Das große Verschwinden
Die Geschichte von Lost Sphear klingt interessant: In der Fantasywelt verschwinden auf einmal ganze Städte, Wälder, Ozeane, Personen und Truhen von der Bildfläche und zurück bleiben nur weiß schimmernde Flächen - und Erinnerungen. Während der Mond eine omnipräsente Rolle einnimmt, fällt auch auf, dass der Tag/Nacht-Wechsel irgendwie fehlt und Monster das Land unsicher machen - vielleicht hängt das ja alles irgendwie zusammen.
In dieser Welt folgt man Kanata und seinen Gefolgsleuten durch weitläufige leere Landschaften und darf mit seiner einzigartigen Fähigkeit anhand von Erinnerungen, die wiederum auf Gefühlen beruhen, die verschwundene Welt schrittweise wiederherstellen. Erinnerungen erhält Kanata z.B. durch gewonnene Kämpfe gegen Kreaturen,
Mit Erinnerungen kann die Welt wiederhergestellt werden. Hier wird ein Artefakt, eine Art Buff-Turm, errichtet. Danach wird der weiße Bereich der Karte gelüftet.
in Kisten oder in Gesprächen, in dem er Erinnerungskristalle aus bestimmten Schlüsselwörter formt, was wirklich arg simpel gestrickt ist, da viele Erinnerungen lediglich schnöde Sammelgegenstände sind. Hat Kanata alle Erinnerungszutaten zusammen, können Landstriche wiederhergestellt, Personen zurückgeholt oder Artefakte (Gebäude, die Kampfboni einbringen) auf der Weltkarte materialisiert werden.
Eine Geschichte zum Vergessen?
Wenn sich die Geschichte, die hauptsächlich auf kleinen Texttafeln mit maximal drei Zeilen fortgeführt wird (keine Sprachausgabe; aber deutsche Texte), wirklich um die Natur der Welt, die Erinnerungen und die Gefühle konzentriert, dann ist Lost Sphear interessant - gerade ab der zweiten Hälfte. So ist es zum Beispiel sehr gelungen, wenn man die Erinnerungen an eine verschwundene Person mit der Hilfe von anderen Menschen zusammenträgt und anhand ihrer Aussagen die Vermisste wieder herbringt.
Nur leider wird das Potenzial der Geschichte und die Verstrickung mit einem garantiert nicht bösen Imperium durch viele aufgeblasene und unnötige Dialoge in die Länge gezogen - vieles erscheint als hohles "Blabla", das weder Story noch Charaktere voranbringt. Hinzukommen vorhersehbare Entwicklungen und peinliche bzw. witzig gemeinte Momente mit Fremdschämfaktor zum Kopfschütteln.
Seltene Veränderungen des Kamerawinkels verleihen der Welt zusätzliche Tiefe.
Manche Teile der Geschichte oder Charaktere hätte man einfach weglassen können, um dem weitgehend linearen Spielablauf zu straffen. Bis die interessante Geschichte an Fahrt aufnimmt, muss man gehörig die Zähne zusammenbeißen, denn gerade der Auftakt ist langwierig und mit teils ätzenden Dialogen ausstaffiert. Und trotz der vielen Texttafeln will es dem Spiel einfach nicht gelingen, Charaktere zu schaffen, die über die typischen Archetypen, die sich in einem Satz beschreiben lassen (wie der gutherzige Trottel, der Geschichtenopa, der mysteriöse Heißsporn), hinausgehen. Sogar die leichtgläubige Hauptfigur bleibt erschreckend blass - quasi ein Held zum Vergessen.
Spärliche Inszenierung
Da sich aufgrund der limitierten Grafikmöglichkeiten nur schwer die Reaktionen der Charaktere darstellen lassen, erscheinen manchmal Ausrufe- oder Fragezeichen oder Tränchen über ihren Köpfen, um ihre Emotionen oder die Verwunderung zum Ausdruck zu bringen, was schon irgendwie niedlich wirkt. Animierte Zwischensequenzen oder comichafte Szenen zur Story-Fortführung, wie es zum Beispiel
Battle Chasers: Nightwar vorgemacht hat, fehlen.
Erinnerung auf Knopfdruck.
Ansonsten ist die Inszenierung karg, hölzern und bisweilen peinlich witzig - wenn zum Beispiel Figuren andere Figuren im Eiltempo mit nur wenigen Animationsstufen ungelenk umrennen. Bei diesem inszenatorischen Minimalismus ist es ungewöhnlich, dass die Geschichte an manchen Stellen überraschend an emotionaler Intensität zulegt und das ist einzig und allein dem Soundtrack von Miyoshi Tomoki zuzuschreiben, der zwar nicht immer, aber an vielen Stellen den passenden Ton zum Geschehen trifft.