Special: Die Story & das Spiel (Sonstiges)

von Jörg Luibl



Die Story & das Spiel
Sonstiges
Entwickler: 4Players
Publisher: 4Players
Release:
kein Termin
kein Termin
Spielinfo


Story vs. Spiel - 1:1
Strukturen und Probleme interaktiven Storytellings


Ein Gastbeitrag von Martin Ganteföhr, House of Tales Entertainment


Brauchen Videospiele Stories?

Können Videospiele überhaupt Stories haben - und trotzdem Spiele bleiben?

Über diese fundamentalen Fragen wird seit Jahren gestritten. Narrativität ist das zentrale Element der Weiterentwicklung unseres interaktiven Mediums - der Schlüssel zur kulturellen Relevanz, der Türöffner für Feuilleton-Redaktionsflure! Sagen die einen.

Martin Ganteföhr ist Autor und Spieldesigner. Derzeit arbeitet er am Adventure Overclocked , das sich dem Thema Gewalt widmen wird.
Quatsch, sagen die anderen: Videospiele sind erstmal Spiele - und Spiele sind, mathematisch betrachtet, ein System aus Kombinationsmöglichkeiten, Zuständen und Regeln, mit dem Ziel des Gewinnens. Das Korsett einer Story zerstört die Freiheit des Spielers, und mit ihr den Wesensgehalt des Begriffs Spiel!

Tja. Wer hat hier recht?

Das, liebe Freunde, muß auch weiterhin in anstrengenden Kneipendiskussionen erörtert werden. Für diesen Aufsatz reicht ein etwas simpleres Statement. Videospiele, oder bitte sehr: was man landläufig unter ihnen versteht - haben Stories. Inzwischen fast sämtlich. Man muß sich damit abfinden. Und versuchen, zu verstehen, wie sie funktionieren.

Es stimmt natürlich: einen Roman kann man nicht gewinnen. Bekanntlich besiegt man auch keinen Film. Narrativität und Spiel scheinen in einem beinahe natürlichen antagonistischen Verhältnis zu stehen: Spiel impliziert Gewinnen und Verlieren. Narrative Erlebnisse dagegen lassen sich schlecht auf Skalen abbilden. Dem Erleben eines Konflikts zwischen zwei Charakteren (z.B. einem Streit zwischen mir und meiner Freundin) kommt man mit Gesundheitsbalken nicht recht bei. Ein dramatisches Erlebnis ist ein eigener, überaus komplexer Wert, der mit Gewinn und Verlust im Sinne eines Punktekontos nichts zu tun hat.

Wer eine Story im Spiel haben will, handelt sich also einen Haufen Probleme ein. Denn Narrativität braucht ein lineares, im weitesten Sinne kausales Rückgrat. Dieses Rahmenwerk beschränkt notwendigerweise die Freiheit des Spielers. Verkürzt könnte man sagen: Je mehr narrative Struktur, desto weniger Spiel - und umgekehrt.

Die offensichtliche Schnittstelle zwischen Story und Spiel ist das Gameplay. Ein Spiel braucht Gameplay, um ein Spiel zu sein. Story braucht es, um dem Gameplay Sinn zu stiften; um den inzwischen möglichen Fernseh-Realismus der Bilder mit Bedeutung, Relevanz und Ausdruck zu füllen. Und nicht zuletzt, um Alleinstellungsmerkmale zu schaffen, die sich nicht ohne weiteres von Ingenieuren nachbauen lassen.

Aber wie soll das alles zusammengehen?

Spielbare Strukturen

Daß heutige Videospiele komplexer sind als der simple Antagonismus Story vs. Spiel es andeutet, liegt auf der Hand. Spiele beinahe aller Genres, vom Adventure bis zum Shooter, versuchen beides zu vereinen, oder zumindest in einen stetigen Rhythmus der Abwechslung zu bringen, der die beiden gegensätzlichen Prinzipien miteinander verträglich macht.

Grundgedanke und Ziel allen interaktiven Storytellings ist es, die Story selbst "spielbar" zu machen; sie so in das Gameplay zu integrieren, dass sie ihm nicht nur nicht im Wege steht oder parallel dazu stattfindet, sondern es ergänzt, fördert, sich notwendig daraus ergibt. Das ist zumindest die Idealvorstellung.

Um narrative Inhalte aber überhaupt interaktiv gestalten zu können, ist es unerläßlich, sie als Strukturen zu betrachten. Ob die Strukturen von einer KI befüllt werden, oder von einem menschlichen Autor, kann dabei außen vor bleiben. Das Anlegen der Strukturen wird in jedem Fall von fundamentalen strukturellen Notwendigkeiten bestimmt. Und diese Strukturen zu schaffen, ist Aufgabe jedes Autors (oder KI-Programmierers), der im Bereich narrativer Spieles arbeitet.

Aristoteles (und andere)

Wer mit der Materie zu tun hat, sieht sich früher oder später zurückgeworfen auf die ganz grundlegenden Einsichten der Dramentheorie. Aristoteles. Drei-Akt-Drama. Alt, aber gültig. Man braucht's, und deswegen hat Aristoteles bis heute mehr Street Credibility, als mancher denkt.

Ausgehend von Aristoteles Dramenbegriff haben sich aber gerade im letzten Jahrhundert Theorien entwickelt, die mehr zum strukturellen Verständnis von Stories beigetragen haben als alles davor und vieles danach. Vladimir Propp untersuchte russische Volksmärchen und fand dabei grundlegende erzählerische Funktionen. Claude Levi-Strauss analysierte Indianermythen und arbeitete deren Aufbau heraus. Die Arbeiten der beiden gelten als wegweisend für die Analyse von Literatur und Film und als Grundlage der modernen Erzählgrammatik. 
                

Kommentare

johndoe-freename-51073 schrieb am
Ich sagte ja, es wird viele Leute vor den Kopf stoßen. Aber wir sprechen hier ja von der herkömmlichen Gamezielgruppe. Solche Erzählmuster würden aber viel mehr Leute anziehen, die bisher nicht gezoggt haben, sondern eher Filme schauten und Bücher lasen. Es kommen also viel mehr Leute dazu, als abwandern: Frauen und vor allem alte Menschen. Man würde auch der demographischen Entwicklung Rechnung tragen, nach der es immer mehr ältere und immer weniger junge Leute gibt.
unknown_18 schrieb am
Coole Idee, im Grunde sind so verschiedene Genres nacheinandere - je nach Storieverlauf - im Spiel eingebaut. Find ich gar nicht schlecht, wär wirklich mal was neues. Allerdings wär es wohl wirklich nicht für jeden Spieler etwas und das ist eben auch das heutige Problem: die Spiele müssen wegen ihren Kosten immer möglichst viele Käufer ansprechen und deshalb bestehen heutige Spiele fast nur noch aus Kompromissen und das wird wohl mit den neuen HD Konsolen und den immer höher werdenden Kosten wohl auch nicht so schnell besser.
Ich finde es müsste auch mehr Spiele geben, wo die Story mehrere Handlungsfäden hat und so zu unterschiedlichen Enden führt, jedoch müssten diese Fäden weit gestrickt sein und dem Spieler nicht das Gefühl geben "genau hier kann ich mich wieder entscheiden welchen Weg die Story nimmt", dass muss so gut verpackt sein, das man erst später merkt und darüber nachdenkt was einen wohl auf diesen Weg der Story gebracht hat. Ein Spiel so zu schreiben ist natürlich nicht einfach und ziemlich aufwendig, aber so ein Spiel würde einfach Spass machen, weil es im Grunde fast jeder Spieler anders erlebt.
johndoe-freename-51073 schrieb am
Ich glaube, die ganze Problematik würde sich in Luft auflösen wenn man mal herleitet wie Dramaturgie in verschiedenen Medien aussieht und was es mit Unterhaltungssoftware auf sich hat. Babarien hat schon recht wenn er sagt, man kann in einem Game eine Geschichte nicht einfach so erzählen wie in einem Film oder Buch. Das heist aber nicht, dass man Flickschusterei betreiben muss.
Wenn wir uns mal den "Games"-Begriff und die Genres anschauen, stellen wir fest, das Spiele heute noch genauso funktionieren wie Spielautomaten und zwar unabhängig vom Genre. Die Gameplaystrukturen sind nach wie vor die gleichen. Und das obwohl sich Speicherplatz und Rechenleistung seit den 70 Jahren verzichtausendfacht haben. Früher konnte man aufgrund mangelnden Speichers einfach keine Gameplayvarianten in ein und demselben Spiel unterbringen. Heute ist das absolut kein Problem und es wird auch oft gemacht, aber so zaghaft, dass man sich nur an Genremix's traut statt ein Spiel genreunabhängig zu entwickeln. Gesprochen wird doch hier von Adventures, Shootern usw. und die verschiedenen Probleme beim Storytelling. Jetzt stelle man sich doch einfach mal vor wie es wäre, ein Spiel komplett nach der Story aufzubauen, so das wirklich die Erzählug selbst im Vordergrund steht. Dann würde man einfach die Kameraperspektive und das Gameplay wählen, das zum aktuellen Geschehen am besten passt. Dann werden teuer produzierte Cutscenes, die einen aus dem Flow reissen könnten ,überflüssig. Das Spiel ist die Story und umgekehrt.
Nun zum Problem der Handlungsstränge: Hier muss man einfach kreativ und nicht stoisch logisch denken. Denn auch die Struktur selbst hat Auswirkung auf Spielgefühl. Leider muss ich für dieses Beispiel eine Brücke zum Film bauen, die ich aber gleich sofort wieder abreisse, versprochen!
Im klassischen Genrefilm finden oft ähnliche Dinge statt wie im Gamesbereich, besonders bei Actionstoffen, da diese plotdriven sind. Ich meine damit immer gleiche Handlungsmuster. Aber es gibt jemand,...
johndoe-freename-96614 schrieb am
ich finde eine story gibt einem spiel erst denn sinn, es muss ja nicht so eine sein wie final fantasy, die ja nun wirklich streng geradlinich verläuft wo man kaum verschiedene entscheidungsmöglichkeiten hat.
z.b. tekken eigentlich ein beatem up braucht also absolut keine story damit es spaß macht ^^, die entwickler haben trotzdem eine eingebaut?!
man sieht sogar schon bei solchen spielen werden story eingebaut...
alles in allem... mir sind story wichtig und versetzen mich in eine andere welt :roll: natürlich macht es mir dann auch mehr spaß wenn ich tief in das spiel einteigen kann :)
deswegen spiele ich seit dem 7 final fantasy teil jeden ff teil :roll:, da in ff die story für ein rpg überwältigend ist :)
johndoe-freename-95854 schrieb am
Interessante Kolumne.
Mein Problem mit vielen Spielestories ist dass die Story Writer nicht erkennen dass Spiele ein eigenes spezielles Medium sind, und somit auch die Art des Storytellings anders sein muss. In einem Spiel kann (oder sollte) eine Geschichte nicht wie in einem Film/Buch erzählt werden, sonst wird das Spiel zu genau dem: einem interaktiven Buch oder Film.
Viele Storywriter scheinen eine Vision ihrer Story zu haben die sie so und nicht anders dem Spieler vorsetzten wollen. Das ist aber nicht sinn eines Spiels.
Vielleicht will ein z.B. Spieledesigner am Ende ein tragisches Ende einbauen, etwas was seiner Meinung perfekt zum Hauptprotagonisten passt, ein perfekter abschluß des Spiels.
Das Problem: Wenn er dem Spieler seine Vision aufzwingt macht er das Spiel zum Film, egal wie passend, grandios und berührend das von ihm erdachte Ende ist.
Der Spieler sollte entscheiden dürfen, der Designer muss sich, so hart es für ihn sein mag, zurücknehmen.
Vergleicht es mit einem Film der seinem Zuschauer die Meinung/Aussage ins Gesicht hämmert und einem anderen Film der Fragen offenlässt und Raum zur Interpretation lässt. Der erste Regisseur hat sein Publikum gezwungen genau dass in dem Film zu sehen was er selbst darin sieht, der 2te Regisseur lässt seinem Publikum die Freiheit selbst zu entscheiden.
Bei manchen Genres, z.B. Ego Shootern spielt das weniger einer Rolle.
Bei anderen ist das sehr gravierend, vor allen Dingen RPGs.
RPGs (ich meine nicht diese japandinger) leben davon dass ich eine selbst definierten Charakter erschaffe und auslebe. Das Problem bei den meisten RPGs ist dass sie mich nur oberflächlich meine Rolle selbst wählen lassen, und mich eigentlich in ein Rollenkorsett zwingen um eine Geschichte erzählen zu können (weshalb ich jRPGs aber auch viele westliche RPGs wie Oblivon eigentlich gar nicht als RPGs bezeichnen kann)
Zusätzlich kommt dann noch das "Diese Tür brauch einen Schlüßel" Phänomen was wohl jeder Rollenspieler kennt. 90 % der Türen lassen...
schrieb am