Auf dem Platz: Das offensivere Spielgefühl
FIFA 15 ist im Vergleich zu FIFA 14 das deutlich offensivere und unberechenbarere Spiel. Das liegt zum einen daran, dass man mit seinen schnellen Stürmern einfacher im Sprint an den Verteidigern vorbeiziehen kann – also ohne aktive Dribblings, nur über viel Tempo plus Richtungswechsel. Sogar die direkte Ballannahme nach einem hohen Zuspiel über den Analogstick wird fast immer in eine elegante Weiterleitung des Stürmers münden, manchmal sogar
FIFA 15 ist offensiv leichter, die Stürmer kommen öfter durch.
per Hacke im vollen Lauf. Das sieht cool aus, ist aber auch ein Automatismus, der den Angreifer bevorzugt. Man braucht also nicht unbedingt Tricks über die Skill-Moves einsetzen, sondern vor allem Raum, dann rasen Raketen wie Ronaldo, Aubameyang oder Welbeck fast unwiderstehlich davon, weil man seine Laufwege grundsätzlich feiner diagonal justieren kann, wenn man den Ball am Fuß hat.
Der Vorteil: Man hat das Gefühl, dass der moderne Tempofußball besser simuliert wird. Denn auch als Mittelfeldspieler kann man sicher eher über präzise Richtungswechsel mehr Raum verschaffen, um den entscheidenden Pass zu spielen. Vor allem die Zuspiele in die Tiefe sind explosiver, so dass mehr rasante Kontersituationen mit wenigen Kontakten entstehen – man kann also in FIFA 15 den traditionell eher behäbigen Rhythmus im Mittelfeld mit Tempowechseln oder plötzlichen Pässen etwas besser aufbrechen. Und man kann mit seinem Pressing wesentlich mehr Druck auf die Viererkette ausüben, so dass die Innenverteidiger sich meist in letzter Sekunde den Ball zuspielen müssen. Es fallen auch mehr Tore, was Freunde der Offensive und des Spektakels freuen wird. Ergebnisse wie 3:3 oder 4:3 habe ich in FIFA 14 online sehr selten erlebt - jetzt gibt es derartige Torfestivals häufiger. Und Einsteiger, die mit allen Hilfe-Einstellungen spielen, werden auch ohne einen Blick auf die L2-Dribblingsteuerungen oder besondere Skills schneller spektakulär einnetzen als noch im Vorgänger. Veteranen mit mehr Realismusanspruch werden beklagen, dass ihnen diese Finessen im 1-gegen-1 immer zu wenig bringen und dass fast schon ein Hauch von Arcade auf dem Rasen weht. Ist das schlimm? Nicht unbedingt, denn offensive Spannung ist immer gut und mit mehr Erfahrung in der neuen Defensive kann man gegenhalten.
Vor allem schnelle Stürmer kommen auch ohne Skill-Moves besser in den Strafraum - man kann im vollen Lauf präziser die Richtung wechseln.
Und das ist der Knackpunkt, denn alle Verteidiger müssen sich wesentlich mehr konzentrieren, auch mal den Ball raushauen statt zu spielen: Der Stürmer tankt sich manchmal wie magisch durch die Reihen. Nicht nur Topstars wie Ronaldo sind schwieriger aufzuhalten als noch in FIFA 14. Man hat fast das Gefühl, dass im Zweikampf um den Ball immer der Angreifer im Vorteil ist - und das ist ärgerlich. Gerade online kann man erleben, dass auch mittelklassige Stürmer mit ihren Soli vom Mittelfeld in den Strafraum vordringen und abschließen.
Und das, obwohl man das Abschirmen, Pressing und Doppeln wie gehabt einsetzt. Es scheint so, dass EA das „Tactical Defending“, das ja noch im Steuerungsmenü als Option existiert, abgeschwächt hat - und zwar zu stark. Auch die Grätsche ist nicht wirklich eine physikalische Waffe, weil man damit in einem recht kleinen Radius fast immer sauber auf den Ball geht - dabei müsste sie auch effizienter als Blockade wirken. Es ist natürlich trotzdem möglich, eine effiziente Defensive aufzubauen, aber auch schwieriger als in FIFA 14 aus einer passiven Verfolgung an den Ball zu kommen. Selbst wenn man die neue totale Defensive aktiviert, also zwei Abwehrketten hinten in Busformation vor dem Tor aufbaut, muss man unheimlich aufpassen. Was natürlich auch die Spannung erhöht, schließlich kann das ständige Abfangen gerade den Fußballspaß im Keim ersticken.
Steuerung identisch, Standards verbessert
Das Spielgefühl ist also offensiver, aber die Spielmechanik bleibt leider nahezu identisch. Schade ist, dass man auf dem Platz nicht mehr Möglichkeiten hat, was die Steuerung angeht – hier gleicht FIFA 15 seinem Vorgänger wie ein Zwilling. Ja, man kann den Ball etwas effizienter über L2 mit dem Rücken zum Gegner abschirmen, aber das war's. Daher kann sich EA auch ein Trainingstutorial sparen. Wer FIFA 14 kennt, muss nichts hinsichtlich der Steuerung umstellen. Wer als Einsteiger dennoch alle Bewegungen lernen will, darf sich dafür in 14 Skill-Übungen austoben, in denen nahezu alles an Manövern in diversen Schwierigkeitsstufen abgefragt wird; inklusive einiger kreativer Parcours inklusive beweglicher Hindernisse oder gegen mehrere KI-Spieler.
Der bei allen aktivierten Hilfen mächtige Schlenzer scheint übrigens erneut abgeschwächt zu sein – jedenfalls wenn man mit denselben Semi-Einstellungen kickt wie im Vorjahr. Man vermisst als FIFA-Kenner aber endlich mal neue Schuss- oder Kopfballtechniken, obwohl da auch
Endlich hat man bei Standards mehr Auswahl und mehr Leben im Strafraum.
einiges möglich wäre, um den Automatismen im Abschluss entgegen zu wirken: Warum kann ich nicht gezielt einen Aufsetzer köpfen? Warum kann ich den wuchtigen Flachschuss nur beim Freistoß erzwingen? Wieso kann ich nicht manuell zu einem Flatterball ansetzen oder im Strafraum mal schnell mit der Picke draufhalten?
Die Ballphysik wurde zwar nicht spürbar bei Fernschüssen, aber zumindest in einigen Situationen verbessert. Endlich hat man diese überdrehten Flanken ausgemerzt, so dass die hohen angeschnittenen und scharfen Hereingaben authentischer aussehen. Außerdem gibt es Fortschritte bei den Standards: Ich kann bei einem Einwurf direkt den Abnehmer bewegen und bei Ecken hat EA u.a. die Features der WM-Edition integriert und auch für mehr Leben gesorgt. Man kann vor dem Schuss nicht nur festlegen, ob die Spieler z.B. an den kurzen oder langen Pfosten oder die Strafraumgrenze laufen oder den Torwart bedrängen sollen, man kann auch gezielt zum Abnehmer in den Strafraum wechseln und mit diesem über Knopfdruck erst eine Körpertäuschung einleiten und dann die Flanke anfordern. So entsteht mehr Gerangel und situative Spannung im Strafraum – sehr schön.
Elfmeter- und Torlinien-Bug
Sehr ärgerlich ist allerdings ein Elfmeter-Bug, der zum Beenden von Partien zwingt. Die Schützen der Gegner-KI verschwinden manchmal links aus dem Bildschirm oder stehen ohne Regung vor dem Ball - und weil nichts passiert, muss man abbrechen. Wir haben das in einem Match zwischen Bayern und HSV auf der PlayStation 4 mit
Share-Funktion aufgezeichnet. Außerdem ist uns in einem Match bei Arsenal aufgefallen, dass ein Tor nach Lattentreffer gezählt wird, obwohl die eingeblendete Torlinientechnik deutlich zeigt, dass die Kugel nicht in vollem Umfang über der Linie war - das ist natürlich extrem peinlich und ärgerlich.