Gnadenlose, aber reife Regie
Autsch - das tut weh! Selbst ein harter Wolf wie Bigby muss die Zähne zusammen beißen, als er zu Beginn der vierten Episode verarztet wird. Er wurde nicht nur mit Blei, sondern auch mit Silber vollgepumpt; außerdem hat man ihm den Arm gebrochen. Überall Blut, offene Wunden und ein Knochen, der schief ins Bild ragt. Wer auf den Arzt hört, kann ihn
Bigby hat Schmerzen: Aber die Kugeln in seinem Körper sind das geringste Problem - irgendetwas scheint ganz Fabletown in den Abgrund zu ziehen.
selbst einrenken. Die gnadenlose Regie bleibt sich treu: The Wolf Amongs Us ist ein Adventure für Erwachsene, das in seinen letzten Folgen nochmal einen draufsetzt, was die Darstellung von Gewalt betrifft.
Aber sie wird nie zum Selbstzweck eingesetzt, sondern unterstreicht damit all die Extremsituationen, in denen sich die Fabelwesen befinden. Alles scheint sich zuzuspitzen, jeder scheint um seine Existenz zu kämpfen. Aber vor wem haben alle nur diese Angst? Und warum? In der Rolle von Bigby kann man sich kaum der Story entziehen, die sehr schnell, sehr knackig präsentiert wird - obwohl es spielerisch mal wieder wenig Anspruchsvolles gibt.
Fast keine Rätsel, trotzdem raucht der Kopf
Mal ein Reaktionstest hier, mal ein bisschen untersuchen da, aber wirkliche Rätsel, Kombinationen von Gegenständen oder detektivische Erkundungen sind Fehlanzeige. Dafür werden einige Kämpfe ausgedehnt zelebriert. Es gibt unter dem Strich sogar noch weniger investigative Aufgaben als in den ersten drei Teilen - das ist schade, denn gerade das Krimi-Thema hätte sich für mehr angeboten.
Man knobelt also erneut nicht klassisch, aber dafür zerbricht man sich mal wieder den Kopf in den vielen Multiple-Choice-Situationen. Spielt man den harten Kerl oder lässt man Snow an sich heran? Zieht man als Wolf die kommenden Ermittlungen auf seine rustikalere Art durch oder überlässt man Snow die Strategie? Sie will alles
Im gelungenen Finale müssen alle nochmal Rechenschaft ablegen - hier zeigen sich die Konsequenzen für bisherige Handlungen.
sauberer und klarer, aber auch rigoroser angehen, was die Fabelwesen angeht: Niemand soll unnötig verletzt werden. Alles sollen in Sicherheit kaserniert werden. Unterstützt man sie in ihrem Vorhaben und zieht sich den Unmut anderer zu?
Die finale Abrechnung
Die Gespräche werden auch deshalb immer interessanter, weil es um Vertrauen und Misstrauen sowie Beziehungen wie Freundschaft und Liebe geht. So werden selbst kleine Entscheidungen relevant, weil sich Charaktere wie in allen bisherigen Episoden erneut merken, was Bigby antwortet. Während die Zeit abläuft, muss man sich immer wieder entscheiden. Man kann stellenweise sogar mit Gesten wie einer Umarmung reagieren oder einfach nichts sagen - so entstehen sehr subtile, angenehm emotionale Situationen, die von der Regie ruhig ausgepielt werden.
Und das Schöne ist: In der fünften Episode wirkt sich all das nochmal aus, denn Bigby muss in einem Finale mit einer Art Gerichtsverhandlung endlich Rechenschaft über seine Taten ablegen. Das wird sehr schön inszeniert, denn alle relevanten Figuren treten nochmal auf, hören zu oder sprechen selbst. Welchen Fabelwesen hat er im Laufe der fünf Episoden mit seiner Art der Ermittlung vor den Kopf gestoßen? Wen konnte er mit seinem Verständnis für sich gewinnen? Wen haben er und auch Snow White trotz guter Vorsätze gegen sich aufgebracht?