Test: Shadow of the Colossus (Action-Adventure)

von Jörg Luibl



Shadow of the Colossus (Action-Adventure) von Sony
Zeitloses Meisterwerk?
Publisher: Sony
Release:
13.02.2006
22.09.2011
07.02.2018
kein Termin
Erhältlich: Digital, Einzelhandel
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ab 21,86€
Spielinfo Bilder Videos

Shadow of the Colossus hat vor zwölf Jahren beeindruckt. Fumito Ueda und Team ICO inszenierten auf der PlayStation 2 ein ästhetisch und spielerisch einzigartiges Abenteuer. Die begehbaren Kolosse verblüfften mit ihrer Level-im-Level-Technik ebenso wie die auf das Wesentliche reduzierte Regie, die viele spätere Entwicklungen beeinflusste. Bluepoint Games und Sony Japan Studio versprachen ein modernisiertes Remake für PlayStation 4, das dem Spielgefühl des Originals treu bleiben sollte. Wie schlägt sich dieser Meilenstein der Videospielgeschichte nach zwei Konsolengenerationen?



Der Zahn der Zeit

Ich bespreche seit achtzehn Jahren Spiele. Immer wieder begegnen mir Titel vergangener Zeiten als Remakes oder ich lege nochmal das Original ein, weil ich es mit einem Nachfolger vergleichen will. Die meisten meiner Wertungen empfinde ich dann rückblickend als zu hoch. Selbst von mir gefeierte Abenteuer verlieren spätestens nach fünf, sechs Jahren an Faszination. Nicht etwa weil die Technik die üblichen Fortschritte macht und alles hübscher aussieht. Sondern vielmehr, weil sich innerhalb einer Reihe oder eines Genres auch das Spieldesign und damit meine Ansprüche entwickelt haben. Ein Spiel ist auch immer ein Kind seiner Zeit, ich werte also in einem speziellen Kontext von qualitativen Standards und Erwartungen. Dear Esther war mir damals Platin wert, weil es als Novelle in Egosicht ein Pionier des digitalen Storytellings war. Damit hat es einen Weg geebnet.

Das Remake von Shadow of the Colossus orientiert sich spielmechanisch komplett am Klassiker für PlayStation 2 aus dem Jahr 2006.
Zwei Darstellungen sind möglich: Man kann im  "Kinomodus" starten, um die größte grafische Qualität in 1080p oder 4K zu erleben. Für Erstere wird das Bild zunächst in 1440p berechnet und dann runterskaliert; für Letztere wird auch die HDR-Beleuchtung unterstützt. Während in diesem Modus maximal 30 fps erreicht werden, geht es in der zweiten Variante "Performance" mit bis zu 60 fps zur Sache.
In der Folgezeit gab es viele weitere frische Impulse innerhalb der Erzählabenteuer, die sowohl die Statik aufgebrochen als auch die Kommunikation bereichert haben, so dass ich heute nicht mehr so hoch werten würde. Genauso geht es auch dem ersten Uncharted oder Baldur's Gate, die im wahrsten Sinne des Wortes von ihrem eigenen Erfolg überholt worden sind. Und genau das wird die große Hürde für Shenmue 3, dem ich als Backer zwar das Beste wünsche, aber das von offenen Welten, simuliertem Alltag, Kampfsystemen und psychologischen Dramen umzingelt ist. Damals, als ich mich meine bis dato höchste Wertung von 95% für diese "Lebenssimulation" vergab, gab es diese Konkurrenz nicht.

Ähnlich wie sich der Archäologe mit Fundstücken aus unterschiedlichen Erdschichten beschäftigt, die ganz gleichzeitig niedergelegt einer speziellen Kultur zugeordnet werden, hat es der Spielekritiker mit Schichten aus Spieldesign zu tun. Das sind spezielle Zeiträume, in denen sich Entwicklungen so stark beeinflussen, dass man viele ähnliche Merkmale bei unterschiedlichen Titeln findet - manchmal parallel, manchmal überlappend. In der Call-of-Duty-Schicht mit ihrem Fokus auf explosiver Military-Action liegen z.B. die Überreste von Resident Evil 6. Wir werden in einem kommenden Special mal versuchen, die wesentlichen Schichten der Videospielgeschichte auszubuddeln und die prägenden Spielkulturen zu definieren.

Die Grenzen der Nostalgie

Auf der Suche nach dem nächsten Feind richtet sich der junge Held nach dem Strahl des Lichts. Man kann die sechzehn Kolosse nicht frei, sondern lediglich in fester Reihenfolge bekämpfen.
Auf der Suche nach dem nächsten Feind richtet sich der Held nach dem Strahl des Lichts. Er ist  jung, grazil und nahezu spärlich gerüstet: Lediglich in eine Tunika gekleidet  und mit leicht androgynen Zügen, wirkt er fast verletzlich. Doch zusammen mit seinem Pferd bildet er eine Einheit der Entschlossenheit. Spätestens, wenn er sein Schwert zückt, um sich durch die Reflexion des Sonnenlichts das Versteck des nächsten Kolosses anzuzeigen, ist er nur noch eines: ein Krieger.
Fest steht: Dass das Jüngere auch das Bessere ist, ist natürlich keine Gesetzmäßigkeit. Die umsatzgetriebenen Zielsetzungen einiger großer Publisher haben zu fatalen qualitativen Rückschritten und fragwürdigen Standards im Spieldesign geführt. Und nicht wenige "moderne" Abenteuer sind den "alten" Pionieren immer noch unterlegen. Eternal Darkness auf dem GameCube würde in einigen Bereichen auch aktuellen Vertretern des Survival-Horrors Paroli bieten. Und noch heute habe ich viel Spaß im Multiplayer mit Age of Empires: The Age of Kings, das immerhin neunzehn Jahre auf dem Buckel hat. Aber zwischendurch von Klassikern gut unterhalten zu werden oder diese im Kontext aktueller Spiele nochmal ernsthaft einzuschätzen, sind zwei Paar Schuhe; mal sehen, wie sich die Age of Empires Definitive Edition schlägt. Das Alte kann nicht in der Regel, sondern nur in der Ausnahme seine Faszination konservieren. Je weiter ich in die Vergangenheit zurück schreite, desto klarer zeigen sich meist die Defizite - selbst Nostalgie hilft da nicht mehr.

Die freischaltbaren Vergleichsbilder verdeutlichen die grafischen Unterschiede.
Die freischaltbaren Vergleichsbilder verdeutlichen die enormen grafischen Unterschiede zum Original aus dem Jahr 2005 (Japan/USA) bzw. 2006 (Europa).
Mein anno 1999 noch hoch  verehrtes Outcast hat mich in der Neuauflage z.B. komplett ernüchtert. Und als ich kürzlich das von mir als Zwölfjährigem bis tief in die Nacht verschlungene The Bard's Tale von 1985 spielte, musste ich nach fünfzehn Minuten aufhören - so öde war das. Auch, weil aktuelle Interpretationen wie Legend of Grimrock genau dieses Spielgefühl viel besser inszenieren. Meine Ansprüche an Komfort, Konzept und Unterhaltung sind heute ganz andere, weil es ganz andere Vergleiche gibt. Es gibt nur sehr wenige Abenteuer, die dem größten aller Kritiker, nämlich der Zeit, wirklich standhalten. Und unter diesen gibt es nur eines (!), das ich aus heutiger Sicht sogar höher bewerten würde. Dazu müsste seine Ästhetik zeitlos, sein Spieldesign unerreicht und sein Konzept immer noch so einzigartig sein, dass ich nicht mal eben zwei, drei bessere Nachfolger oder Epigonen aufzählen könnte. Es müsste beim erneuten Spielen nicht nur für ein nostalgisches Déjà-vu, sondern für eine verdammte Gänsehaut und ein kräftiges "Wow!" sorgen. Und damit komme ich zu Shadow of the Colossus.
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Kommentare

ray2077 schrieb am
Mit so einer Steuerung macht es keinen Spaß es zu spielen. Ein typischer Fall von sehr gut aufgehüpscht, an sich spielerisch sehr gut, aber eine katastrophale Steuerung - ziemlich buggie.
Hat mit dieser Steuerung nicht diese Bewertung verdient; absolut nicht:
Shake_(s)_beer schrieb am
Ich habe das Remake gerade die Tage auch zum ersten Mal gespielt. Das Original kannte ich zwar namentlich und wusste, dass es schon damals von vielen absolut gefeiert wurde, gespielt habe ich das Original mangels einer PS2 oder 3 aber nie.
Bei mir fällt also jeglicher Nostalgiefaktor weg und ich muss sagen: Nachdem ich es jetzt durchgespielt habe, bin ich hin- und hergerissen. Mehr als einmal habe ich mir beim Spielen gedacht: Wundervolles Kunstwerk, aber schlechtes Spiel!
Wobei schlecht hier natürlich überspitzt ist, aber ich muss tatsächlich sagen, dass ich es auch nicht wirklich gut fand.
Klar, die Atmosphäre ist besonders, allerdings empfand ich sie als nicht so herausragend, wie sie im Vorfeld oft beschrieben wurde. Klar, das Remake kann mit einer guten Grafik und wunderschönen Panoramen aufwarten. Aber auch das ist für mich im Jahr 2020 nichts, was mich nachhaltig und längerfristig beeindruckt. Das gestehe ich dem Spiel aber alles noch zu.
Wirklich negativ überrascht hat mich aber die schiere Monotonie und Langatmigkeit des oft gepriesenen minimalistischen Spieldesigns. Man macht ja wirklich nichts anderes, als von einem Koloss zum nächsten zu reiten um sie dann jeweils zu erlegen. Die Welt ist pure Kulisse, es gibt dort (abgesehen von dem bisschen Sammelkram mit Früchten und Eidechsen) nichts zu tun, zu erleben oder zu entdecken. Sie bietet einfach nur ein paar schöne Panoramen auf dem Weg zum nächsten Koloss und soll natürlich Atmosphäre vermitteln. Ich bin aber, nachdem ich mich daran satt gesehen hatte, nur noch mit dem steuerungstechnisch manchmal etwas störrischen Pferd möglichst schnell zum nächsten Gegner geritten, um das Ganze zu beschleunigen. Die Steuerung empfand ich sowieso allgemein relativ träge, teilweise störrisch und oft nicht wirklich responsiv. Auch wenn Sie wahrscheinlich noch besser funktioniert als beim Original.
Die Kämpfe gegen die Kolosse empfand ich dann am Anfang auch recht schnell als ziemlich eintönig, da sie immer relativ ähnlich...
HunterGehrman schrieb am
4P_1403456628_7130A hat geschrieben: ?30.06.2020 13:56 Würde mich mal über nen Testbericht oder eine Zweitmeinung von jemandem freuen, der das Spiel NICHT zu PS2 Zeiten gespielt hat.
Wenn auch nicht gleich ein Test und vermutlich auch etwas zu spät, aber damit kann ich dienen.
Gestern Abend hatte ich seit langem wieder Mal den TV für mich alleine, also schnell die PS4 angehängt und den Store durchstöbere. Zufälligerweise Shadows of the Colossus gesehen für knapp 10.--
Hab mir gedacht, das sei ja so ein Eposdings, also mal runtergeladen. Ich hatte damals keine PS2 und hatte im Gedächtnis, dass der Jörg das mal so gelobt hatte.
(Aus der Vergangenheit hatte ich übrigens wenig gelernt, denn Uedas anderes Spiel auf der PS4 mit dem fliegenden Köter fand ich echt gruselig, der machte nie was man wollte und die Kamera war grauenvoll...)
Nun den, das Ding gestartet und es passiert.... gar nichts...
Bis ich endlich die lahme Einstiegssequenz überstanden habe, war ich beinahe schon eingepennt.
Als ich dann doch mal irgendwann spielen durfte, wunderte ich mich über die schreckliche Steuerung zu Pferd. Der Gaul bleibt ja überall hängen, dazu noch die schlimme, schlimme Kamera, die bei mir beinahe Übelkeit verursacht.
Ist definitiv kein Spiel für mich, die Kämpfe (kam gestern bis zum 6. Gegner) sind ja inszenatorisch toll gemacht, aber spielerisch ziemlich gleichförmig.
Und dazwischen ist das Spiel einfach nur langatmig. Reite von A nach B, schau dir dabei noch die Panoramen an, die ja wirklich hübsch sind.... Aber wenn ich wandern will, geh ich raus oder spiele Death Stranding, hier will ich aber spielen. Das "Spielen" beschränkt sich dann aber auf "Dreieck hämmern" und den Gaul mehr oder weniger zu steue... Oh, schon wieder an einem Fels hängen geblieben...
Mir ist bewusst, dass ich das Spiel vermutlich falsch spiele. Vermutlich müsste ich an jeder Ecke stehen bleiben und mich umschauen: "Ui, schau mal, eine grosse Brücke", "Ui, schau mal, ein Wald mit hunderten Bäumen, an...
LeKwas schrieb am
4clarkent hat geschrieben: ?23.10.2020 10:52Wurde das Spiel abgewertet auf 92 Punkte? Ich dachte Spiele werden nicht nachträglich abgewertet.
Im Test zum Remake steht weiterhin die 95, seit der Artikel online ging.
Ich nehme an, du hast es mit dem Test zum Original aus dem Jahre 2006 verwechselt, denn damals bekam das Spiel hier eine 92.
schrieb am