Zurück zu den Wurzeln
Aber zurück zur Ausgangsfrage: Ist das überhaupt noch ein Resident Evil? Ja! Mehr als es die Demo und meine bisherigen Ausführungen vielleicht vermuten lassen. Tatsächlich würde ich so weit gehen zu behaupten, dass bisher keine Fortsetzung innerhalb der Reihe die Atmosphäre, Spannung und Faszination des Ur-Vaters so überzeugend repliziert hat. Es entsteht ein ähnlich packendes Gefühl wie damals, wenn man vorsichtig die Stockwerke des düsteren Hauses erkundet, dessen Gänge und Zimmer erst nach und nach durch das Finden spezieller Schlüssel oder das Lösen simpler Rätsel zugänglich werden. Schon innerhalb der ersten Stunde wird außerdem deutlich, dass man bezüglich der Gewaltdarstellung die harte Tour bevorzugt. Das Splatter-Fest, bei dem der rote Lebenssaft in manchen Szenen gefühlt literweise durch die Gegend spritzt, schockt mitunter selbst Hartgesottene und ist definitiv nichts für zart besaitete Gemüter. Dabei tragen nicht nur die finsteren Korridore, der hohe Gore-Faktor, die atmosphärische Beleuchtung und die liebevoll gestaltete Umgebung zur fesselnden Stimmung bei. Vor allem die exzellente Soundkulisse erweist sich als effektives Mittel, um die schaurige Atmosphäre zu realisieren: Vom subtilen Knarzen der Holzdielen über die wuchtige Unterstützung bei Schockmomenten bis hin zu bedrohlichen Lauten zieht Capcom auch
Es sind zwar keine Zombies, aber die Varianten der Moulded sind noch gefährlicher und aggressiver als die untote Brut von damals.
auf der Klangebene alle Register, um den Spieler das Fürchten zu lehren. Dazu gesellt sich eine grandiose Surround-Abmischung und der gezielt dosierte Soundtrack. Die Musik leistet vor allem bei Kampf- und Fluchtsequenzen mit treibenden Arrangements wertvolle Unterstützung, hält sich sonst aber eher zurück oder verstummt sogar komplett, damit sich die großartigen Effekte voll entfalten können. Schließlich ist sogar die deutsche Lokalisierung geglückt: Die Stimmen wurden allesamt prima gewählt und die Akteure liefern eine glaubwürdige, professionelle Vorstellung ab. Was die deutsche Synchro angeht, markiert die jüngste Fortsetzung ohne Zweifel den Höhepunkt innerhalb der Reihe, doch ist neben anderen Sprachen selbstverständlich auch das englische Original enthalten. Praktisch: Neben anderen Einstellungsoptionen wie einem verringerten Gore-Faktor sowie Anpassungen an HUD, Ton und Steuerung darf auch die gewünschte Sprache samt Untertiteln direkt aus dem Spiel heraus ausgewählt werden.
In Sicherheit
Die Rätsel stellen keine große Herausforderung dar, sind aber trotzdem gut eingebunden.
Es sind nicht nur Horror-Flair und Szenario, die an vergangene Tage erinnern. Auch hinsichtlich der Spielmechaniken erlebt man das eine oder andere Déjà-vu, etwa bei den altbekannten Speicher-Räumen: Dort ist man nicht nur sicher, sondern darf auch unabhängig von den automatisch sowie fair gesetzten Speicherpunkten seinen Spielstand manuell sichern. Sogar die Kisten feiern ein Comeback und erlauben das Zwischenlagern von Gegenständen, denn der Platz im Inventar ist erneut begrenzt, darf durch gefundene Rucksäcke aber erweitert werden. Klar bleibt bei diesem System die Logik auf der Strecke, weil die Inhalte der Kiste an jedem Ort identisch sind und an einer bestimmten Stelle im Spiel sogar auf magische Art und Weise ergänzt werden. Schade zudem, dass man mitgeführte Objekte bei vollem Inventar nicht einfach auf Wunsch gegen neue Funde austauschen darf. Wer unbedingt Platz schaffen will, hat aber immerhin die Möglichkeit seine Taschen zu leeren, doch gehen die gewählten Objekte dabei unwiederbringlich verloren. Im freispielbaren Schwierigkeitsgrad „Irrenhaus“ wird es richtig retro: Es werden nicht nur die automatischen Speicherpunkte reduziert und der Schaden durch Gegner erhöht, sondern man benötigt zum manuellen Sichern auch Audiokassetten, die die alten Farbbänder ersetzen – herrlich! Die Kartenansicht erinnert ebenfalls an alte Zeiten, obwohl sie hier mit Hinweisen zu den aktuellen Aufgaben ergänzt wurde. Bei all den klassischen Elementen, zu denen selbstverständlich auch die grünen Kräuter zählen, hat man eine der alten Traditionen zum Glück nicht übernommen: Das gleichzeitige Schießen und Bewegen ist genauso erlaubt wie eine flotte 180-Grad-Drehung!
Kein hilfloses Opfer
Was gegen Aliens hilft, kann auch im Kampf gegen die seltsamen Kreaturen im Baker-Anwesen sicher nicht schaden.
Vermitteln die Beginning Hour und auch der Einstieg den Eindruck, man müsse sich im Stil von Outlast, Slender oder Silent Hill: Shattered Memories den Bedrohungen wehrlos entgegenstellen, dürfen Resi-Veteranen aufatmen: Genau wie in den anderen Teilen bekommt man auch hier mehr als genug Möglichkeiten, sich mit Waffen wie Pistolen, Shotgun und Flammenwerfer zu verteidigen. Später wird das Arsenal sogar noch um schwere Geschütze wie den Granatwerfer, Bomben mit Zeitzünder und ein MG ergänzt. Wird aus dem Horror-Erlebnis also plötzlich ein Ego-Shooter? Nein, keine Panik! Dafür sorgt vor allem der knapp bemessene Munitionsvorrat, der in den hervorragenden Bosskämpfen sowie knackigen Gegnerformationen noch rapider abnimmt.
Die Designer wissen genau, wann sie den Spieler mit Kugeln sowie Wummen versorgen und wann sie ihn wieder schwitzen lassen oder ihm sogar wieder das komplette Equipment wegnehmen. Überhaupt sind ihnen der Aufbau und die Tempowechsel innerhalb des etwa zehn bis 13-stündigen Horror-Trips verdammt gut gelungen: Während in Erkundungspassagen oder einem Katz- und Mausspiel die Spannung zunächst prima aufgebaut wird, entlädt sie sich schließlich in dramatischen Action- oder Fluchtsequenzen. Dazu kommen abseits der Bosskämpfe weitere tolle Elemente, in denen der gewöhnliche Spielfluss aufgebrochen wird: An einer Stelle muss man z.B. bei der Suche nach einem beweglichen Ziel den Entfernungsmesser am Handgelenk im Auge behalten, wo man normalerweise auch den eigenen Gesundheitszustand ablesen kann. In einem anderen Moment wird dagegen auf einen „Saw-Modus“ umgeschaltet und man muss sich bei einem fiesen Spiel auf Leben und Tod nicht nur mit Sprengfallen und anderen Gefahren herumschlagen, sondern auch einen heimtückischen Test meistern. Trotzdem fällt auf, dass das Waffenarsenal stellenweise die Spannung beeinträchtigt, denn mit einer geladenen Schrotflinte fällt z.B. der Weg in den dunklen Keller deutlich leichter. Ich bin dennoch froh, dass Capcom an der alten Tradition festgehalten hat und den Einsatz von Waffen erlaubt. Schön auch, dass man für den Flammenwerfer erst die nötigen Teile zusammensuchen und die Schrotflinte in klassischer Resi-Manier besorgt werden muss.