Texte, Dialoge, Texte. Dialoge
Cyberpunk 2077 bietet tausende Text- und Dialogzeilen, die angeblich den Umfang des Herrn der Ringe sprengen. Wobei die Gespräche ähnlich wie in Red Dead Redemption 2 und anderen großen Abenteuern sehr elegant beim Spazieren oder Fahren eingeflochten werden, so dass ein angenehmer Erzählfluss während der Erkundung entsteht. Und es gibt einige tolle Charaktere, darunter der Japaner Takemura als wichtiger Kontrapunkt zu Johnny: Er vertritt als eine Art Samurai der alten Schule andere Werte als Johnny, setzt auf Familie, Tradition und Ehre. Und sorgen die Konzerne nicht dafür, dass die Leute in Sicherheit leben und nicht alles ins Chaos stürzt? Mimik und Gestik erreichen dabei filmreifes Niveau, so dass es auch einige nonverbale Hinweise auf Emotionen gibt. Sehr schön auch, dass Charaktere nicht nur SMS schicken, sondern auch auf Antworten, die man aus vorgegebenen Blöcken wählt, reagieren: Falls euch eine Lady in einem ganzen Absatz ihre Sorgen mitteilt, antwortet mal mit einem schnöden "Okay"...
Es gibt neben zig Einträgen und Nachrichten in Computern ein unfassbar großes Archiv, das euch neben Schopenhauer oder Gedichten nicht nur alle Begriffe der Welt erläutert, sondern auch Hintergründe des Pen&Paper-Rollenspiels Cyberpunk 2020 eröffnet. Schade ist, dass diese Texte, die ihr über "Splitter" findet, nicht öfter in die Missionen oder die Spielmechanik eingebunden sind. Sprich: Sie sorgen für eine getrennte Erzählebene mit einem Info-Überfluss, der vor sich hin wächst. Immerhin findet man ab und zu Splitter, die einen Virus haben, so dass ein Hacking-Minispiel startet oder auch Nachrichten in gehackten Computern, die einem z.B. genau die Container-Nummer verraten, in der sich eine einzigartige Waffe befindet. Davon hätte es gerne mehr geben dürfen!
Entscheidungen und Konsequenzen
Zwar hat nicht alles Konsequenzen, nicht alles lässt sich so oft in Dialogen auflösen oder in eine Richtung lenken wie in The Outer Worlds oder gar Disco Elysium. Es gibt ja in der Charakterentwicklung keine rhetorischen Werte wie Überzeugung, Einschüchterung oder Charisma. Doch schon früh erlebt man ganz unterschiedliche Reaktionen: Als ich eine zu eifrige Polizistin finden und verschwinden lassen, aber nicht unbedingt töten soll, versuche ich es an der Vordertür. Da es keine Klingel gibt, will ich das Schloss knacken, aber da fehlt mir ein Level in Tech. Also geh ich ein Stockwerk runter, wo ich durch eine Wohnung auf den Balkon gelange, dort ein, zwei mal hinauf kletter und schließlich eine Etage weiter oben zur Polizistin gelange.
Ihr könnt Feinde auch per Quickhack in Brand setzen...
Die stellt mich sofort mit gezückter Waffe zur Rede und wenn ich dann das Richtige sage, kann ich den Konflikt gewaltlos lösen. Wenn nicht, stirbt sie. Damit wäre die Mission so oder so erledigt. Jetzt zum genauen Hinsehen: Falls die Polizistin nicht stirbt, und man sie später besucht, wird man etwas entdecken. Hier gibt es keinen Hinweis vom Spiel und auch ich enthalte mich, aber es lohnt sich, manche Schauplätze mehrmals zu erkunden, nachdem etwas passiert ist. Neben diesen magischen Momenten, die man sich selbst erschließt, gibt es allerdings für Rollenspieler auch eine weitere Ernüchterung, was Konsequenzen je nach Tat betrifft.
Es gibt ja lediglich die allgemeine Street Credibility, die nach allen möglichen Erfolgen in Missionen ansteigt und euch bessere Waffen sowie Klamotten in Geschäften zugänglich macht. Außerdem bekommt ihr von den Fixern immer bessere Aufträge, da sich eure Taten rumsprechen - bis hin zu Meldungen in TV-Shows oder den Nachrichten. Allerdings hat dieser universelle Ruf den Nachteil, dass die Gangs und Konzerne als Auftraggeber nicht unterscheiden, wem ihr einen Gefallen getan habt. Sprich: Erledigt ihr einen Job für die Tiger Claws, finden das quasi auch verfeindete Gangs cool. Und tötet ihr Tiger Claws in kleinen Straßengefechten, bekommt ihr trotzdem von ihrer Fixerin Wakama weiter Aufträge. Auch der Polizei ist es letztlich egal, wie oft ihr wen killt. Hier lässt CD Projekt RED einiges Potenzial liegen, was Konsequenzen durch sowie die Beeinflussung von Fraktionen betrifft.