Test: Mass Effect 2 (Rollenspiel)

von Jörg Luibl



Entwickler:
Publisher: Electronic Arts
Release:
28.01.2010
28.01.2010
20.01.2011
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ab 8,25€
Spielinfo Bilder Videos
Loyale Gefährten und Zicken

Wem kann man traue`? drei söldner-Gruppen machen die Galaxie unsicher.
BioWare hatte ja versprochen, dass sich loyale Crewmitglieder eifersüchtig an die Gurgel gehen, um Shepards Gunst zu gewinnen - die grandiose Zickenszene zwischen "Cerberus-Cheerleader" Miranda und Subject Zero verlangt genau das vom Spieler: Er muss sich entscheiden, muss sich auf eine Seite schlagen und in Kauf nehmen, dass die Abgewiesene ihren Loyalitätsstatus verliert. Leider gab es in meinem Abenteuer lediglich einen dieser herrlichen Konflikte; Männer haben sich z.B. nie im Hahnenkampf beharkt oder mich zu Gunst-Entscheidungen gezwungen.

Außerdem vermisst man im Gegensatz zu Star Wars: Knights of the Old Republic die Häufigkeit der Kommentare und Konflikte innerhalb des aktiven Trios. Natürlich gibt es sie und je nachdem, wen man mitnimmt, darf man sich über ein paar automatisch abgegebene Sätze zu diesem oder jenem Thema freuen. Aber erstens kommt das nicht häufig genug vor und zweitens kann man seine Teamkollegen während eines Einsatzes nicht immer direkt ansprechen, um vielleicht gezielt über Begebenheiten vor Ort zu sprechen. Das ist schade, denn so ist man sehr lange einfach schweigsam unterwegs und hat eher das Gefühl der Anführer einer Befehle empfangenden Squad als einer treuen Gemeinschaft zu sein, die auf einem Verhältnis der Loyalität und nicht des Dienstgrades beruht.

Zwar vernachlässigt man im Vergleich zum letzten Fantasy-Abenteuer den Aufbau von interessanten Persönlichkeiten abseits der Gefährten, also mächtige Antagonisten oder dubiose Auftraggeber - da wirkte DA etwas lebendiger, denn die Machtverhältnisse in Ferelden waren zu Beginn vielfältiger und dynamischer. Das liegt auch daran, dass der Rat der Citadel
In der Welt der Kroganer gibt es Grubenkämpfe zwischen hundeähnlichen Monstern. Leider kann man das Fahrzeug da hinten nicht steuern....
in diesem zweiten Teil nahezu keine Rolle spielt. Es gibt nur eine Begegnung mit zwei Verantwortlichen, aber man muss sich weder über den Verbleib der letzten zwei Jahre noch seine Allianz mit Cerberus rechtfertigen. Hier vermisst man als Spieler die politische Tragweite des Abenteuers. Trotzdem inszeniert BioWare erneut ein Schauspiel auf Theaterniveau. Es gibt derzeit kein Spiel, das virtuelle Charaktere im wahrsten Sinne des Wortes so greifbar macht.

Atmosphäre-Killer

Abseits der sehr guten Dialoge werden einige der Rollenspielsituationen allerdings enttäuschend inszeniert - sobald man aus den sehr guten Gesprächen in die Echtzeitsituation kommt, fällt die Qualität und mit ihr der schöne Schleier der stimmigen Atmosphäre: Schon zu Beginn kann man in der Raumbasis Omega für die dortige Anführerin Aria tätig werden, indem man zwei gefährliche Söldnergruppen ausspioniert, die angeblich gegen sie rebellieren wollen. Aber wenn man dann ins Hauptquartier einer der Gruppen kommt, kann man als Fremder einfach so das Datapad mit den sensiblen Informationen vom Tisch nehmen und Aria überbringen - und das, obwohl der Bandenchef samt Leibwächtern direkt daneben sitzt.

Selbst im größten Getümmel hilft die Pause: Attacke wählen, schließen, fertig!
Warum wird man da nicht sofort rausgeschmissen? Warum muss man sich keinen cleveren Weg überlegen, um an die Infos zu kommen? Dass die schweren Jungs keinerlei Reaktionen zeigen ist ganz schwach und sorgt umgehend für einen Glaubwürdigkeitsverlust, zumal der Mann im Gespräch noch authentisch misstrauisch und aggressiv ist. Wenn BioWare die Lebendigkeit der Dialoge auch nur ansatzweise in die Spielwelt übertragen hätte, dann hätte dieses Rollenspiel ein Meisterwerk werden können. Und diese Atmosphäre-Killer sind ja kein Einzelfall: Auch später gibt es Situationen, in denen man vor allem glaubwürdiges Figurenverhalten vermisst: Warum wird ein schwerer Kampfroboter z.B. nicht gegen Fremde bewacht? Ich kann ihn einfach so hacken und gegen die Söldner einsetzen.

Wieso gibt es überhaupt die Fähigkeit der Tarnung für Infiltratoren, wenn man sie genau so wenig wie andere Fähigkeiten abseits des Kampfes clever einsetzen muss? Es ist schade, dass BioWare beim Missionsdesign so stark auf Run&Gun statt Think&Solve gesetzt hat - dabei war da so viel drin! Es gibt lediglich ein paar Ausnahmen, wenn man z.B. einen Schuldigen aus einem Kreis von fünf Verdächtigen über ein Ausschlussverfahren finden oder sich gegen Zeitdruck von Terminal zu Terminal hacken muss. Aber der Anteil dieser Missionen, in denen man mal etwas kombinieren oder recherchieren muss, ist erschreckend gering - meist geht es um Action, Action und nochmals Action. Und hier hat BioWare für meinen Geschmack ein Ungleichgewicht im Spieldesign geschaffen, das das Abenteuer als Rollenspiel entwertet.

Kommentare

hydro skunk 420 schrieb am
Klar. Mir liegt es eigentlich auch fern ein Ende herauszuspielen, was nicht auf meinen persönlichen Entscheidungen basiert sondern lediglich ein Resultat guter Internetrecherche ist.
Denke allerdings trotzdem nochmal die letzte Mission anzugehen und zumindest eine Entscheidung nochmal anders zu fällen. Mir war nämlich bereits bei der Ausführung schon klar, dass es nicht meiner Philosophie entspricht und hatte bereits Sekunden danach gewünscht anders entschieden zu haben.
Tolles Spiel übrigens, besser als der erste Teil, imo. Jedenfalls das meiste betreffend. Mehr dazu morgen im VDT. :wink:
greenelve schrieb am
hydro-skunk_420 hat geschrieben: ?08.04.2017 20:42 Sorry für's Thread Ausgraben, aber ich denke mit meinem Anliegen hier richtig zu sein.
Necro. :Buch:
Ich hoffe ein paar von euch können sich noch gut an den zweiten Teil erinnern um meine Frage beantworten zu können.
Wie wichtig ist ein "perfektes Ende" für den dritten Teil?
Show
Nicht wirklich wichtig. Das hat quasi eine eigene Story mit eigenem Ende. Es könnte, dürfte, Einfluss auf die letzte Abschlusssequenz haben. Aber nichts, was die Story gravierend verändern dürfte. Allenfalls ein paar Missionen weniger - was ich eher bezweifel - und ein paar Dialoge fallen anders aus - was sehr stark der Fall sein dürfte.
Aber:
Im Sinne der Trilogie, spiel mit deinen Entscheidungen weiter. "Genieße" die Konsequenzen. Genieße die Möglichkeit Entscheidungen und Konsequenzen, auch wenn sie teils sehr gering ausfallen, durch drei Spiele ziehen zu können. So episch die Trilogie an sich schon ist, damit wird es noch ein Stück epischer. Also enjoy the epicness.
Kensuke Tanabe schrieb am
Das geht so, brauchst nicht nochmal spielen, Ende ist gut. Kein Dank für meine Hilfe!
hydro skunk 420 schrieb am
Sorry für's Thread Ausgraben, aber ich denke mit meinem Anliegen hier richtig zu sein.
Ich hoffe ein paar von euch können sich noch gut an den zweiten Teil erinnern um meine Frage beantworten zu können.
Wie wichtig ist ein "perfektes Ende" für den dritten Teil?
Habe das Spiel soeben durchgespielt und im Internet gelesen, dass man ein perfektes Ende erreichen kann, wenn man wohl insbesondere in der letzten Mission die richtigen Entscheidungen trifft. Ganz offensichtlich habe ich das nicht, denn...
Show
ich habe zwei Crew-Mitglieder verloren, einmal Legion und einmal Grunt. Zudem habe ich eine Entscheidung getroffen, bei der mir im Nachhinein alles andere als wohl bei ist: Ich habe das Kollektorenschiff NICHT zerstört und sie dem Unbekannten als Spielzeug hinterlassen. Sein schelmisches Grinsen am Ende zeigt mir recht deutlich, dass das keine gute Entscheidung war... oder?
schrieb am