten. Spätestens mit Baldur's Gate und Neverwinter Nights gelang dem Spielsystem der endgültige Durchbruch auf dem Gamesmarkt, der dritte Teil der Baldur's Gate-Reihe wird von Rollenspielfans weltweit sehnlichst erwartet und kommt nach einer mehrjährigen Early Access-Version im August 2023 nun endlich heraus. Ein guter Zeitpunkt also, es auch mit einem neuen Film zu versuchen. Ist der besser als seine berüchtigten Vorgänger?
Klassische D&D-Welt
Paladin Xenk (rechts) ist bei der Beschaffung eines wichtigen Artefakts behilflich – und kämpft wie der Teufel. (Quelle: Paramount)
Der Harfner Edgin (Chris Pine, der junge James T. Kirk aus dem Star-Trek-Reboot) hat durch seinen Kampf gegen die bösen Roten Magier seine Frau verloren und wirft trotz einer kleinen Tochter den Lebensmut gleich mit über Bord. Erst die Barbaren-Kriegerin Holga (Michelle Rodriguez, "Rain" aus den Resident Evil-Filmen) kann ihn aus seinem Jammer befreien, gemeinsam ziehen sie die kleine Kira auf. Mit dem mäßig begabten Magier Simon (Justice Smith,
Meisterdetektiv Pikachu) und dem Dieb Forge (Hugh Grant) bilden sie schließlich eine Gruppe, die mit Einbrüchen ihr Geld verdient – bis ein letzter Coup schrecklich schief geht und Edgin sowie Holda im Gefängnis landen. Weil Edgin aber unbedingt wieder zu seiner Tochter will, planen die beiden die Flucht…
Die Freundschaft zwischen Holda und Edgin bildet das Rückgrat des Films. (Quelle: Paramount)
Im Vergleich zu den alten Filmen macht Dungeons und Dragons: Ehre unter Dieben vieles richtig. Eine der wichtigsten Neuerungen: Der Film spielt nicht in irgendeiner selbst erdachten Fantasy-Welt, sondern eindeutig in den Vergessenen Reichen im Bereich der Schwertküste. So kommen Namen wie Baldur's Tor, Niewinter , Underdark oder Tiefwasser vor – legendäre Orte, die D&D-Spielern seit vielen Jahren bekannt sind. Auch die Klassen der Figuren wie Krieger, Barde, Magier oder Paladin passen in die Vergessenen Reiche. Und sogar die Bevölkerung ist Regelwerk-konform: Neben Menschen und Barbaren taucht mit der Druidin Doric (Sophia Lillis, "ES") zum Beispiel ein Tiefling auf, Simon ist sogar ein Nachkomme des berühmten Magiers Elminster. Auch Monster wie Eulenbären, Täuschungsbestien oder Mimic-Schatztruhen sind dabei. So kann es keinen Zweifel geben: Die Autoren des Films haben sich gründlich mit der Vorlage beschäftigt und bescheren so kundigen Zuschauern jede Menge Fan-Service.
Ein sehr lustiges Abenteuer
Das allein macht aber noch keinen guten Film aus. Ohne eine vernünftige Story und gute Schauspieler wäre die Wiedersehensfreude mit den Vergessenen Reichen nur von kurzer Dauer. Glücklicherweise legte Paramount das Projekt aber in fähige Hände. Die Regie-Doppelspitze Jonathan Goldstein und John Francis Daley, die auch den gelungenen "Game Night" drehten, ist hier ganz in ihrem Element. Goldstein schrieb unter anderem das Drehbuch zu "Spider-Man: Homecoming", John Francis Daley, den die meisten wohl aus seiner Zeit als Psychologie Sweets in der langjährig laufenden Serie "Bones" kennen, arbeitet als Regisseur und Autor schon lange mit Goldstein zusammen. Die Story stammt unter anderem von Chris McKay, der den Lego-Batman-Film inszenierte.
Überlebenskampf in der Arena – auch für erfahrene Helden kein leichter Job. (Quelle: Paramount)
Eine vor allem in Comedy erfahrene Gruppe also, die sich hier zusammengetan hat, um für die Zuschauer eine spannende, aber vor allem lustige Reise in die Vergessenen Reiche zu schaffen – und das ist ihnen absolut gelungen. Natürlich erfinden die Macher das Rad nicht neu, aber die Pointen sitzen, die Ideen sind originell und die Story hält über 130 Minuten ein gutes Tempo und leistet sich keinerlei Hänger. Und manche Szenen (fünf Fragen an die Toten) sind absolute humoristische Highlights, die in den kommenden Jahren zu beliebten Clips auf YouTube oder TikTok werden dürften.
Guter Cast, tolle Ausstattung
Grant spielt wieder einmal einen charismatisch-schmierigen Schurken. (Quelle: Paramount).
So ein Film steht und fällt mit seinen Schauspielern – und auch da haben Goldstein und Daley eine gute Wahl getroffen. Chris Pine als Anführer der Gruppe hat sichtbar Spaß an dem selbstironischen Fantasy-Plot und beweist einmal mehr ein gutes Gespür für das Timing von Pointen. Gemeinsam mit Michelle Rodriguez schultert er den Löwenanteil des Films und ist als Plänemacher und Kopf der Gruppe eine echte Schau. Rodriguez selbst haben die Macher viele nonverbale Gags auf den Leib geschrieben, zudem sorgt sie mit einem sehr ausgefallenen Geschmack bei der Partnerwahl nicht nur für ein cooles Cameo, sondern auch viele Lacher. Während Sophia Lillis und Justice Smith nicht viel zu tun bekommen, stechen Rege-Jean Page als mächtiger Paladin Xenk und Hugh Grant als herrlich fies-schleimiger Dieb Forge aus dem restlichen Cast heraus, obwohl sie nur eine limitierte Bildschirmzeit bekommen.
Die vielleicht wichtigste Entscheidung des Films traf allerdings Paramount selbst: Mit der Freigabe eines satten Budgets von etwa 150 Millionen Dollar sorgten sie dafür, dass die Vergessenen Reiche in all ihrer Pracht auch auf der Leinwand erscheinen, hier mussten Goldstein und Daley offensichtlich keinerlei Abstriche machen. Ob ein Arena-Labyrinth im Finale, zahlreiche spektakuläre Zaubersprüche oder die Verwandlung von Doric in verschiedene Tiere – das sieht alles richtig gut aus. Kameramann Barry Peterson fängt das in tollen Bildern ein, die echte Dynamik vermitteln. So ist ein Einbruch Dorics in die Festung von Forge als Tierwesen eine der stärksten Szenen des ganzen Films, gerade weil sie in so gelungene, rasante Bilder gekleidet wurde.
Enttäuscht werden somit lediglich Zuschauer, die sich Dungeons & Dragons: Ehre unter Dieben als ernsthaftes Fantasy-Epos im Stil einer "Herr der Ringe"-Verfilmung gewünscht hätten, dann das bekommen sie hier nicht. Der Film ist zwar in Sachen Story eine klassische Abenteuergeschichte – und als D&D-Kampagne durchaus vorstellbar, aber im Kern eben sehr eindeutig eine Komödie, die die Leute zum Lachen bringen soll und bei der tragische Momente keinen Platz bekommen, selbst wenn der Tod eine Rolle spielt.
Die Rote Magierin Sophina will den Tod auf Erden – und zwar viel davon! (Quelle: Paramount)
Kennen muss man Dungeons & Dragons nicht, um hier Spaß zu haben, der Film funktioniert ganz ohne Vorkenntnisse bestens. Wer allerdings ein Experte im Bereich der Vergessenen Reiche ist und viele Orte der Schwertküste mit der eigenen Rollenspielgruppe oder auf dem Computer bereits besucht hat, bekommt durch das gut geschriebene Drehbuch die Extraportion Wiedersehensfreude. Es bleibt zu hoffen, dass "Dungeons & Dragons: Ehre unter Dieben" der Erfolg wird, den er in puncto Qualität verdient – denn dann dürfen sich die Fans bestimmt auf weitere Abenteuer freuen. Humor ist zwar letztlich immer Geschmackssache, dass in diesem Film aber jemand überhaupt keinen Spaß hat, ist angesichts der Gag-Dichte und der optischen und inhaltlichen Qualität des Streifens schwer vorstellbar. Klare Empfehlung der Redaktion: Ins Kino gehen! Der Film startet am 30. März in den deutschen Lichtspielhäusern.