Haarige Rätsel
Noch mehr Spaß haben mir die Passagen mit Freibeuter Nate und seinem extrem coolen Begleiter, dem haarigen „Vieh“ gemacht. Nachdem ich den Wächter-Vogel eines Kopfgeldjägers mit einem Trick in ein Fass gelockt und eine magische Lampe aus einer fliegenden Piratenfestung stibitzt habe, läuft die Situation natürlich doch wieder aus dem Ruder. Der herbei gerufene Flaschengeist Benny stellt sich als unbegabter Azubi heraus: Statt ein Schloss zu knacken sprengt er den plärrenden Vogel aus dem Versteck, der natürlich prompt Alarm schlägt und Nate den gelinkten Kopfgeldjäger auf den Hals hetzt. Kurz danach bekomme ich auch eine Ahnung, warum Nate bereits im Intro aus großer Höhe gefährlich schnell in Richtung Boden segelt. Hier zeigt sich wieder Jan Theysens Gespür für Situationskomik: „Ist ja fast nix passiert, Benny“, bemerkt Nate trocken, “allerdings kommt der Boden immer noch näher!“. Selbst als Nate Interesse an den Wehwehchen des Dschinns heuchelt und näher nachhakt, bleibt der Flaschengeist bockig: „Ich fühle mich heute wirklich nicht danach!“
Auch ein klassisches Cocktail-Rätsel darf nicht fehlen: Das Vieh muss dem verkaterten Freund Nate mit aberwitzigen Verrenkungen einen Katerkiller mixen.
Gelungen sind auch die zahlreichen Anspielungen auf aktuelle Themen oder Fantasy-Universen - z.B. wenn der Erzmagier von seinem Live-Rollenspiel als LKW-Fahrer im Stau schwärmt (besser als der ganze langweilige Hokuspokus und Fantasy-Schlachten). Cool ist auch der als Hausmeister fungierende Troll, der natürlich exakt wie ein Forentroll argumentiert. Egal, wie Wilbur es versucht, der Troll weiß alles besser, argumentiert stets destruktiv und drückt sich mit Hilfe seiner Diskussions-Erfahrung um jegliche Arbeit.
Mit vereinten Kräften
An manchen Stellen des Spiels kann ich zwischen mehreren Helden wechseln, die im Grüppchen unterwegs sind: Beim oben erwähnten Ablenkungsmanöver lockt z.B. das Vieh den Vogel mit Erdnüssen auf den nächsten Bildschirm, damit Nate ungestört den Geist aus der Lampe befreien kann. Auch als die beiden zusammen mit Ivo in der Wüste auf die altbekannte vergessliche Mumie treffen, wird immer wieder gewechselt, um diverse Fallen und Apparaturen zu überlisten. Der Großteil der Rätsel wirkt zwar nicht besonders innovativ, sorgt mit seinem logischen Aufbau aber für einen guten Spielfluss. Innerhalb der Fantasy-Logik bleiben die nicht übermäßig schweren Puzzles mit diversen Zaubersprüchen meist nachvollziehbar und erstrecken sich über ein überschaubares Areal.
Endlich ist die Idylle vorbei: Ivo freut sich über das sich anbahnende Abenteuer.
Manchmal bremst die Vielzahl der Rätsel allerdings auch im späteren Spielverlauf die Geschichte aus. Die mit Hilfe der Kickstarter-Kampagne ermöglichten optionalen „Neben-Quests“ sind dagegen eine schöne Sache: In der Bibliothek schafft Wilbur es z.B., in die Vergangenheit zurück zu reisen – die allerdings ganz anders aussieht, als ich es mir vorgestellt hätte. Ich verrate lieber nicht zu viel, um nicht den Gag vorwegzunehmen. Zur Belohnung bekam ich einen hinterher einen extrem hässlichen Papierhut – hurra!
Kein technisches Debakel wie bei The Raven?
Im Gegensatz zu den letzten Adventures von King Art läuft das Spiel technisch meist sauber. Ausnahmen sind seltene Clipping-Fehler. Außerdem gibt es auf Konsolen ab und zu leichte Ruckler und kleine Pixeltreppchen zu sehen, die sich auf dem PC effektiver durchs Anti-Aliasing ausbügeln lassen. Ein kleiner Nachteil ist auch die Steuerung: Die Figuren werden direkt mit dem linken Stick bewegt; nahe Hotspots werden dann automatisch eigeblendet. Das funktioniert zwar passabel, geht aber nicht so intuitiv von der Hand wie mit Maus und Tastatur, weil die Figuren sich etwas steif bewegen und beim Umdrehen manchmal umständliche Umwege nutzen. Mit der Bedienung des Inventars bin ich nach kurzer Gewöhnung aber gut klargekommen: Per Y wird es ein- und ausgeklappt, danach benutzt man den gewählten Gegenstand mit anderen Dingen, die eingeblendet werden.
Vorsicht, Fallen!
Für die deutsche Synchronisation wurden diesmal rund 150.000 Wörter eingesprochen: Promis wie Oliver Rohrbeck (Justus Jonas), Marion von Stengel (Angelina Jolie), Santiago Ziesmer (Spongebob Schwammkopf) und Dietmar Wunder (Daniel Craig) liefern wieder einen richtig guten Job ab. Benny Oschmann zeigt außerdem, was ich oft bei anderen orchestralen Spielesoundtracks vermisse: Der junge Komponist hat erneut richtig schön mystische, beschwingende und dramatische Melodien abgeliefert, die mir noch Stunden nach dem Spielen im Ohr hängenblieben. Diesmal wurden die Stücke übrigens mit dem "The City of Prague Philharmonic Orchestra" eingespielt.