Geheimnisvolle Charaktere
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Vorsicht: Wer online spielt, kann auch von schwarzen Phantomen überrascht werden. |
Dieses andere, dieses geheimnisvolle System von Story fasziniert: Man kann nicht in einem Tagebuch eine Liste an Aufgaben erledigen, damit irgendwann eine Hauptquest abgeschlossen wird – die meist schon vorher über den Titel verraten wird. Man muss in Dark Souls bestimmte Bedingungen erfüllen, damit Ereignisse ausgelöst werden oder Charaktere die Bühne betreten. Was genau, wird immer nur angedeutet. Manchmal stößt man plötzlich auf eine folgenreiche Situation: Es kann sein, dass man einen Ritter oder Zauberer aus seiner Gefängniszelle befreien muss, der eine Belohnung verspricht, die er nicht sofort, sondern erst viel später überreicht – wenn man zusätzlich etwas erfüllt hat. Meist ist es so, dass das Befreien von Gebieten inklusive den mächtigen Dämonen nicht nur den Plot voran treibt, sondern auch interessante Figuren an bekannten Orten erscheinen lässt.
Aber manchmal muss man mit bestimmten Leuten gesprochen haben. Und es geht auch um kleine Rätsel. Die erste Quest besteht z.B. darin, die zwei mysteriösen Glocken zu läuten. Aber warum? Und wo sind sie? Sehr stimmungsvoll sind die Begegnungen mit mächtigen Charakteren, die ihre ganz eigenen Ziele in der Welt verfolgen und sich je nach eigener Route oder Antwort zu ihnen anders verhalten. Ab und zu muss man auch Entscheidungen treffen, ob man hilft oder ignoriert oder gar tötet. Und erstmals gibt es Nebencharaktere, die man über den Einsatz von Menschlichkeit gezielt zur Unterstützung in einem Bosskampf rufen kann – eine tolle Idee für Leute, die ohne Online-Unterstützung kooperativ gegen die Dämonen antreten wollen! Das Schöne ist, dass es sich lohnt, den kooperativen Kampf mit ihnen zu gewinnen. Verzichten muss man hingegen auf die mögliche Änderung der Welt: In Demon's Souls konnte man über sein gutes oder böses Verhalten quasi die moralische Ausrichtung hin zu Schwarz oder Weiß beeinflussen und darüber bestimmte Charaktere anlocken bzw. Ereignisse auslösen.
Eine Online-Schicksalsgemeinschaft
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Die Festungsanlage begeistert: Herrlich verwinkelt, unheimlich stimmungsvoll! |
Man begegnet auch anderen Spielern, die einem im Ernstfall unterstützen, allerdings kann man seine Freunde nicht direkt einladen. Begegnet man sich im Spiel, kann man auf ein Repertoire an Gesten zurückgreifen, von denen man weitere freischaltet – man kann sich verbeugen, mit der Schulter zucken, auf bestimmte Stellen deuten oder zeigen. Wer online loslegt, kann an den vielen Blutflecken manchmal ihre geisterhaften Schemen sehen, die die letzten Momente ihres Kampfes abbilden, oder ihre Nachrichten in glühenden Runen lesen – sie warnen, fluchen, lügen, flachsen, helfen. Allerdings spoilern sie auch viel von der kommenden Gefahr. Und man sollte man sich nicht immer auf das Gekritzel verlassen. Wer offline loslegt hat es schwerer, erlebt das Abenteuer vielleicht intensiver.
Trotzdem entsteht so etwas wie ein kollektives Bewusstsein der Gefahr, der Gemeinsamkeit, aber auch des latenten Misstrauens: Ah, da ist also jemand gestorben! Dort ist tatsächlich ein Schatz? Da soll ich wirklich runter springen? Man ist ja manchmal so naiv. Ich soll diesen goldenen Ritter angreifen, weil er lügt? Und Vorsicht: Es gibt wie im Vorgänger Spieler, die in das eigene Abenteuer eindringen und einen töten können, um als Belohnung Menschlichkeit zu gewinnen. Voraussetzung dafür ist, dass sie die Augäpfel finden und mit dem Eindringen riskieren, selbst auf eine Kopfgeldliste zu kommen. Auch wer Verbrechen in seinem Abenteuer begeht, also Unschuldige tötet und Eide bricht, wird quasi online gesucht.
Schlafloser Seelenjäger
Aber noch einmal zurück zum schlaflosen Offline-Helden des Einstiegs: Ich habe ihn in diesem ausufernden Test leider perspektivisch verlassen und in der Zwischenzeit hat er ein anderes Ziel gewählt. Der Drache ist passé, etwas anderes treibt ihn an, eine Mischung aus Neugier und Habgier: Er will unbedingt in diese Ruine hinter dem verfluchten Garten
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Dark Souls steckt voller Geheimnisse und Überraschungen. |
kommen, denn dort ist er vorhin in einem verzweifelten Kampf gestorben. Und dort leuchten nicht nur über 5000 Seelen und einiges an Menschlichkeit – die kann man ja zur Heilung einsetzen, um Wachfeuer zu schüren oder Unterstützung von Nebencharakteren zu rufen.
Dort wabert aber auch dieses Nebeltor zwischen einem verwitterten Torbogen, hoch oben in einem uralten Turm. Was sich wohl dahinter verbirgt? Ein weiterer Bereich, ein Schatz oder gar ein Dämon? Genau das wollte er heraus finden, als er vorhin in eine tödliche Falle tappte: Von hinten hielten ihn Lianen, von vorne stampfte ein Riese von Ritter heran – danach folgte ein mächtiger Hieb, ein „Nein, nein, neeeeein!“ und das laut verfluchte Ende eines intensiven Spielabends.
Jetzt weiß er, welche Stelle er tunlichst meiden sollte. Jetzt weiß er, dass man den metallischen Hünen langsam weglocken und aus der Distanz zermürben kann. Und wenn er sich dabei konzentriert, müsste es klappen. Es gibt nur ein Problem: Wenn er auf dem Weg dorthin ein zweites Mal stirbt, sind alle Seelen für immer weg. Und so ist es zu erklären, dass Angst und Adrenalin nicht nur bei großen Drachen mit auf der Couch sitzen, sondern bei jedem kleinen Schritt in dieser herrlichen Welt.