Konflikte überall
Doch die Stärke dieses dritten Assassin's Creed liegt ohnehin im Erzählerischen. Schuldkonflikte werden ebenso thematisiert wie komplizierte Vater-Sohn-Beziehungen oder der offene Rassismus in der Frühphase des Sklavenhalter-Amerikas - und das alles vor dem grandios eingebundenen Hintergrund der amerikanischen Unabhängigkeit sowie dem schwelenden Kampf zwischen Templern und Assassinen. Dabei darf natürlich auch nicht die Geschichte von Desmond Miles in der Gegenwart vergessen werden, die sich ebenfalls zuspitzt. Die Templer sind ihm und seiner Truppe auf den Fersen, die Zeit bis zum vermeintlichen Weltuntergang, der nur von den Assassinen verhindert werden kann, wird knapp. Dazu werden viele Fragen beantwortet, die die bisherigen Episoden im Hinblick auf die so genannte "Erste Zivilisation" noch offen ließen.
Auch die Gegenwarts-Geschichte um Desmond wird angemessen fortgeführt und bedient sich dabei zahlreicher Themen, mit denen sich auch Connor beschäftigt.
Allerdings geht Ubisoft gleich zu Beginn sehr freizügig mit den Erlebnissen Desmonds in AC1, 2, Brotherhood und Revelations um und schmeißt (weil es einfach gerade passt und weil sie benötigt wird) einfach eine weitere nicht unwichtige Figur ins Rennen, die man bislang noch nicht kennengelernt hat. Dass dies nicht kohärent ist, scheint egal zu sein - Hauptsache, die Dramaturgie passt. Dass sie in diesem Bereich letztlich tatsächlich passt (und das gilt nicht für alle Elemente), muss den Autoren zu Gute gehalten werden und lässt mich auch verzeihen, dass Desmond abermals ein leicht verändertes Aussehen hat; dass auch Shaun oder Rebecca nicht ganz ihren Vorgänger-Modellen entsprechen, die man noch in Revelations zu Gesicht bekommen hat; und dass der Ausflug nach Manhattan auch nach Mainhattan führen könnte, da im Hintergrund keinerlei der ikonischen Wahrzeichen wie Empire State Building etc. zu finden sind.
Neues Szenario, neue verpasste Chance
Mit dem neuen Szenario hatte Ubisoft die Chance, der bekannten Formel frische Elemente hinzuzufügen und Störfaktoren der Altair- oder Ezio-Kapitel auszumerzen. Und ausgehend von dem, was ich vor kurzem für die letzte Vorschau spielen konnte, schien es zu gelingen. Der Kampf wirkte anspruchsvoller, die Gegner-KI ebenso. Und mit der Wildnis als offene Welt sowie verbindendem Element zwischen den Städten Boston und New York einerseits sowie dem Assassinen-Landsitz andererseits, von dem Connor schließlich agieren wird, schien die Basis für ein erfrischend neues -oder zumindest aufgepepptes- Spielerlebnis gelegt. Wie ich alsbald feststellen musste, habe ich mich dabei geirrt. Da die Kampfsteuerung verändert wurde (es gibt z.B. kein Anvisieren per Tastendruck mehr) war ich während der damaligen Spielesession schlichtweg zu sehr in alten Mechanismen und feinmotorischen Erinnerungen stecken geblieben. Denn hat man sich an die neuen Kontrolloptionen gewöhnt, ist der Kampf ebenso simpel und langweilig wie in den letzten Assassinen-Ablegern.
Der Kampf ist nach wie vor viel zu leicht. Selbst größere Gegnergruppen stellen kein Problem dar.
Wie es anders hätte gehen können, demonstriert z.B. das "Freeflow"-Kampfsystem der letzten Batman-Spiele. Ebenfalls mit geschmeidigen Animationen zu mitunter spektakulär choreografierten Auseinandersetzungen führend, zeigt der dunkle Rächer, das mit einem im Kern simplen Schere-Stein-Papier-Prinzip und entsprechend vom Spieler geforderten unterschiedlichen Reaktionen Spannung aufkommen kann - so man will. Hier jedoch hat man dazu nicht einmal Gelegenheit. Ja: Stärkere Gegner lassen sich von Connor nicht so einfach mit dem Standardangriff ausschalten. Doch unter dem Strich wird man von keinem Gefecht vor eine ernsthafte Probe gestellt. Es sei denn, man wird von den optionalen Zielen dazu aufgefordert, keinen oder nur wenig Schaden zu nehmen. Doch selbst dann wird es einem häufig zu leicht gemacht. Dabei hätte mit nur wenig Einsatz Abhilfe geschaffen werden können: Lasst z.B. den einen Gegnertyp erst dann verwundbar sein, wenn er rückseitig attackiert wird! Oder wenn vorher eine Serie an Standard-Feinden erledigt wurde und er darüber kurzzeitig die Fassung verliert. Oder man muss sich auf die Dächer zurückziehen, da man ihn nur durch eine wuchtige Luftattacke töten kann. Oder man muss eine Falle stellen (das ist jedoch nur in der Wildnis möglich und funktioniert nur bei Tieren). Es gäbe viele Optionen, wie man das Kampfgeschehen aufwerten könnte. Und man hat mit Stolperminen, Rauchbomben oder Giftpfeilen eigentlich alles im Gepäck – allein die Notwendigkeit, diese Hilfsmittel zu nutzen, ist nicht gegeben. Der Standardangriff sowie das Block-/Konter-System sind übermächtige Gehilfen.