Alte Bekannte & neue Gefahren
Das Design vieler Kreaturen ist immer noch Furcht einflößend - große Teile des Spielablaufs dagegen nicht.
Die Begegnung mit den Nekromorphs erinnert fast an ein Familientreffen: Da sind sie wieder, die ekligen Slasher, die spuckenden Puker, die kleinen Lurker oder die nervigen Exploder, die mit ihren explosiven Keulen fatalen Kollateralschaden anrichten können. Mein Highlight bleiben aber immer noch die „Stalker“, die wie Velociraptoren im Rudel jagen und versuchen, den Spieler in eine Falle zu locken. Leider vermisst man einige Gegnertypen: Sowohl die mottenartigen Infectors, die Leichen wiederbeleben können, als auch das „Pack“ mit den kleinen „Kindermonstern“ treten hier nicht auf. Dafür haben es ein paar Neuzugänge ins Aufgebot geschafft: Der Twitcher könnte ein Verwandter der Slasher sein, doch bewegt er sich mit einem rasenden Tempo und lässt sich eigentlich nur unter Hilfe der Stase ins Fadenkreuz nehmen. Dazu gesellen sich gut gepanzerte Alien-Nekromorphs und Waster, deren Unterleib nach der Zerstückelung gerne noch als Tentakel-Mutation weiterlebt.
Eine interessante Ergänzung sind die Feeder - kleine Skelett-Wesen mit einer gewissen Aasgeier-Mentalität. Ähnlich wie die Monster aus dem Horrorfilm Descent verlassen sie sich in erster Linie auf ihr Gehör und sind weitestgehend blind. Erst wenn man sie direkt mit der Taschenlampe anstrahlt, reagieren sie und greifen kurze Zeit später in großer Anzahl an. Cool: Man kann die Biester gezielt auf die falsche Fährte locken und dadurch sicher umgehen, wenn man z.B. Dosen mit Kinese in die Ecke schleudert und sie durch den Lärm ablenkt. Leider vergibt Visceral die Chance, die neue Spezies wirkungsvoll in den Spielablauf einzubinden. Es wäre z.B. sehr viel spannender gewesen, ihnen unbewaffnet aus dem Weg gehen zu müssen anstatt auf der sicheren Seite zu sein, sie zur Not einfach über den Haufen schießen zu können. Überhaupt vermisst man Situationen, in denen man der Bedrohung hilflos gegenübersteht. Im Gegenteil: In der Regel ist man stets perfekt gerüstet, um es selbst mit einer ganzen Flut an Kreaturen aufzunehmen. Zwar gibt es ein paar haarige Situation, doch echte Panikmomente erlebt man nur selten.
Wo bleibt der Horror?
Die Charaktere sind oberflächlich, viele Dialoge platt und die Story stiftet mehr Verwirrung als Begeisterung.
Es mag auch der Fortsetzungs-Fluch sein, weshalb sich Angst und Horror nicht mehr so entfalten können wie früher. Warum? Weil Kenner der Reihe mittlerweile wissen, was sie erwartet. „Hey, schau mal, da ist ein Lüftungsgitter.“ Damit steigt die Chance, dass jeden Moment ein Vieh durch die Öffnung bricht. Und passiert es nicht beim ersten Mal, dann vielleicht auf dem Rückweg. Nach der Erfahrung aus den ersten beiden Spielen ist man quasi auf alles vorbereitet. Gut gemeinte Schockmomente schocken nicht mehr - sie werden vorhersehbar! Nur selten gelingt den Entwicklern noch das Kunststück, mich wirklich zu erschrecken oder gar zu überraschen.
Selbst die wenigen, aber durchaus beeindruckenden XXL-Bossgegner verlieren schnell ihren Schrecken, wenn man einen Blick in sein gut gefülltes Inventar mit all den Heilpaketen, Munitions-Clips und durchschlagenden Waffen wirft, von denen man maximal zwei mitführen darf. Wenn man das Muster durchschaut hat, ist selbst der finale Endkampf eine Sache von fünf Minuten. Zudem wird meist dafür gesorgt, dass bei XL-Gegnern das zusätzliche Erledigen von Standard-Monstern den Nachschub an Munition und Medizin sichert. Hinzu kommt, dass man beim Design der Bosse nicht sonderlich kreativ war: Das spinnenartige Schneemonster, mit dem Spieler der Demo schon Bekanntschaft gemacht haben, könnte z.B. ein kleiner Bruder der Akriden aus Lost Planet sein - die orange leuchtenden Schwachstellen wären ein weiteres Indiz für die Verwandtschaft. Überhaupt scheint der Capcom-Shooter als Inspirationsquelle gedient zu haben: Nach dem Absturz auf dem Eisplaneten muss man auch hier zunächst seine Körpertemperatur im Auge behalten und sich an Feuern aufwärmen.