Test: Carcassonne (iOS) (Taktik & Strategie)

von Jörg Luibl



Carcassonne (iOS)
Spielinfo Bilder  
Eine lange Zeit bewegten sich lediglich Historiker und Mittelalterfans zwischen den mächtigen Mauern von Carcassonne. Erst Klaus-Jürgen Wrede machte die französischen Festungsstadt auch unter Legestrategen und Familien populär: Im Jahr 2000 erschien sein preisgekröntes Brettspiel beim Hans im Glück-Verlag - seitdem gab es zig Auflagen und Umsetzungen bis hin zu Xbox Live Arcade. Wie fühlt es sich ein Jahrzehnt später auf dem iPad an?

Zeitlose Klasse

Ein Blick auf den neuen Solitärmodus: Man hat ein Limit von 1000 Punkten und muss sich an Bauregeln halten, wenn man erfolgreich sein will.
Es gibt diese Spiele, die selbst in ihrer puren Form nicht altern. Diese Originale spielen sich heute noch genau so gut wie anno dazumal. Nicht nur Tetris und StarCraft gehören dazu, sondern auch Carcassonne. Der Brettspielklassiker ist zwar viel jünger als seine virtuellen Brüder, aber wenn man die ersten Plättchen mit Wegen und Festungen per Fingertipper auf den Bildschirm des iPad legt, fühlt sich das fast an, als würde man in der Vergangenheit spielen - gemütlich, taktisch, edel.

Worum geht es? Ganz einfach: Die meisten Punkte am Ende! Reihum zieht man viereckige Teile, auf denen Klöster, Straßen, Kreuzungen oder Burgteile abgebildet sein können. Diese legt man wie bei einem Puzzel passend an und kann danach noch eine Figur darauf platzieren, um seinen Besitz exklusiv zu markieren. Mit der Zeit entsteht eine große mittelalterliche Landschaft mit Feldern, Straßennetz sowie kleinen und großen Stadtfestungen, wobei jeder überall anbauen kann.

Solitär mit 1000 Punkten

Neu und für Highscore-Jäger unterhaltsam ist die Solitärvariante auf dem iPad: Hier spielt man zwar mit dem klassischen Set von 72 Karten, hat aber 1000 Punkte als Limit und muss sich an stetig wachsende Bauregeln halten. Man darf nicht sofort die Riesenfestung auslegen, sondern muss quasi klein anfangen und sich dann hoch bauen - für welche Größe man Punkte bekommt, wird angezeigt. Abzüge gibt es allerdings auch: Das Anlegen von Teilen kostet je nach Stadtgröße immer mehr Punkte. Wer wild expandiert, verschenkt also etwas. Außerdem sorgt der Zufall natürlich dafür, dass manche Spiele kaum eine lukrative Legetaktik ermöglichen. Oder kann es ein Freund mit diesem Muster an Karten etwa besser? Man kann es ihm schicken!

Bis zu fünf menschliche oder künstlich intelligente Baumeister können sich im klassischen Stil messen. wer setzt seine Figuren taktisch clever ein?
Nur wer Festung oder Straße finalisiert, zahlt nichts - man muss also haushalten. Das Spiel endet, wenn alle Karten gelegt oder mit einem Bau eine Größe von sechs Karten erreicht worden ist. Noch spannender wird der taktische Burgenbau natürlich mit Freunden oder im Internet samt Rangliste.

Multiplayer mit guter KI

Man kann lokal am Platz mit Freunden, über WiFi in einem Haus oder per Internet loslegen. Allerdings nervt es, dass man Freunde umständlich über E-Mail einladen muss - das geht nicht flüssig aus dem Spiel heraus, so dass auch die Übertragung des Solitärmodus etwas kompliziert ist.

Trotzdem macht das Ganze auch mit mehreren Laune, denn selbst wenn man nicht genug Leute findet, darf man welche zuschalten:  Man kann nämlich auf acht männliche und weibliche KI-Gegner zurückgreifen, die mit unterschiedlich aggressivem Verhalten in vier Stufen zur Verfügung stehen. Es lohnt sich auch, ein Spiel zu zweit mit den Figuren aufzufüllen, um es brisanter zu gestalten: Man spürt einen deutlichen Unterschied hinsichtlich der Legetaktik in einem Match mit der naiven "Magd" und der cleveren "Hexe" - da kann man sich schon mal richtig ärgern.

Es kommt schnell zu einem taktischen Wettbewerb um die lukrativsten Orte: Soll ich lieber einen Bauern auf die Felder stellen, um am Ende pro Stadt drei Punkte zu ergattern? Oder soll ich doch auf eine ganz große Stadt aus einem halben Dutzend Teilen setzen? Verflixt, jetzt hat mir die Hexe den Zugang verbaut! Pro Straßenteil bekommt man einen, pro Stadtteil zwei, pro Wappen im Stadtteil nochmal zwei und pro vollständig ausgebreitetem Kloster gar neun Punkte. Die gesamte Bedienung ist überaus komfortabel und intelligent: Mögliche Felder für die gerade gezogene Karte werden markiert, unmögliche Sackgassen als solche gekennzeichnet.  
 

FAZIT



Edel, taktisch, zeitlos: Carcassonne muss man auf dem iPad einfach haben - es ist die bisher ansehnlichste und komfortabelste virtuelle Variante! Im Gegensatz zur letzten Version für Xbox 360 bleibt man dem Artdesign hier treuer. Man hat das Spiel nicht bunt modernisiert, sondern nutzt die originalen Illustrationen von Doris Matthäus, die angenehm dezent und elegant wirken - auch aufgrund der hölzernen Flächen mit ihren Maserungen. Hinzu kommen informative Menüs wie die Restkarten, die man mit einem Tipper genau so leicht ein- und ausblenden kann wie man mit einem Wischer über den aktuellen Sichtbereich hinaus scrollt. Ein Wermutstropfen bleibt die Tatsache, dass die Kontaktaufnahme zu Freunden nur über E-Mail funktioniert (warum wird das Game Center nicht unterstützt?) und dass es bisher keine der Erweiterungen in diese App geschafft hat - es gibt ja schon zig Zusätze, da hätte man wenigstens einen Teil integrieren können. Trotzdem passt dieses Brettspiel wie angegossen auf das iPad, zumal man nicht nur online, sondern dank guter KI und neuem Spielmodus auch als Solist seinen Spaß hat.

WERTUNG



iPhone

„Edel, zeitlos, gut: Carcassonne wurde hervorragend auf das iPad übertragen!”

Wertung: 88%



Kommentare

Jörg Luibl schrieb am
Ja, man müsste die Legespiele eigentlich trennen. Aber so streng unterscheiden wir hier nicht, wenn wir alle zwei Wochen mal ein Highlight vorstellen - und letztlich ist auch Carcassonne ein Brettspiel. Immerhin ist mein Tisch nicht mehr als ein großes, unheimlich zerkratztes dunkles Brett. :wink:
Carcassonne als Original zu testen, hatte ich erst vor. Aber ich weiß nicht, ob sich bei diesem bekannten Klassiker eine Besprechung überhaupt lohnt. Zumal ich nicht eine Erweiterung besitze - bis auf die erste mit den Flüssen. Mal sehen.
Theaias schrieb am
Jaja ich weiß, Haarspalterei aber:
Ist Caracassone nicht eine Legespiel und kein Brettspiel?
Und wann kommt der Test zu Carcasonne bei den Gesellschaftsspielen? Aber mit allen Erweiterungen....
Supabock- schrieb am
DerArzt hat geschrieben:Das kennt man ja von zu Hause.
Sehr gutes Spiel, allerdings nicht so gut wie Dominion (rede von den Brettspielen).
Lustigerweise sind weder Carcassonne noch Dominion Brettspiele.
multikonsolero schrieb am
Nein, ich dachte, noch einen Link zu einem separaten Kommentar gesehen zu haben.
Ich war noch über die hohe Kommentar-Frequenz erstaunt, gerade erst der (sehr treffende) zu Nintendo und dann schon wieder einer...
Naja, dann habe ich mich wohl irgendwie vertan, du wüsstest ja, wenn du zusätzlich zum Test noch 'nen Kommentar geschrieben hättest.
schrieb am